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So funktioniert die neue Behandlung im Kampf gegen Long Covid

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Von: Marina Birkhof

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Long Covid Behandlung in Schön Klinik Berchtesgadener Land
Die Schön Klinik Berchtesgadener Land hat sich seit Januar 2023 auf Long-Covid-Patienten spezialisiert. © kp/picture alliance/dpa/EUROPA PRESS | Cézaro De Luca

Über eine Million Menschen in Deutschland leiden an den Folgen einer Corona-Erkrankung. In der Schön Klinik Berchtesgaden soll den Beschwerden von Long Covid dank eines neuen dualen Behandlungsansatzes der Kampf angesagt werden.

Schönau am Königssee - Weil die Orthopädie in der Region bereits eine gute Versorgungslage genießt, war es eine strategische Entscheidung, die orthopädische Reha herunterzufahren und den psychosomatischen Bereich auszubauen.

Psychosomatik und Somatik vereint mit Pneumologie

Seit Januar 2023 werden nun in der Schön Klinik Berchtesgadener Land unter anderem zwölf Betten für die interdisziplinäre Behandlung von Patienten mit psychosomatischen und somatischen Beschwerden vorgehalten.

Eine Entscheidung, die durchaus Vorteile bringt, sind sich Dr. Robert Doerr, Chefarzt der Psychosomatik, und Professor Dr. Rembert Koczulla, Chefarzt der Pneumologie, einig. Die Mediziner verantworten die medizinische Betreuung und sind überzeugt: Der Patient profitiert vom dualen Behandlungsansatz Psychosomatik und Somatik vereint mit der Pneumologie.

Weltweit zehn Prozent Long-Covid-Patienten

Wer nach einer akuten Ansteckung mit dem Coronavirus vier Wochen später noch mit Einschränkungen zu kämpfen hat, leidet unter Long Covid. Geht das Ganze über einen Zeitraum von zwölf Wochen hinaus, sprechen die Ärzte von Post Covid.

Auch wenn die akute Corona-Pandemie vorbei scheint - wie einige Experten sagen - zeigt eine neue Studie, dass mindestens zehn Prozent aller Infizierten weltweit mit den Spätfolgen einer Infektion zu kämpfen haben. Deutschland zählt wohl eine Million Betroffene.

Grund genug für die Mediziner zu handeln - und zwar Hand in Hand. „Zwei Behandlungen zu vereinen ist ungewöhnlich“, gibt Dr. Doerr zu. Doch gerade bei diesem Krankheitsbild zahle es sich aus, dieses aus der Sicht zweier Fachdisziplinen langfristig und intensiv zu begleiten. Erste Resonanzen von Patienten fallen positiv aus.

„System Lunge und System Psyche gemeinsam betroffen“

„Bei Begutachtungen spielen psychosomatische und somatische Diagnosen gleichermaßen eine Rolle“, fährt Professor Dr. Koczulla fort. „Es kommt zu mehreren Symptomen und Clustern an unterschiedlichen Organsystemen. Das heißt, System Lunge und System Psyche sind tatsächlich gemeinsam betroffen. Wir nutzen Synergieeffekte, indem wir diese beiden Fachbereiche sehr eng zusammenführen.“

Ein Beispiel: Wer Luftnot hat bekommt Angst, weil er möglicherweise nicht mehr so aktiv sein kann und fällt in ein Loch oder eine Abwärtsspirale. Die Mediziner versuchen gegenzuwirken, indem sie das Ganze in der Schön Klinik therapeutisch und diagnostisch begleiten.

Einschränkung der eigenen Gesundheit muss „verdaut werden“

Nur körperliche oder nur seelische Ursprünge zu suchen, das muss aufhören“, untermalt Dr. Doerr mit Nachdruck. „Eine Einschränkung der eigenen Gesundheit muss im wahrsten Sinne des Wortes erstmal verdaut werden. Da spielt die Psyche natürlich eine Rolle. Dazu kommt der reaktive Faktor der Erkrankung: Corona ruft oft psychische Erkrankungen hervor.“

Sind im Vorfeld Angststörungen oder Depressionen vorhanden, kann eine Corona-Infektion diese Probleme stärker ausprägen, erklärt Professor Dr. Koczulla: „Ob das Ganze nun akut oder bedingt durch die Wahrnehmung passiert, ist schwer zu sagen. Es zeigt allerdings, dass sich Dinge wechselseitig beeinflussen.“

Mediziner Schön Klinik Berchtesgadener Land
Dr. Robert Doerr, Chefarzt der Psychosomatik, und Professor Dr. Rembert Koczulla, Chefarzt der Pneumologie (rechts) arbeiten in der Schön Klinik Berchtesgadener Land Hand in Hand im Kampf gegen Long Covid. © Schön Klinik Berchtesgadener Land

Ein großer Faktor beim Verlauf der Erkrankung sei Dr. Doerr zufolge die Erwartung des Patienten: „Wie jemand in die Krankheit reingeht und wie sich die Diagnostik später entwickelt, hat viel mit der eigenen Einstellung zu tun. Auch das zeigt uns, wie Körper und Geist gemeinsam wirken. Daher ist es von Bedeutung, dass wir zum Beispiel psychotherapeutische Gespräche neben einer ausführlichen somatischen Diagnostik führen.“

Unterschiedlichste Krankheitssymptome

Zu den häufigsten Covid-Langzeitfolgen gehören Erschöpfung, Kurzatmigkeit und kognitive Beeinträchtigungen. Hinzu kommt eine Vielzahl weiterer Beschwerden wie Kopfschmerzen, Konzentrationsschwäche, Schlafstörungen, Muskelschmerz, Druckgefühl auf dem Brustkorb, Depressionen und Angstzustände - auch Haarausfall sowie Geschmacks- oder Geruchsstörungen sind möglich.

Woher rührt es, dass die Beschwerden so unterschiedlicher Natur sind? Hier unterscheidet der Pneumologe unterschiedliche Phänotypen: „Ein Patient, der auf der Intensivstation liegt, verliert an Muskelmasse, das Zusammenspiel von Muskeln und Nerven funktioniert unter Umständen nicht mehr richtig. Er durchlebt typischerweise einen anderen Krankheitsverlauf als ein Patient, der nur leichte Symptome zeigt.“

Neben Corona: Auch andere Viren können langfristige Folgen haben

Dafür verantwortlich, dass auch leichtere Verläufe vielschichtige Beschwerden mit sich bringen, könnte mitunter eine überschießende Autoimmunreaktion sein. Ebenso denkbar: Ein Virusreservoir, das heißt, der Nachweis von SARS-CoV-2 ist im Körper monatelang nachweisbar. Es könne auch eine Veränderung des Mikrobioms vorliegen, wenn sich Keime beispielsweise in Darm oder Lunge verändern.

Es kommt nach beziehungsweise durch Covid zu Reaktivierungen von Viruserkrankungen, wie dem Ebstein Barr Virus (EBV), das Pfeiffersche Drüsenfieber. Zudem seien die Long-Covid-Auswirkungen an ungeimpften Patienten wohl verstärkt. In Summe haben es die Mediziner mit einem „relativ komplexen Krankheitsbild“ zu tun.

Risiko Restbeschwerden vorhanden

Eine Garantie auf komplette Heilung bringe der duale Behandlungsansatz in der Schön Klinik jedoch nicht, räumen die Mediziner ein. Professor Dr. Koczulla weiß aber: „Häufig treten Verbesserungen auf. Natürlich ist es auch möglich, dass über den Behandlungsverlauf hinaus Restbeschwerden bleiben.“

Das Entscheidende sei laut Dr. Doerr, sich zu trauen, Hilfe anzunehmen, wenn körperliche oder psychische Beeinträchtigungen vorhanden seien. Long Covid müsse ernst genommen, Symptome multidisziplinär diagnostiziert werden.

„Die Symbiose aus somatischem und psychsomatischem Konzept ist ein Novum, auf das wir stolz sind“, schließt Professor Dr. Koczulla. „Wir versprechen uns in der Schön Klinik Berchtesgadener Land eine Verbesserung von Diagnostik und Therapie und hoffen, dass das zum Wohl und in erster Linie zur Genesung des Patienten beiträgt.“

mb

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