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Natalias Neuanfang: Der erste Monat in München - zwischen Trauer und Freude

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Natalia Aleksieieva ist am 7. März aus Odessa nach München geflüchtet. Hier berichtet sie ihre Erfahrungen.
Natalia Aleksieieva ist am 7. März aus Odessa nach München geflüchtet. Hier berichtet sie ihre Erfahrungen. © Marcus Schlaf/IMAGO (Montage)/MZV

Natalia Aleksieieva flüchtete mit Hilfe zweier Rosenheimer aus dem Ukraine-Krieg von Odessa nach Bayern: In ihrer Kolumne berichtet sie in unregelmäßigen Abständen über ihr neues Leben in bei uns und Nachrichten aus der Heimat.

Mein erster Monat in München und der 47. Kriegstag in der Ukraine. Diese Zeit brachte viel Trauer und Freude. In meiner Seele koexistieren auf seltsame Weise scheinbar so unterschiedliche Gefühle: Angst, Mitleid, Begeisterung, Dankbarkeit und eine riesige Bandbreite an unterschiedlichen Gefühlen und Erfahrungen.

Ein Teil von mir lebt jeden Tag mit meiner Familie am Telefon mit Fliegeralarm, Raketenwarnungen in meiner Heimatstadt, lebt mit den Flüchtlingen von München, die voller Ungewissheit und Angst sind. Der zweite Teil von mir freut sich über die Schönheit Münchens und die Herzlichkeit seiner Bewohner.

Bisher schrieb ich, dass es in meiner Stadt Odessa relativ ruhig ist. Aber diese Woche ging der Feind in die Offensive. Raketeneinschläge beschädigten die Ölraffinerie und das Öllager in Odessa. Glücklicherweise starb niemand.

Am Morgen rief meine Tante meine Eltern an und sagte, dass ihre Firma, die mit der Zollabfertigung von Erdölprodukten beschäftigt war, in Flammen stehe. Jetzt ist sie arbeitslos.

Telegramkanäle sind gefüllt mit Videos von der Hinrichtung von Zivilisten, Filmen von Leichen, die auf den Straßen von Städten und Dörfern verstreut waren, wo die heftigsten Kämpfe stattfanden. Ich habe noch nie Tote so nah und unter so schrecklichen Bedingungen gesehen. Wochenlang liegen Leichen auf den Straßen, manche mit gefesselten Händen. Es schien mir immer, dass jeder von uns rote Linien hat, die niemand jemals überschreiten wird. Massentötungen von Kindern, alten Menschen, Vergewaltigung von Mädchen und Frauen vor den Augen der eigenen Kinder, Panzertransporte von bereits Getöteten…

Wenn all diese Dinge für uns keine roten Linien sind, was dann? Kann dieser Wahnsinn nicht gestoppt werden? Gleichzeitig sollte ich den Wunsch haben, zu leben und zu arbeiten, den Ukrainern in München so viel wie möglich zu helfen und jeden Tag zu genießen, den ich lebe – egal, was passiert.

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