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Von der entlaufenen Kuh bis zum Mord: Ein Blick hinter die Kulissen der Polizei Wasserburg

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Von: Petra Maier

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In der Zentrale der Polizeiinspektion Wasserburg laufen alle Fäden zusammen. Kein Tag ist wie der andere: Polizeihauptkommissar Rainer Maier managt hier konzentriert die vielseitige Einsatzlage, die unter Umständen jeden Moment neue Entscheidungen erforderlich machen kann.
In der Zentrale der Polizeiinspektion Wasserburg laufen alle Fäden zusammen. Kein Tag ist wie der andere: Polizeihauptkommissar Rainer Maier managt hier konzentriert die vielseitige Einsatzlage, die unter Umständen jeden Moment neue Entscheidungen erforderlich machen kann. © Petra Maier

Die neue Polizeiinspektion in Wasserburg ist seit September 2022 bezogen. Unsere Redaktion blickt hinter die Kulissen und stellt fest: Äußerst vielseitig sind die Aufgaben der Polizei - und manche sogar überraschend.

Wasserburg - Polizeichef Markus Steinmaßl leitet am Montagmorgen die Einsatzlagebesprechung. 16 Mitarbeiter sitzen im Konferenzraum: Polizeibeamte und Angestellte im öffentlichen Dienst. Besprochen werden die Vorkommnisse vom Wochenende. Es geht um kleinere Unfälle, einen Brand in einer Küche in der Schustergasse, zwei Einsätze bei der Diskothek in Wasserburg, die Suche nach einem abgängigen Patienten aus dem kbo-Inn-Salzach-Klinikum und drei Fälle von häuslicher Gewalt.

„Insgesamt waren es 36 Einsätze am Wochenende, nichts Ungewöhnliches, außer, dass die Polizei zu drei Auseinandersetzungen zwischen Ehepartnern oder Familienangehörigen gerufen wurde. Das kommt in Wasserburg ‚normalerweise‘ nicht so häufig vor“, erklärt der Erste Hauptkommissar. Aber, was ist bei Polizei schon normal? Die Einsatzlage kann stundenlang ruhig sein und dann auf einen Schlag eskalieren.

Von der entlaufenen Kuh bis zum Mord

In der Einsatzzentrale beobachtet Dienstgruppenleiter Rainer Maier konzentriert die Lage. Auf vier großen Bildschirmen verfolgt er genau, wo sich jeder Kollege aufhält und welche Aufgabe gerade anliegt. Ändert sich die Einsatzsituation durch einen schweren Unfall oder eine andere akute Notlage, dann kann er sofort eingreifen und die Kollegen umleiten. „Managen und Priorisieren“, so beschreibt der Polizeihauptkommissar seine Aufgabe an diesem zentralen Platz.

„Wir fangen Kühe auf der Straße ein, suchen Vermisste, bearbeiten Verkehrsunfälle, ermitteln bei Streitigkeiten, Diebstahl, Mord- und Totschlag, transportieren Gefangene, informieren Hinterbliebene, sammeln Führerscheine ein und geben sie auch wieder aus“, zählt er auf. Eine lange Liste, die an dieser Stelle gar nicht vollständig wiedergegeben werden kann.

Tägliche Routine für den Leiter der Polizeiinspektion Wasserburg, Erster Polizeihauptkommissar Markus Steinmaßl: Anzeigen werden unterschrieben und an die Staatsanwaltschaft weitergeleitet.
Tägliche Routine für den Leiter der Polizeiinspektion Wasserburg, Erster Polizeihauptkommissar Markus Steinmaßl: Anzeigen werden unterschrieben und an die Staatsanwaltschaft weitergeleitet.  © Petra Maier

Der Zuständigkeitsbereich der Wasserburger Polizei reicht weit über die Innstadt hinaus von Albaching über Amerang, Babensham, Edling, Eiselfing, Griesstätt, Pfaffing, Ramerberg, Rott, Schonstett und Soyen. „Und manchmal helfen wir auch noch in Haag aus, wenn dort Not am Mann ist“, erklärt Steinmaßl. Der Wasserburger Inspektionsleiter würde sich angesichts der vielschichtigen Aufgaben und der großen Reichweite mehr Polizeibeamte wünschen. Rein rechnerisch hat er 36 Mitarbeiter auf dem Dienstplan stehen, „doch nicht alle arbeiten Vollzeit, manche dürfen keine Nachtschicht machen, andere nur Innendienst“, beschreibt er die Lage.

„Wir bräuchten eigentlich 42 oder 44 Polizeibeamte“

„Das ist momentan eine Einsatzstärke, die sicher zu klein ist“, verdeutlicht er weiter und ergänzt: „Wir bräuchten eigentlich 42 oder 44 Polizeibeamte, dann könnten wir ständig zwei Streifen fahren, aber mit dem derzeitigen Personalstand schaffen wir das nicht. Wir haben zwar ein flexibles Schichtmodell, bei dem wir beispielsweise Freitag- und Samstagnacht besonders gut besetzen, aber wir müssen dennoch ganz viel priorisieren, weil wir einfach nicht alles auf einmal erledigen können.“

Gerade die Priorisierung sei aber manchmal den Leuten nur schwer zu vermitteln, weiß Birgit J. aus der Telefonzentrale der Inspektion (Name zum Schutz ihrer Person nicht vollständig genannt). Seit sieben Jahren nimmt sie die Anrufe bei der Polizei entgegen. „Für Notfälle wie größere Unfälle, Brände oder Mord- und Totschlag ist nach wie vor die Einsatzzentrale in Rosenheim unter der Telefonnummer 110 zuständig“, stellt sie klar. Doch die Telefonnummer der Wasserburger Polizei werde trotzdem stark genutzt. „An manchen Tagen klingelt das Telefon alle zwei Minuten“, erklärt sie. „Hat jemand mein Portemonnaie gefunden? Wann beginnt der Faschingszug? Wo kann ich Anzeige erstatten, wenn meine bezahlte Internetware nicht kommt? Mein Enkel hatte einen schweren Unfall, ich soll jetzt sofort Geld überweisen, damit er nicht ins Gefängnis kommt. Soll ich das machen?“, so oder ähnlich lauten nach ihren Angaben viele Fragen.

„Ernst genommen wird jeder Anruf“

Es gibt aber auch Aufforderungen wie „Bei meinem Nachbarn steht jetzt immer ein Auto mit fremden Kennzeichen vor der Tür. Überprüfen Sie das mal.“ oder „Meine Pflegerin will mich umbringen.“ Birgit J. muss oft sekundenschnell entscheiden, wie gefährlich die Situation ist, in der sich die Person am anderen Ende der Telefonleitung gerade befindet. „Ernst genommen wird jeder Anruf“, versichert sie, oft seien auch wichtige Hinweise darunter. Manchmal würden sich Anrufer aber ärgern, wenn anschließend nicht sofort eine Polizeistreife vor ihrem Haus auftauchen würde, um „ihren Fall“ aufzunehmen. Das sei eben nicht immer möglich, da die Beamten schweren akuten Fällen selbstverständlich stets den Vorrang geben müssten, bestätigt auch ihr Chef.

Möglichst schnell hingegen muss die Polizei Anfragen von Bestattern abarbeiten. Sie benötigen für eine Feuerbestattung eine spezielle Bescheinigung der Polizei, die aussagt, dass nichts auf eine unnatürliche Todesursache hinweist. Erst dann darf der Leichnam eingeäschert werden. „Das ist in Bayern so üblich. In anderen Bundesländern stellen zwei Ärzte unabhängig voneinander einen Totenschein aus, da braucht es die Polizei nicht dazu“, erklärt Steinmaßl und hofft, dass die bayerische Regelung bald Vergangenheit ist, zumal Feuerbestattungen immer mehr zunehmen. Derzeit kommen täglich Bestattungsunternehmen zur Polizeiinspektion, um sich das notwendige Formular zu holen. „Wir nehmen jeden Auftrag ernst und schauen den Totenschein ganz genau an - sind dadurch inzwischen auch medizinisch weiter gebildet - und suchen in unseren Computern nach möglichen Hinweisen zu den Todesfällen“, beschreibt Steinmaßl den Vorgang.

Ein zusammengefalteter Teppich in der Asservatenkammer

Über ein weiteres Kuriosum in der Polizeiinspektion „stolpert“ unsere Redakteurin im Geschäftszimmer: Hier lehnen sorgfältig verschnürte Pakte an der Wand. „Da sind Gewehre drin“, erklärt der zuständige Polizeihauptmeister, der heute seinen „Asservatentag“ hat. Dabei geht es darum, von der Polizei sichergestellte oder beschlagnahmte Gegenstände auf sicherem Weg an die Staatsanwaltschaft zu schicken. Die Munition zu den Gewehren gilt als Gefahrgut, sie wird gesondert verschickt. Das gelte auch für Betäubungsmittel, erklärt der Polizeibeamte. Die Asservatenkammer hingegen ist relativ unspektakulär. Nur ein zusammengefalteter Teppich im Regalfach verblüfft. „Der vermeintliche Perser soll noch auf Echtheit überprüft werden“, erläutert Steinmaßl.

Anschließend macht sich der Leiter der Polizeiinspektion auf den Weg, um sich mit den Sicherheitsbeauftragten des kbo-Inn-Salzach-Klinikums zu besprechen. Zu den vielfältigen Aufgaben des Polizeichefs zählt nämlich auch die Prävention, die mögliche künftige Einsätze schon im Vorfeld verhindern soll.

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