1. chiemgau24-de
  2. Bayern
  3. Landkreis Altötting

Vom Bruder gerettet: Warum Hermann Anwander jetzt für ein neues Organspende-System kämpft

Erstellt:

Von: Dorita Plange

Kommentare

Hermann Anwander (71, links) mit Bruder Josef (74) und Rauhaardackelhündin Lissi. Vor zehn Jahren spendete ihm Josef eine Niere und rettete ihm das Leben.
Hermann Anwander (71, links) mit Bruder Josef (74) und Rauhaardackelhündin Lissi. Vor zehn Jahren spendete ihm Josef eine Niere und rettete ihm das Leben. © privat

Hermann Anwander aus Garching an der Alz hatte vor rund 10 Jahren innerlich bereits abgeschlossen. Die Ärzte gaben ihm nur noch Monate. Doch dann rief sein Bruder an und rettete ihm das Leben. Warum der 71-Jährige jetzt darauf hofft, dass sich mit der Organspende-Regelung in Deutschland schnell etwas ändert.

München/Bad Heilbrunn – Das Telefonat mit seinem Bruder Josef (74) an jenem Junitag im Jahr 2012 fiel ungewöhnlich kurz aus. Weil dem schwerkranken Hermann Anwander (71) vor lauter Überraschung und Rührung schlicht die Worte fehlten. Es war der Tag, an dem sein Bruder ihm das Leben rettete mit den Worten: „Ich werde dir eine meiner Nieren spenden.“

Zu diesem Zeitpunkt hing Hermann Anwanders Leben bereits am seidenen Faden. Zehn Jahre ist das jetzt her. Die Brüder genießen ihr Leben heute in vollen Zügen. Der alarmierende Rückgang der Organspenden um fast 30 Prozent (siehe unten) lässt Hermann Anwander keine Ruhe: „Ich bin das lebendige Beispiel dafür, wie wichtig und wie richtig die Organspende ist. Im Himmel werden Nieren nicht mehr gebraucht. Nur auf Erden retten sie Menschenleben.“

„Ich hatte innerlich abgeschlossen.“

Als sich der aktiv im katholischen Glauben verwurzelte, pensionierte Oberkommissar aus Garching an der Alz (Landkreis Altötting) in jüngeren Jahren einen Organspendeausweis zulegte, war das Thema für ihn damit erledigt. Heute verfolgt er in sämtlichen Medien die teils hochemotional und oft auf falschen Fakten basierenden Diskussionen um Organentnahme, Organspende und die Einführung der Widerspruchslösung, bei der jeder automatisch zum Organspender würde, sofern er nicht ausdrücklich widerspricht. 

Dazwischen liegt seine Leidensgeschichte mit 60 stationären Aufenthalten in 14 Kliniken, die alles veränderte: Hermann Anwander erkrankte vor über 20 Jahren an einem erblich bedingten Nierenleiden, das zum Nierenversagen und schweren Atemproblemen führte, weil die Organe zuletzt überdimensional anschwollen – auf ein Gewicht von jeweils sieben Kilo. Normal sind rund 180 Gramm pro Niere. 

Als der Familienvater 60 Jahren alt war, musste er viermal wöchentlich zur Dialyse. Innerhalb von eineinhalb Jahren baute er massiv ab: „Zuletzt war ich zu schwach zum Sitzen.“ Zwar stand er auf der Warteliste für die Organspende: „Ich hätte noch acht Jahre durchhalten müssen. Diese Zeit hatte ich nicht mehr. Die Ärzte gaben mir nur noch Monate. Ich hatte innerlich abgeschlossen.“

Hermanns Bruder Josef wird zum Lebensretter

An diesem Punkt griff sein Bruder ein. Seine Lebendspende war Hermanns letzte Rettung. Noch heute bezeichnet er diesen Tag als den schönsten seines Lebens: „Wer gesund ist und noch nie den Tod vor Augen hatte, kann nicht erahnen, was das für ein Gefühl ist.“ Am 29. September 2012 wurden die Brüder Anwander im Universitäts-Klinikum rechts der Isar erfolgreich operiert. Nur vier Stunden später sahen sich die Brüder im Zimmer wieder: „Josef war total überrascht. Mein graues Gesicht hatte schon wieder Farbe. Die Niere hatte während der OP ihre volle Funktion aufgenommen.“

Blick in den OP: PD Dr. Volker Aßfalg und sein Team entnehmen die Niere eines lebendigen Spenders.
Blick in den OP: PD Dr. Volker Aßfalg und sein Team entnehmen die Niere eines lebendigen Spenders. © TUM/CZOPPELT

Zwölf Tage später traten die Anwanders ihre gemeinsame Reha in der Fachklinik Bad Heilbrunn an. Ein Ort, der Hermann Anwander viel bedeutet: „Dort haben mich Ärzte und das Pflegepersonal sowohl physisch als auch psychisch wieder auf die Beine gebracht. Erst lernte ich wieder laufen, dann radfahren.“ 

Ein sehr wichtiger Bestandteil der Reha ist die Transplantatsnachsorge: Checkup, sorgfältige Einstellung der Medikamente und Einnahmezeiten, die richtige Ernährung, und Trainingseinheiten im Freien und an den Geräten, die Hermann Anwander auch zuhause weiterführt. Auch menschliche Zuwendung ist für Transplantations-Patienten extrem wichtig. 

Team der Fachklinik Bad Heilbrunn: (v.li.) Claudia Pauker, Dr. Ligia Rasca-Leprich, Hermann Anwander, Dr. Doris Gerbig und Dr. Marc Albersmeyer.
Team der Fachklinik Bad Heilbrunn: (v.li.) Claudia Pauker, Dr. Ligia Rasca-Leprich, Hermann Anwander, Dr. Doris Gerbig und Dr. Marc Albersmeyer. © privat

Rückschläge nicht ausgeschlossen: „Man erwischt sich dabei, dass man mal sündigt oder leichtsinnig wird. Acht Wochen nach der OP hatte ich einen Narbenbruch, weil ich mich wohl übernommen habe.“ Dann Anzeichen einer Abstoßungsreaktion. „Das Gefährliche daran ist, dass ich davon nichts gespürt habe. Schon allein deshalb ist es so wichtig, die Vorsorge einzuhalten.“ Im Winter 2019 musste sich Hermann Anwander einer Darm-OP unterziehen. Auch seine zweite, stark vergrößerte linke Niere wurde entfernt. „Ich habe das aber alles trotz meiner Vorgeschichte gut überstanden.“ 

Hermann Anwanders größter Wunsch

Am 29. September werden die Brüder mit der ganzen Familie auf den zehnten Jahrestag der Transplantation anstoßen. Hermann Anwander hat ein Buch zum Thema („Für und Wi(e)der die Transplantation“, Rediroma Verlag, 9,95 €) geschrieben. Sein größter Wunsch: „Die Einführung der Widerspruchslösung für die Organspende.“ Denn genau in diesem Moment hoffen rund 8700 todkranke Frauen, Männer und Kinder allein in deutschen Kliniken auf ein Organ. Und ebenso werden täglich hunderte Menschen beerdigt, deren Organe einige dieser Leben vielleicht hätten retten können. Hermann Anwander: „Wenn ich mit meiner Geschichte auch nur einige Menschen überzeugen konnte, sich einen Organspendeausweis zuzulegen, dann wäre ich sehr glücklich.“ 

Auch interessant

Kommentare

Liebe Leserinnen und Leser,
wir bitten um Verständnis, dass es im Unterschied zu vielen anderen Artikeln auf unserem Portal unter diesem Artikel keine Kommentarfunktion gibt. Bei einzelnen Themen behält sich die Redaktion vor, die Kommentarmöglichkeiten einzuschränken.
Die Redaktion