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Forscherin, Spekulantin, Brandstifterin - so prägten Frauen die Geschichte von Bad Reichenhall

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Von: Melanie Fischer

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Museumsleiterin Eva Knaus-Reinecker vom ReichenhallMuseum
Leiterin Eva Knaus-Reinecker neben dem Bild einer Sennerin im ReichenhallMuseum © Melanie Fischer

Frauen in der Geschichte von Bad Reichenhall. - Ein Thema, das wohl viele interessiert, denn die Führung im ReichenhallMuseum am Weltfrauentag ist bereits ausgebucht. Aber ein zweiter Termin steht schon. Wir haben mit der Leiterin über weibliche Persönlichkeiten der Stadt gesprochen und dabei viel Ruhmvolles, aber auch Frevelhaftes erfahren.

Bad Reichenhall - Die Leitung des ReichenhallMuseums hat eine Frau inne. Eva Knaus-Reinecker löste eine lange Liste an Vorgängern ab. Seit der Gründung des Museums 1988 gab es fünf Männer in dieser Position (Josef Maurer, Josef Krönner, Fritz Schühlein, Fritz Hofmann und Robert Kern). Passend zum Weltfrauentag möchte sie den Focus auf bekannte Frauen in der Geschichte Bad Reichenhalls legen. „Es geht ja beim Weltfrauentag nicht darum, dass man Frauen Blumen schenkt, sondern dass man daran erinnert, was sie erreicht haben“, sagt sie. Und da hat Bad Reichenhall einiges zu bieten.

Die Heimatforscherin

Eine große Persönlichkeit ist auf jeden Fall Liselotte Mertig. Ein Kuraufenthalt hat dazu geführt, dass sie in Bad Reichenhall geblieben ist. Die Heimatforscherin hat zwischen den Fünfziger und Achtziger Jahren des 20. Jahrhunderts viele archäologische Funde gemacht. Einige dieser Entdeckungen sind im Museum ausgestellt: Das Mosaik aus der Römervilla in Marzoll, eine Venusfigur und der ältester Fund des Museums: eine Feuersteinklinge aus der Zeit um 2000 v. Chr. Andreas Hirsch, stellvertretender Museumsleiter, bestätigt: „Frau Mertig steht zu wenig im Vordergrund. Es gab um 1900 zwei Pioniere. Sie war die Nachfolgerin. Man kann sie gar nicht hoch genug einschätzen.“ Knaus-Reinecker bedauert sehr, dass ihr Name bisher im Museum nicht vorkommt und nur die beiden männlichen Vorreiter genannt werden.

Venus im ReichenhallMuseum
Diese Venus entdeckte Liselotte Mertig. © Melanie Fischer

Die Immobilienspekulantin

Bad Reichenhall hat nur eine einzige Straße, die nach einer Frau benannt ist, nämlich die Ottilienstraße. Ottilie Trätzl hat als Wohltäterin viel für die Armen getan. „Sie war selbst aus einfachen Verhältnissen und hat sich in der Zeit des boomenden Kurtourismus als Immobilienspekulantin einen Namen gemacht und ist auch zu Reichtum gekommen. Sie hat im Kurviertel günstig Grundstücke erworben und diese gewinnbringend weiterverkauft“, so Knaus-Reinecker. Trätzl war nicht verheiratet und hatte keine Kinder. Daher hat sie ihr Geld in die Stadt investiert, etwa in die Beleuchtung von St. Zeno und die Armenhäuser. Dadurch war sie sehr angesehen. Dennoch wird auch hier die Diskriminierung deutlich: Während alle nach Männern benannten Straßen den Nachnamen der Persönlichkeit tragen, ist es hier nur der Vorname. Auch unter den Ehrenbürgern der Stadt findet man kaum Frauen.

Die Hoteliersgattin

In Bad Reichenhall gibt es auch die Rinckstraße, benannt nach Ernst Rinck, dem Gründer des ersten Kurhotels der Stadt, des Axelmannsteins. Das Bild seiner Frau Therese hängt im Museum in der sogenannten „Liga der außergewöhnlichen Gentlemen“. Knaus-Reinecker erklärt: „Da haben wir Männer porträtiert, die für Reichenhall wichtig waren. Frau Rinck hat sich als Hoteliersgattin im Hintergrund engagiert. Wir haben sie daher stellvertretend für Frauen mit dabei.“

Therese Rinck im ReichenhallMuseum
Therese Rinck in der „Liga der außergewöhnlichen Gentlemen“. © Melanie Fischer

Die Brandstifterin

Christina war eine Bademagd, also eine Prostituierte. In einer Videosequenz kann man im Museum in Form einer Graphic Novel mehr von ihr erfahren. Sie war verantwortlich für einen der größten Stadtbrände in der Geschichte Bad Reichenhalls am 12. Mai 1515. Nach einem Streit mit einer Kollegin will sie deren Wohnung abfackeln. Sie legt unter dem Dach Feuer, wo hölzerne Dachschindeln gelagert sind. Innerhalb kurzer Zeit breitet sich das Feuer durch einen Föhnsturm aus. Die Stadt brennt in nur zwei Stunden nieder, 200 Menschen verlieren ihr Leben. Christina wird gefangen genommen und gesteht unter Folter, den Brand gelegt zu haben. Sie stirbt auf dem Scheiterhaufen. Viele der Schaulustigen empfinden Mitleid, weinen und beten für sie.

Bademagd Christina im ReichenhallMuseum
Die Bademagd Christina im Streit mit ihrer Kollegin © Melanie Fischer

Die Schriftstellerin

Frida Strindberg-Uhl hat die höhere Töchterschule in St. Zeno besucht. Knaus-Reinecker erklärt: „Die Klosterschwestern haben sie für sehr intelligent gehalten, aber auch für rebellisch. Sie ist nach der Schule nach Berlin gegangen als Literaturkorrespondentin, hat dort den Schriftsteller August Strindberg kennen gelernt und geheiratet, wurde aber dann geschieden. Dann war sie Autorin in London, hat das erste Kabarett Londons gegründet. Sie war auch in New York und ist schließlich in Salzburg gestorben.“

Die Soldatin

In Reichenhall geboren, ist Victoria Maria Savs mit ihrer Familie nach Südtirol gezogen. Im Ersten Weltkrieg hat sie sich freiwillig gemeldet – verkleidet als Mann. 1917 wurde sie schwer verwundet, verlor einen Fuß. 1935 verwehrte man ihr die Veteranenrente. Später ist sie dennoch als Frau hoch dekoriert worden und bekam nach ihrem Tod 1979 ein großes Veteranenbegräbnis in Salzburg.

Frauenberufe in der Geschichte Bad Reichenhalls

In den Ostalpen war der Beruf der Sennerin weit verbreitet. „Sie waren billigere Arbeitskräfte als Männer. Trotzdem haben sich auf der Alm für die Frauen gewisse Freiheiten aufgetan. Sie konnten sich selbst organisieren und waren höher angesehen als Mägde“, so die Museumsleiterin.

Im Mittelalter war das Bierbrauen auch oft Frauensache. „Bereits in Mesopotamien haben Frauen Bier gebraut. In England gab es die Alewives. Damals war Bier viel verbreiteter, da Trinkwassser oft schlechte Qualität hatte. Man hat es sogar Schwangeren empfohlen. Im 20. Jahrhundert waren Frauen dann nur noch für Werbeplakate gut.“

Bild einer Salinenarbeiterin im ReichenhallMuseum
Eine Arbeiterin in der Saline macht Brotzeit und trinkt Bier. © Melanie Fischer

Auch in der Saline haben Frauen im Mittelalter gearbeitet. Die sogenannten Pfieseldirnen leisteten schwere Arbeit, indem sie getrocknetes Salz zerhackten und in Fässer füllten.

Frauen in der Politik

Von einer Frauenbewegung ist der Leiterin und ihrem Stellvertreter in Bad Reichenhall nichts bekannt. „Dafür war der Ort zu provinziell“, meint Hirsch. „Das gab es eher in Städten oder Industrieorten“, so Hirsch. In Hallein gab es aber die sogenannten Tschikweiber. Die Arbeiterinnen einer Zigarettenfabrik haben sich gewerkschaftlich organisiert und an Aufmärschen zum 1. Mai teilgenommen.

In die Politik drängten Frauen in Bad Reichenhall laut Knaus-Reinecker relativ spät: „Bei der ersten Landtagswahl 1918 – kurz nach der Einführung des Frauenwahlrechts – wurde die Forstmeistersgattin Malwine Weiß zur 3. Vorsitzenden der Ortsgruppe der Deutschen Volkspartei gewählt. Bei den Stadtratswahlen 1919 waren zwar einige Frauen auf der Liste, es wurden aber keine in den Stadtrat gewählt. Die erste Stadträtin war Adelheit Hülsmann im Jahr 1966.“

Für die Zukunft wünscht sich die Museumsleiterin, dass bald „mehr Frauen in den Museen hängen. Das liegt an uns.“ Die nächste Führung zu dem spannenden Thema wird am 22. März um 16 Uhr sein. Anmeldungen sind beim ReichenhallMuseum unter der Nummer 08651 7149939 möglich.

mf

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