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„Die ganze Gesellschaft lebt derzeit auf Pump“: Söder warnt vor „tektonischen Verwerfungen“

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Von: Johannes Thomae

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Ministerpräsident mit großer Geste: Deutschland dürfe sich nicht auf seinem jetzigen Wohlstand ausruhen.
Ministerpräsident mit großer Geste: Deutschland dürfe sich nicht auf seinem jetzigen Wohlstand ausruhen. © Thomae

Ministerpräsident Markus Söder sprach beim Seeoner Kreis bei Schattdecor in Thansau mit Begeisterung davon, wie hervorragend Bayern dastehe. Die Tagespolitik werde jedoch von nie gekannten Veränderungen beeinflusst.

Thansau – Markus Söder wäre ein schlechter Politiker – wohl auch schlechter Ministerpräsident – wenn er auf einer Veranstaltung versäumte, die Erfolge der eigenen Politik zu betonen, noch dazu in einem Wahljahr. Deshalb verwies er auf dem Wirtschaftsforum des Seeoner Kreises eingangs auch darauf, dass Bayern auf allen relevanten Feldern – von der Wirtschaft bis zum Klimaschutz – nicht nur nicht schlecht, sondern ganz hervorragend dastehe.

Gute Zahlen auf dünnem Eis

Er betonte bei der Veranstaltung in den Räumen von Schattdecor in Thansau dann aber auch, dass diese guten Zahlen sozusagen dünnes Eis seien. Man sehe sich derzeit nie gekannten Veränderungen gegenüber: Da seien die durch die Tagespolitik gegebenen Herausforderungen, zuallererst die Folgen des russischen Einmarsches in der Ukraine. Da seien aber auch die Transformationsprozesse, denen die Gesellschaft als Ganzes unterworfen seien: Digitalisierung, Globalisierung, Klimawandel. Das seien, so Söder nicht einfach Veränderungen, das seien tektonische Verwerfungen, die den Kern der Gesellschaft erfassten. „In gewissem Sinn lebt die ganze Gesellschaft derzeit auf Pump. Wenn wir nicht aufpassen und zukunftstaugliche Schritte ergreifen, wird unser aller Wohlstand schneller schmelzen als das Eis der Gletscher. Und damit auch das stabile Gefüge unserer Gesellschaft“

Auch im Kleinklein

Anzusetzen sei dabei zuerst natürlich auf den drängendsten Feldern, unter anderem etwa der Energie, aber auch beim Arbeitskräftemangel. Und gerade hier beließ es Söder nicht bei der Schilderung der großen Entwürfe, die Staatsregierung plant, sondern ging durchaus ins Kleinklein: Es sei jetzt ein Schreiben von Innenminister Hermann an alle Landräte herausgegangen, dass Flüchtlinge, die eine feste Arbeit oder einen Ausbildungsplatz vorweisen könnten, nicht mehr abgeschoben werden dürften.

Wolfgang Sattelberger, der langjährige ehemalige Innungsobermeister der Bäckerinnung griff diesen Punkt in der anschließenden Diskussion noch einmal eigens auf: Dass hier wirklich etwas passiere, sei nicht nur für das Bäckerhandwerk, sondern auch für viele anderen Innungen entscheiden. „Es kann nicht sein, dass wir hier immer wieder quasi über Nacht fähige Mitarbeiter verlieren, in deren Ausbildung wir auch Zeit und Geld gesteckt haben“.

Nachfassen beim Landrat

Eine Äußerung, die die Moderatorin der Veranstaltung, Ursula Heller, zum Anlass nahm, um direkt bei Landrat Otto Lederer nachzufassen. Der bestätigte vorsichtig: „Das Schreiben des Innenministers ist in der Tat eingegangen“ „Und? Was folgt daraus?“ setzte Heller nach. Das Schreiben ist auf jeden Fall eine wichtige Richtschnur, die unser Handeln erleichtert“ meinte der Landrat, worauf Söder in Richtung von Wolfgang Sattelberger sagte: „Das Schreiben ist ganz eindeutig formuliert“ und sich schmunzelnd an den Landrat wandte: „Hier gilt: Ja nicht von den Landratsamtsjuristen irritieren lassen!“ Er dürfe das sagen, er sei schließlich selber vom Fach.

Gelegenheit beim Schopf packen

Die Gelegenheit beim Schopf packte auch Rohrdorfs Bürgermeister Simon Hausstetter. Ihm ging es um die Möglichkeit, Gewerbebetriebe anzusiedeln: Ausnahmen vom Anbindegebot gebe es zwar für Logistikzentren oder Produktionsstätten, für die Firmenzentrale eines Betriebs, die dann Logistik, Produktion und Verwaltung umfassen würde, wäre eine Ausnahme vom Anbindegebot nicht möglich. Derartige Auswüchse, so meinte Hausstetter, könnten wohl nicht im Sinne von Söder sein, der während seines Vortrages auch immer den Abbau der Bürokratie als wichtige Aufgabe betont hatte.

Vorsicht lohnt sich

Hier meldete sich Landtagsabgeordneter Klaus Stöttner zu Wort, der versicherte, im Wirtschaftsausschuss des Landtags habe man das Problem unlängst behandelt und sei dabei einer Lösung nähergekommen. Hausstetter ging es dabei jedoch wie Innungsmeister Sattelberger: „So lange etwas nicht in Gesetzesform gegossen ist, muss man vorsichtig sein“. Schaden so Hausstetter, kann es aber nie, wenn der Ministerpräsident einmal direkt von solchen Problemen vor Ort Kenntnis erhält.

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