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„Todkranke haben keine Zeit zu warten“ - Warum die Palliativstation im Romed-Klinikum trotzdem zu ist

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Von: Anna Heise

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Die Palliativstation im Romed-Klinikum in Rosenheim hat seit dem 25. Juli geschlossen – das stellt nicht nur die Angehörigen vor große Herausforderungen.
Die Palliativstation im Romed-Klinikum in Rosenheim hat seit dem 25. Juli geschlossen – das stellt nicht nur die Angehörigen vor große Herausforderungen. © dpa

Auf der Palliativstation im Romed-Klinikum in Rosenheim werden Menschen mit einer unheilbaren Erkrankung betreut. Doch seit Ende Juli hat die Station geschlossen. Zwar ist eine Wiedereröffnung in Sicht, für einige Palliativpatienten und deren Angehörige ist das jedoch nur ein schwacher Trost.

Rosenheim – Die Nachricht erreichte Barbara Noichl bereits vor einigen Tagen. „Bei den wöchentlichen Besprechungen wurden wir über die Schließung informiert“, sagt die Geschäftsführerin des Jakobus-Hospizvereins.

Es ist eine Maßnahme, die unausweichlich gewesen zu sein scheint. Jedenfalls wenn man im Klinikum nachfragt. „Aufgrund zunehmender Krankheitsausfälle und Personalengpässe im pflegerischen und ärztlichen Bereich wurde die Palliativstation seit dem 25. Juli geschlossen“, bestätigt eine Romed-Sprecherin auf Nachfrage.

Eingesetzt in der Covid-Versorgung

Es handele sich um eine temporäre Schließung, befristet bis zum 30. September, um die Mitarbeiter in anderen Bereichen einsetzen zu können. „Nur so können die für die Notfallversorgung notwendigen Betten im Klinikum weiterbetrieben werden“, sagt die Sprecherin. Knapp die Hälfte des Pflegeteams der Palliativstation – sechs Vollzeitstellen – kümmere sich um die Palliativpatienten und deren Angehörige. Die andere Hälfte sei derzeit in der pflegerischen Covid-Versorgung auf anderen Stationen eingesetzt.

Vier statt zehn Betten

Die Palliativpatienten seien im Moment auf einer anderen Station untergebracht. Während normalerweise zehn Betten zur Verfügung stehen, seien es auf der Ausweichstation gerade einmal vier. „Eine neue Aufnahme von Palliativpatienten ist deshalb nur in reduziertem Umfang möglich“, teilt die Sprecherin mit.

Keine Aufnahmen von auswärtigen Patienten

Hinzu kommt, dass es sich bei diesen Patienten – so ist es unter anderem von Barbara Noichl zu hören – um diejenigen handelt, die ohnehin bereits im Krankenhaus behandelt werden. Wer von außerhalb kommt und einen Platz auf der Palliativstation möchte, hat im Moment schlechte Karten. Jedenfalls in Rosenheim.

Acht zusätzliche Betten in Oberaudorf

„Es ist bedauerlich, dass dieser Schritt notwendig war“, sagt Noichl. Zwar gebe es Alternativen in der Trissl-Klinik in Oberaudorf und Bad Aibling, doch auch hier ist die Bettenanzahl begrenzt. So gibt es in Oberaudorf beispielsweise acht Betten, die – laut einer Sprecherin – im Moment alle besetzt sind, vor allem mit Krebspatienten.

„Die zehn Betten in Rosenheim gehen uns sehr ab“, sagt Noichl. Das bestätigt auch Jörg Eberhardt. Er ist leitender Palliativarzt und Geschäftsführer des Jakobus SAPV-Teams. SAPV steht für Spezialisierte ambulante Palliativversorgung. Heißt: SAPV-Teams ermöglichen es, dass Menschen unter guter Symptomlinderung und psychosozial unterstützt, zu Hause sterben können.

Pandemie hat das Sterben verändert

Es ist eine Option, die in den vergangenen Jahren immer mehr Menschen in Anspruch genommen haben. Das bestätigt ein Blick auf die Zahlen. Während SAPV zu Beginn darauf ausgelegt war, pro Jahr 250 bis 300 Patienten in Stadt und Landkreis zuhause oder im Pflegeheim zu begleiten, liegt die Zahl mittlerweile bei 1000. „In den vergangenen elf Jahren sind fast 750 neue Patienten pro Jahr dazugekommen“, sagt Jörg Eberhardt. Daran, dass sich dieser Trend zurückentwickelt, glaubt er nicht.

Situation seit Pandemie verstärkt

„Immer mehr Palliativpatienten wollen nicht mehr ins Krankenhaus“, sagt Eberhardt. Es ist eine Situation, die sich seit dem Beginn der Pandemie noch mehr verstärkt hat. Er erinnert an die strengen Auflagen und das zeitweise geltende Besuchsverbot während den Hochzeiten der Pandemie. „Die Palliativpatienten wollen im Kreise ihrer Familie sein und nicht isoliert in einem Einzelzimmer“, sagt er.

Doch – auch das macht Jörg Eberhardt deutlich – nicht jedem kann dieser Wunsch erfüllt werden. „Einige Patienten müssen auf die Station. Entweder, weil sie alleinstehend sind oder weil die Angehörigen überlastet sind“, sagt Eberhardt.

In Situationen wie diesen greifen die SAPV-Palliativärzte zum Telefonhörer und suchen nach freien Betten.

„Natürlich hat die Situation in Rosenheim unsere Arbeit erschwert“, sagt er. Trotzdem gelinge es in den meisten Fällen, einen freien Platz zu finden – aufgrund der, wie Eberhardt sagt, engagierten Ärzte in den Kliniken in Bad Aibling und Trissl.

Braucht grundlegende Änderung

Zwar wird sich die Situation Ende September mit der Wiedereröffnung der Palliativstation im Romed-Klinikum in Rosenheim entspannen, Eberhardt macht aber auch kein Geheimnis daraus, dass sich seiner Überzeugung nach grundlegend etwas ändern muss. „Es braucht eine Aufwertung des Pflegeberufs“, sagt er. Nur so könne gewährleistet werden, dass Patienten allgemein und Palliativpatienten im Speziellen, auch weiterhin stationär und ambulant adäquat versorgt werden können.

Dass man hiermit nicht erst in den nächsten Jahren beginnen kann, unterstreicht Barbara Noichl: „Todkranke Patienten haben keine Zeit zu warten, bis alles besser wird.“

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