Saftiges Bußgeld oder sogar Haft? Diese Strafen drohen den Krawallmachern von Rosenheim

Drei Tage nach dem Krawall bei der Anti-AfD-Demo sind viele Fragen ungelöst. Eines aber scheint klar: Auf die Versammlungsleiterin und andere Demonstranten könnte Ungemach zukommen. Gegen wen die Polizei ermittelt. Und welche Warnzeichen ein Experte sieht.
Rosenheim - Die Rauchschwaden haben sich längst aus der Luft über der Kaiserstraße verzogen. Das juristische Nachspiel der Krawalle bei der Anti-AfD-Demo am Samstag in Rosenheims Innenstadt könnte sich dagegen hinziehen. Die Polizei ermittelt wegen diverser Vergehen, unter anderem wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte. Konkret sind damit die Tritte und Schläge gegen Beamte sowie das Einsprühen mit Löschschaum gemeint, durch das drei Beamte Augenreizungen erlitten hätten.
Noch offen ist, ob die Veranstalterin, eine Frau aus München, für die Schäden unter anderem an der Fassade von Polizeigebäuden und des AfD-Büros in Rosenheim aufkommen muss. Für die Reinigung der Gebäude könnte laut Polizei eine „mittlere vierstellige“ Summe fällig werden. Die Münchnerin hatte als Privatperson die Demo angekündigt und wird nun bei der Stadtverwaltung Rosenheim nach Versammlungsrecht als „Versammlungsleiterin“ geführt. Sie hätte für Ordnung sorgen, den Ablauf moderieren und die Demo notfalls schließen müssen. Dass das offensichtlich nicht gelang, könnte ihr weitere Probleme einbrocken.
Krawalle gegen Rosenheims Polizei: Ermittlungen in diverse Richtungen
Denn die Polizei wird auch ermitteln, wo die Auflagen der Stadt Rosenheim eingehalten wurden und wo nicht. Dazu gehört, dass genügend Ordner eingesetzt wurden. Für die angekündigten 70 Demonstrationsteilnehmer hätten es schon mal drei sein müssen, sagt Christian Schwalm, Sprecher der Stadt, außerdem jeweils einen Ordner für immer 25 Demonstranten mehr.
Sicher verstoßen haben die Demonstranten gegen die Auflage der Stadt, keine Feuerwerkskörper, Rauchbomben oder Bengalos zu zünden. Die Polizei ermittelt nicht nur in Messengerdiensten und sozialen Netzwerken, sondern werte dazu auch eigenes Videomaterial aus, sagte Robert Maurer von der Polizeiinspektion Rosenheim.
Nach Auskunft von Christian Schwalm könnten Bußgelder von bis zu 3.000 Euro verhängt werden. Zuwiderhandlungen des Veranstalters oder Versammlungsleiters gegen Beschränkungen können sogar eine Straftat darstellen und mit Haft von einem Jahr geahndet werden. „Die Stadt Rosenheim wird Ordnungswidrigkeitsverfahren konsequent ahnden“, betont er.
Klar scheint nur der linksextreme Hintergrund
Eine bestimmte Organisation allein oder eine Partei sei nach Auskunft von Stadt und Politik nicht mit der Kundgebung in Verbindung zu bringen. Klar scheint lediglich der linke oder gar linksextreme Hintergrund der rund 120 Teilnehmer, die Beamte der Polizeiinspektion Rosenheim zählten. Davon sollen, so lauten die Angaben der Polizei, drei Viertel aus München gekommen sein. Aus Demonstrantenkreisen werden bis zu 220 Teilnehmer gemeldet.
Über den Hintergrund und die Zusammensetzung der Demo wird also noch zu diskutieren sein. Rosenheim wird vom bayerischen Verfassungsschutz als eine Hochburg der Autonomen und der linksextremen Szene eingestuft. Die ist allerdings nach Beobachtungen der Verfassungsschützer alles andere als einheitlich und klar zu umreißen. Das Bild ist diffus, Gruppierungen der Szene treten unter verschiedenen Bezeichnungen auf, mit unterschiedlichen Überschneidungen.
Mit dem „Z – linkes Zentrum in Selbstverwaltung“ verfüge die Szene allerdings über einen Treffpunkt, an dem sie regelmäßig Veranstaltungen durchführen könne, heißt es aus dem Landesamt. Das „Z“ als Kristallisationspunkt? Dass die Einrichtung bei der Demo am Samstag eine Rolle gespielt habe, kann die Rosenheimer Polizei nicht bestätigen. Gerüchten, wonach das „Z“ von der Stadt gefördert werde, erteilte Sprecher Schwalm gegenüber dem OVB übrigens eine Absage.
Besonders aggressiv gegen die AfD: Wer ist das offene Plenum?
Nach Erkenntnissen des Verfassungsschutzes haben die Gruppen „Contre le Tristesse“ und „Offenes antifaschistisches Plenum Rosenheim“ für die Demo am Samstag mobilisiert. Vor allem das Plenum nehme gegenüber der AfD eine aggressive Haltung ein, teilte das Landesamt auf OVB-Anfragen mit. Es habe auch auf sozialen Netzwerken öfter offen zur Gewalt gegen AfD-Politiker aufgerufen. Beide autonome Gruppierungen seien eng mit Aktivisten aus München vernetzt, heißt es im Verfassungsschutzbericht 2021.
Seine Partei selbst sehe allerdings in „NoAfD“ das größere Problem, sagte der Rosenheimer AfD-Landtagsabgeordnete Andreas Winhart: „Die machen uns die größeren Sorgen.“ Schon des öfteren sei die AfD Ziel von Störaktionen gewesen. Wegen insgesamt vier Farbattacken auf das Büro - die Jüngste am Samstag - habe er ja auch zusammen mit dem Landtagskollegen Franz Bergmüller eine Belohnung von 500 Euro für Hinweise ausgesetzt.
Wie groß ist die Gefahr für die Demokratie? Experte spricht Klartext
Es bliebt das Grübeln: Warum Rosenheim? Warum die Stadt so beliebt für Antifa-Kundegebungen ist, kann auch Florian Wenzel, Politikwissenschaftler und Mitarbeiter des Netzwerks Politische Bildung Bayern, nicht ohne weiteres beantworten. „Die Antifa-Szene gab es in Rosenheim immer“, sagt der Halfinger einerseits. Aber: „Die gibt es auch in Wasserburg.“ Ohne Krawalle.

„Vielleicht waren die Demonstranten durch die Proteste bei Lützerath ermutigt“, meint er. Denn einen gewissen „Demonstrationstourismus“ will er nicht ausschließen. Allerdings gebe es doch einen Unterschied: Während in Lützerath Klima-Aktivisten das Wort führen, mit einer Greta Thunberg als „Ehrengast“, gebe es in Rosenheim, so sieht es Wenzel, „keine Verbindung zu Klima-Aktivisten, auch nicht zu Fridays for Future“.
Was Politikwissenschaftler der Versammlungsleiterin rät
Dass am Samstag in Rosenheim eine Demo aus dem Ruder gelaufen ist, darin sieht auch Wenzel ein Warnzeichen. „Miteinander reden ist schwieriger geworden.“ Für ihn nicht allein ein Resultat von Corona, sondern auch der Entwöhnung vom politischen Streit während der großen Koalition.
Denn eine starke Opposition sei wichtig, schließlich lebe Demokratie von Diskussion: „Es gilt, Spannungsfelder auszuhalten.“ Stattdessen ziehen sich viele Menschen zurück. Und verschanzten sich hinter dem Misstrauen gegenüber dem Staat. „Wenn aber kein Vertrauen mehr da ist, dass grundsätzliche Dinge wie Gewaltenteilung noch funktionieren, dann wird es schwierig.“
Dass die Demo mit den Attacken auf Polizeibeamte eine Grenze überschritten habe: Darin sieht Wenzel ein klares Eigentor. Mit Gewalt beraube sich die linke Szene der Legitimation, die allein konstruktive Kritik bringe. „Linksextreme nehmen in Anspruch, für den Wert der Gleichheit und der solidarischen Gesellschaft einzutreten“, sagte Wenzel. „Die Legitimation des Staates anzugreifen, passt nicht dazu.“ Auch deswegen rät er der Versammlungsleiterin, öffentlich Position zu beziehen: „Eigentlich hätte die schon eine Pressemitteilung herausgeben müssen.“