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Dramatische Gletscherschmelze: Ampfinger Fotograf gibt dem Klimawandel ein Gesicht

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Von: Jörg Eschenfelder

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Bernhard Edmaier (Mitte) und Angelika Jung-Hüttl vor dem Abflug zu neuen Luftaufnahmen.
Bernhard Edmaier (Mitte) und Angelika Jung-Hüttl vor dem Abflug zu neuen Luftaufnahmen. © Bernhard Edmaier

Der Klimawandel ist greif- und sichtbar - auch vor unserer Haustür in den Alpen. Der Ampfinger Fotograf Bernhard Edmaier zeigt mit seinem neuesten Bildband „AlpenEis“ wie.

Ampfing – Vor 20 Jahren erstreckte sich die Eiszunge des größten Gletschers Österreichs, der Pasterze in den Hohen Tauern, unterhalb des Hufeisenbruchs noch über 5,5 Kilometer. Heute ist die Verbindung der seitlichen Zuflüsse zum Eisstrom der Pasterze abgerissen. Die Eiszunge hat sich deutlich zurückgezogen, im vergangenen Jahrzehnt um ungefähr 50 Meter pro Jahr. Im Talboden hat sich dafür der Pasterzensee gebildet.

Dramatische Gletscherschmelze in den Alpen: Die Pasterze zwischen 2008 (links) und 2021 (rechts).
Dramatische Gletscherschmelze in den Alpen: Die Pasterze zwischen 2008 (links) und 2021 (rechts). © Bernhard Edmaier

Auch sonst häufen sich die Meldungen: Gletscher-Skigebiete schließen, Tourenwege und Kletterstiegen werden wegen Steinschlaggefahr dauerhaft gesperrt, Alpendörfer bereiten sich auf Murenabgänge vor. Der Klimawandel ist im vollen Gange – auch in den Alpen. Ein Wandel, dem der Ampfinger Fotograf und Geologe Bernhard Edmaier mit seinem neuen Bildband „AlpenEis - Gletscher und Permafrost im Klimawandel“ jetzt ein grausam schönes Bild gibt.

Cover: „AlpenEis - Gletscher und Permafrost im Klimawandel“ von Bernhard Edmaier im Rother Bergverlag
Der Bildband „AlpenEis - Gletscher und Permafrost im Klimawandel“ (224 Seiten mit 185 Fotos) ist im Rother Bergverlag erschienen und kostet 49,90 Euro. © Rother Bergverlag

„Es ist ein Wahnsinn, wie sich die Gletscherwelt in dieser relativ kurzen Zeit verändert hat“, fasst Edmaier seine Eindrücke zusammen. Seit über 30 Jahren hält er mit seinen Luftaufnahmen unter anderem die Eiswelt der Alpen fest. 2019 und 2020 hat er sich mit der Geologin und Wissenschaftspublizistin Angelika Jung-Hüttl noch einmal in die Lüfte begeben, um den Wandel zu dokumentieren.

„30 Jahre sind in der Erdgeschichte eigentlich nichts. Da dürfte man nichts sehen“, so Edmaier. Die Realität sieht anders aus. „Das Bild der Berge, wie wir sie kennen, verändert sich gerade massiv.“ Sichtbares Zeichen: der Rückzug der Gletscher. Sie schmelzen zusehends, ziehen sich zurück, legen Täler frei, lassen neue Seen zurück. Was früher hunderte und tausende Jahre brauchte, geschieht jetzt in Jahrzehnten.

Jung-Hüttl ergänzt: „Die Eiskappen in den größeren Höhen verschwinden. Der Charakter der Gebirge verändert sich.“ Die Grenze für den Permafrost wandert von derzeit 2600 Metern an den Nordhängen und von 3000 Metern an den Südhängen in die Höhe; bis zur Mitte des Jahrhunderts, also 2050, wahrscheinlich um bis zu 300 Meter. Dadurch verliert der Untergrund an Stabilität, es gibt jetzt schon wesentlich mehr Steinschläge, Murenabgänge, Fels- und Bergstürze - und es werden wohl noch mehr. In den vergangenen 150 Jahren sind die Temperaturen in den Alpen um etwa zwei Grad gestiegen; etwa doppelt so viel wie im globalen Durchschnitt – und der Anstieg geht weiter. Die Gletscher schmelzen teilweise um mehrere Meter pro Jahr.

Die Faszination des lebendigen Eis

Rund 4.400 Gletscher gibt es (noch) in den Alpen. „Gletscher waren für uns schon immer ein interessantes Phänomen“, so Edmaier. Die Kraft, das Leben in der scheinbar toten Masse. Gletscher sind ein beeindruckendes Naturschauspiel mit vielfältigsten Formen, Farben und Formationen, mit wilden Spalten und atemberaubenden Abbrüchen. „Es gibt unzählige Spielarten und Muster“, so Edmaier. „Das Eis, die Spalten und Strukturen verändern sich ständig. Gletscher sind eigentlich recht lebendig“, schwärmt Jung-Hüttl, „Das ist phantastisch.“

Beeindruckender Triftgletscher in der Schweiz
Beeindruckender Triftgletscher in der Schweiz © Bernhard Edmaier

Vieles, was Edmaier zeigt, ist bereits für immer verschwunden. „Die Hälfe der Aufnahmen gibt es heute nicht mehr, wird es auch in hundert oder tausend Jahren nicht wieder geben. Das ist irreversibel weg“, sagt Edmaier.

Durch den Rückzug der Gletscher entstehen aber auch neue Landschaften: Täler werden frei, Seen bilden sich, neue Flüsse und Geröllwüsten entstehen, Moose, Flechten und Sträucher erobern sich neue Lebensräume.

Mit den Gletschern verschwinden die Wasserspeicher, die im Sommer die Alpenflüsse speisten, erzählen Edmaier und Jung-Hüttl. Jetzt fließe der Regen immer öfter ungebremst talwärts, die Pegel und die Wasserversorgung schwanken immer stärker. Die Alpenländer würden immer intensiver überlegen, wie sie ihre Dörfer und Städte schützen können, wie sie die neu entstandenen Seen als Zwischenspeicher nutzen können – sei es für die Wasserversorgung oder für Pumpspeicherkraftwerke.

Kunst- und kraftvolle Aufnahmen dokumentieren den Wandel und den Verlust

Der Klimawandel ist greifbar – auch vor unserer Haustür. Das zeigt der Bildband „AlpenEis“ mit seinen kunst- und kraftvollen Aufnahmen. Aufnahmen, die zum Großteil schon jetzt ein Blick in eine verlorene Vergangenheit sind.

„Wir wollen sensibilisieren“, sagt Edmaier. „Es wird wahnsinnig schnell wärmer und wir wissen nicht, was wir da anrichten.“ Jung-Hüttl ergänzt: „Die Gletscher zeigen, dass sich gewaltig was tut. Die Natur kommt gar nicht so schnell nach, wie sich was verändert.“

Die Autoren und das Buch

Bernhard Edmaier vereint mit seinen Luftbildaufnahmen Wissenschaft und Kunst und hat damit international für Aufsehen gesorgt. An seiner Seite steht die Wissenschaftspublizistin und Geologin Angelika Jung-Hüttl, die mit ihren Texten die Aufnahmen ergänzt und einordnet. Aktuell bereiten Edmaier und Jung-Hüttl verschiedene Ausstellungen vor: unter anderem für das Messner Mountain Museum und für das Reutlinger Naturkundemuseum.

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