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Flüchtlingsunterkunft in Heufeldmühle? Deutliches Votum des Rats – doch jetzt droht neuer Ärger

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Von: Mathias Weinzierl

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Ukrainische Flüchtlinge steigen an einer Flüchtlingsunterkunft aus einem Bus. Nach Angaben von Jakob Ordner vom Landratsamt werden dem Landkreis Rosenheim seitens der Regierung von Oberbayern alle zwei Wochen rund 50 Flüchtlinge zugewiesen, die derzeit hauptsächlich aus der Ukraine, der Türkei, Syrien und Afghanistan stammen.  Für die Unterbringung würde der Landkreis gerne in Heufeldmühle eine Container-Anlage errichten.
Ukrainische Flüchtlinge steigen an einer Flüchtlingsunterkunft aus einem Bus. Nach Angaben von Jakob Ordner vom Landratsamt werden dem Landkreis Rosenheim seitens der Regierung von Oberbayern alle zwei Wochen rund 50 Flüchtlinge zugewiesen, die derzeit hauptsächlich aus der Ukraine, der Türkei, Syrien und Afghanistan stammen. Für die Unterbringung würde der Landkreis gerne in Heufeldmühle eine Container-Anlage errichten. © dpa/Philipp Schulze

Mit einem friedlichen und stummen Protest haben rund 70 Heufeldmühler in der Bruckmühler Marktgemeinderatssitzung ihre Ablehnung einer möglichen Flüchtlingsunterkunft in ihrer Siedlung unterstrichen. Wie die Entscheidung ausgefallen ist – und wieso neuer Ärger droht.

Bruckmühl – Selten war das Interesse an einer Sitzung des Bruckmühler Marktgemeinderats so groß: Rund 70 Heufeldmühler hatten sich am Dienstagabend (28. Februar) in der Kulturmühle eingefunden, um ihrem Protest gegen eine mögliche Flüchtlingsunterkunft in ihrer Siedlung Ausdruck zu verleihen. Befürchtungen, der Anwohner-Protest könnte aus dem Ruder laufen oder Bürger gar die Versammlung „sprengen“, wie in der Facebook-Gruppe „Bürgerforum Bruckmühl“ von einem Nutzer zunächst ins Spiel gebracht, bestätigten sich nicht.

Keine Zwischenrufe, keine sonstigen Störungen der Sitzung – der Protest der Anwohner verlief stumm und friedlich. Was vermutlich auch daran lag, dass die Organisatoren um Anwohnerin Andrea Schäfer die Besucher explizit dazu aufgefordert hatten, Ruhe zu bewahren. Nur direkt zur Abstimmung reckte ein Teil der Zuschauer Zettel mit ihren Forderungen in die Höhe, was selbst Bürgermeister Richard Richter (CSU/PW) zu einem Schmunzeln animierte.

Landkreis werden alle zwei Wochen 50 Flüchtlinge „vor die Tür gestellt“

Auch die Diskussion zum Thema blieb weitgehend sachlich: Jakob Ordner, Leiter der für die Flüchtlingskoordination zuständigen Abteilung des Landratsamtes Rosenheim, hatte zunächst die prekäre Lage des Landkreises in puncto Flüchtlingsströme geschildert. So würden dem Landkreis laut Ordner seitens der Regierung von Oberbayern alle zwei Wochen per Bus rund 50 Flüchtlinge „im Grunde genommen vor die Tür gestellt“, für die dann eine Bleibe gesucht werden müsse. Daher sei der Landkreis „dringend auf Flächen angewiesen“.

Doch das gemeindeeigene Grundstück an der Heufelder Straße 18 in Heufeldmühle, das die Gemeinde dem Landkreis nach einem Beschluss des Marktausschusses bereits im März 2022 als mögliche Fläche für eine Flüchtlingsunterkunft für Ukrainer gemeldet hatte, halten nicht nur die Anwohner, sondern mittlerweile auch die Fraktion der Grünen im Marktgemeinderat für nicht mehr geeignet. Man habe sich „intensiv in der Fraktion beraten“, sagte Grünen-Vertreter Wolfgang Huber und legte den Antrag vor, eine Entscheidung über das Grundstück zu verschieben und stattdessen in den kommenden Wochen andere mögliche Standorte „einer genauen Betrachtung“ zu unterziehen.

Dem Antrag angefügt war eine lange Liste möglicher Standorte für Flüchtlingsunterkünfte, die seitens der Verwaltung nun überprüft werden sollten: das ehemalige Diabetiker-Jugendhaus in Hinrichssegen, der Bolzplatz in Hinrichssegen, der Rathausplatz im Bruckmühler Zentrum, das derzeit landwirtschaftlich genutzte Areal an der Münchener Straße, Ecke Justus-von-Liebig-Straße in Heufeld, der ehemalige Tennisplatz in Götting, dessen Grund der Kirche gehört, das ehemalige Kloster Weihenlinden, das THW-Gelände, die ehemalige Postfiliale in Bruckmühl sowie der Parkplatz des SV Bruckmühl im Süden der Gemeinde.

Wolfgang Huber: „Es gab nicht viele Wahlmöglichkeiten“

„Wir sprechen uns nicht gegen die Aufnahme von weiteren Flüchtlingen aus“, stellte Huber klar. „Wenn der Bedarf da ist, ist auch unser Entgegenkommen da.“ Wieso die Grünen-Vertreter vor rund einem Jahr dem Standort Heufelder Straße 18 für eine mögliche Unterkunft zugestimmt hatten, jetzt aber der Meinung sind, dass eine derartige Einrichtung „mitten im Wohngebiet“ nicht sinnvoll sei, begründete Huber mit der Vorauswahl durch die Verwaltung. „Damals wurde uns die Heufelder Straße als nahezu alternativlos vorgestellt“, sagte Huber. „Es gab nicht viele Wahlmöglichkeiten.“

Bürgermeister Richter sah indes auch bei den seitens der Grünen eingereichten Vorschlägen ausreichend Potenzial für Proteste und Widerstand der dortigen Anwohner. „Auch bei den genannten Standorten gibt es sicherlich eine gewisse Skepsis“, so Richter, der klarstellte: „Denen müssen sie sich dann halt auch stellen.“ Richter: „Ich bin gespannt, wie man die Ängste der verschiedenen Anwohner dann gegeneinander abwägt.“ Den Rat wies er darauf hin, dass es letztlich um eine „humane und christliche Verpflichtung“ gehe.

Doch statt an der Heufelder Straße 18 die Weichen für eine dortige Unterkunft mit einem zweistöckigen Containerbau für bis zu 64 Flüchtlingen zu stellen, zeichnete sich schnell ab, dass ein Gros des Rats ebenfalls deutliche Vorbehalte gegen den Beschlussvorschlag der Gemeindeverwaltung hatte. „Wenn die Anwohner dort Angst haben, dann muss uns das auch wichtig sein“, sagte beispielsweise CSU/PW-Vertreter Hubert Maier. „Dann gehen unsere Leute vor – und nicht die anderen.“ Georg Pritzl (OLB) gab der Regierung die Schuld für die ganze Problematik: „ Die redet g‘scheid daher und wälzt das dann auf die Kommunen ab.“ Seine Forderung: „Hilfe für die Menschen ja – aber in den dortigen Ländern.“

Auch Christian Kastl (CSU/PW) konnte sich für eine mögliche Unterkunft an der Heufelder Straße in Heufeldmühle „nicht begeistern“, stellte aber klar: „Aufgrund der Gemeindegröße kann sich der Markt nicht einfach wegducken.“ Da er allerdings nach eigenen Angaben „eher ein Freund dezentraler Lösungen“ sei, sprach er sich für Unterkünfte „im kleinen Maß“ aus. Zudem forderte er, den Antrag der Grünen um eine Frist zu ergänzen. „Dann sind wir in der Pflicht, bis zu diesem Zeitpunkt mögliche Standorte zu suchen.“

Nur eine Gegenstimme für Antrag der Grünen

Mit einer deutlichen Mehrheit von 21 zu einer Stimme votierte das Gremium letztlich dafür, eine Entscheidung über das Grundstück an der Heufelder Straße 18 zu vertagen und die seitens der Grünen eingereichten Vorschläge sowie weitere Vorschläge, die die Fraktionen im Lauf des März einreichen sollen, in der Sitzung am 27. April zu bewerten und zu diskutieren. Auch einer kürzeren Laufzeit für die Verpachtung derartiger Flächen an den Landkreis von sieben auf nur noch drei Jahre mit Verlängerungsoption stimmten die Räte zu.

Die rund 70 Anwohner aus Heufeldmühle, die extra zur Sitzung des Marktgemeinderats gekommen waren, zeigten sich nach der Abstimmung jedenfalls erleichtert. „Wir betrachten die Abstimmung als 80-prozentigen Sieg“, sagte Andrea Schäfer, die vor wenigen Tagen auf der Internet-Plattform Change.org eine Petition gegen die Errichtung einer Container-Flüchtlingsunterkunft auf dem Areal Heufelder Straße 18 gestartet hatte. Dort haben mittlerweile mehr als 750 Menschen unterzeichnet.

Schäfer und ihren Mitstreitern sei aber durchaus bewusst, „dass weitere Runden kommen werden“. Daher werde die Petition auch nicht aus dem Netz genommen, sondern weitere digitale Unterschriften gesammelt. Schäfer: „Wir haben den Eindruck, dass der Marktgemeinderat die Sorgen und Ängste der Einwohner wahrgenommen hat und berücksichtigen wird. Wir werden den 27. April aber gut im Blick behalten.“

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