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„Zu klein, zu groß, zu teuer“: Wie schwer haben es Geflüchtete am Aiblinger Wohnungsmarkt?

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Von: Nicolas Bettinger

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Innenminister Joachim Herrmann besuchte kürzlich die Kurstadt Bad Aibling.
Innenminister Joachim Herrmann besuchte kürzlich die Kurstadt Bad Aibling. © dpa/Fotomontage Bettinger

Um ein erfolgreiches Projekt vorzustellen, kam Bayerns Innenminister Joachim Herrmann kürzlich nach Bad Aibling. Dabei erklärte er, wie Geflüchteten der Zugang zum regulären Wohnungsmarkt in der Region erleichtert werden soll. Doch wie gut funktioniert das in Bad Aibling?

Bad Aibling/Rosenheim– Hohe Preise, umkämpfter Markt. Die Suche nach bezahlbarem Wohnraum stellt in Oberbayern eine besondere Herausforderung dar. Das gilt auch für Stadt Bad Aibling. Und wo es für deutsche Normalverdiener schon knifflig wird, haben es Geflüchtete, etwa Menschen, die vom Krieg in der Ukraine geflohen sind, auf dem regulären Wohnungsmarkt noch schwerer.

So traf es sich gut, dass Bayerns Innenminister Joachim Herrmann kürzlich in der Kurstadt vorbeikam, um über genau dieses Thema zu sprechen. Anlass war eine Zwischenbilanz des Projektes „WoFA – Wohnraum für Alle“, über das Menschen mit Migrationshintergrund, die es etwa aufgrund von Sprachbarrieren oder Vorbehalten seitens der Vermieter schwer haben, eine Wohnung zu finden (wir berichteten).

Evangelische Kirche und Diakonie helfen

Die evangelische Kirche und die Diakonie unterstützen deshalb Geflüchtete in Bayern bei der Wohnungssuche. An mittlerweile acht Standorten in Bayern wurden seit Projektstart im Jahr 2019 2000 Menschen mit Migrationshintergrund auf dem regulären Wohnungsmarkt vermittelt. Einer dieser Standorte ist die Stadt beziehungsweise der Landkreis Rosenheim. Doch wie sieht es speziell in Bad Aibling aus?

Um es vorneweg zu nehmen: In der Kurstadt hält sich der Erfolg des Projektes bislang in Grenzen. Die Initiative zum bayernweiten „WoFA“-Projekt ging damals in Zusammenarbeit von Rosenheim und Traunstein sowie der Evangelischen Landeskirche aus. Der Standort Rosenheim war seit Anbeginn an der Konzeptentwicklung beteiligt, teilt Thies Schlüter, Diakonie in Oberbayern, auf OVB-Anfrage mit.

Finanziell gefördert wird das Projekt vom Staatsministerium, weswegen Innenminister Herrmann einen Zwischenstopp in Bad Aibling einlegte. „Die Idee ist absolut überzeugend“, sagte Herrmann gegenüber den OVB-Heimatzeitungen. Neben staatlichen Hilfen sei ein solches Engagement unglaublich wichtig, „um eben auch diesen Menschen einen Zugang zu angemessenem und bezahlbarem Wohnraum zu ermöglichen“.

„Wichtige Voraussetzung für Teilhabe und Lebensqualität“

Angemessenes Wohnen, so der Innenminister, sei nicht nur ein Grundbedürfnis. „Es ist auch eine wichtige Voraussetzung für Teilhabe und Lebensqualität.“ Da Druck und Preissteigerungen auf dem Wohnungsmarkt mittlerweile nicht mehr nur in Großstädten enorm sind, sei es um so wichtiger, Hindernisse abzubauen.

Die Initiative sei deshalb so wichtig, da es noch immer Vorbehalte bei Vermietern gegenüber Wohungssuchenden mit Migrationshintergrund gebe. Zudem sei das deutsche Mietrecht für Menschen, die etwa sprachliche Nachteile mitbringen, eine große Herausforderung. Tausende Flüchtlinge lebten zudem noch in Gemeinschaftsunterkünften, „weil sie einfach keine Wohnung finden“, so Herrmann.

Da auch der Krieg in der Ukraine dazu führe, dass wieder mehr Asylsuchende nach Deutschland kommen, brauche man aber auch in entsprechenden Unterkünften, etwa Ankerzentren, dringend mehr Platz. Und genau an dieser Stelle leiste das „WoFa“-Projekt einen wichtigen Beitrag. Dabei wollen die Projektmitarbeiter Interessierte über Rechte und Pflichten eines Mieters informieren und bieten zudem Hilfe bei der Wohnungssuche, Vermieterkontakten, Mietverträgen und ersten Schritten im Mietverhältnis an.

Erfolgreiche Vermittlungen in der Region Rosenheim

Für Dr. Andreas Dexheimer, Leiter der Diakonie-Bezirksstelle Rosenheim, ist das Projekt eine echte „Erfolgsgeschichte“. Im laufenden Jahr hätte man alleine am Standort Rosenheim 132 Beratungsfälle bearbeitet. Dabei wurden insgesamt 123 Personen – darunter 25 Ukraine-Flüchtlinge – in 38 Wohnungen vermittelt. Für ihre Unterstützung dankte Dexheimer bei der Präsentation neben dem staatlichen Förderer auch Landrat Otto Lederer und Aiblings Bürgermeister Stephan Schlier, die ebenfalls in den Räumlichkeiten der Diakonie Rosenheim (in Bad Aibling) zugegen waren.

Doch auch wenn das Projekt „erfolgreiche Statistiken“ im Landkreis aufweist, laufe es in der Stadt Bad Aibling bislang schleppend. „Hier in Bad Aibling haben wir bisher wenige Menschen an Vermieter vermitteln können“, erklärt Catherine Wehrle, Diakonie Rosenheim. Genaue Zahlen für die Kurstadt lägen zwar nicht vor, für die Umsetzung sei hier aber definitiv noch Luft nach oben.

„Zu klein, zu groß oder zu teuer“

Seitens der Vermieter fehle hier noch eine gewisse Offenheit. „Bisher sind die angebotenen Wohnungen meist zu klein, zu groß, oder zu teuer“, so Wehrle. Dabei herrsche auch hier ein großer Bedarf. Und: „Die Voraussetzungen sind in Bad Aibling sehr gut, was beispielsweise die Infrastruktur, Verkehrsanbindung, Schulen und die Nähe zu Rosenheim angeht.“ Das Projekt will durch eine umfassende Betreuung etwa auch Mietern die Angst nehmen, die beispielsweise um eine verlässliche Mietzahlung fürchten.

„Wir begleiten die Menschen von Anfang an, auch noch nach dem Umzug“, erklärt Catherine Wehrle. Dazu gehöre etwa auch das Angebot eines „Mietführerscheins“. Die Schulung vermittelt etwa Wissenswertes zu Themen wie Umzug, Strom sparen, Mülltrennung oder Hausgemeinschaft.

Die Nadel im Heuhaufen gefunden

Laut Sabine Claaßen von der Evangelischen Landeskirche in München basiere das Projekt zum einen auf „Kompetenz bei der Wohnungssuche“. Zum anderen erarbeite man ein Vermieternetzwerk und lege Wert auf eine dauerhafte Nachsorge. Für Oberkirchenrat Stefan Blumtritt, Leiter der Abteilung Gesellschaftsbezogene Dienste im Landeskirchenamt München, haben die Projektmitarbeiter „die Nadel im Heuhaufen gefunden“. Denn sie würden Wohnungen vermitteln, die es in der angespannten Marktsituation „eigentlich gar nicht gibt“, so Blumtritt.

Die Frage, warum sich das Projekt an Geflüchtete richtet, dürfe die Gesellschaft nicht spalten. „Ich bin davon überzeugt, dass Integration dazu beiträgt, genau diese Kluft zu verkleinern.“ Neben Rosenheim wird „WoFa“ derzeit in Augsburg, Hof, Kempten, Nürnberg, Schweinfurt, Straubing und Traunstein umgesetzt.

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