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Energiewende und Atomkraft: „Mit dem Slogan Wind und Sonne schicken keine Rechnung für dumm verkauft“

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Ein als Panda kostümierter Teilnehmer hält ein Schild mit der Aufschrift „Energiewende: jetzt erst recht!“ bei einer Demonstration gegen den G7-Gipfel. dpa
Ein als Panda kostümierter Teilnehmer hält ein Schild mit der Aufschrift „Energiewende: jetzt erst recht!“ bei einer Demonstration gegen den G7-Gipfel. dpa © picture alliance/dpa

Die Kosten der Energiewende und die mögliche längere Nutzung der Atomkraft sorgen für heftige Diskussionen unter den OVB-Lesern. Was denken Sie?

Reinhard Groß (Kolbermoor): In den OVB-Heimatzeitungen wird über Laufzeitverlängerungen von Atomkraftwerken diskutiert. Dabei würde durch den Wegfall der Einspeisedrosselung im Erneuerbare-Energien-Gesetz bei den Fotovoltaikanlagen auf 70 Prozent eine wesentliche Ertragssteigerung in den Sommermonaten kommen. Auf unserem Dach ist eine Anlage mit 7,8 Kilowatt montiert, die Einspeisung ist auf 5,4 Kilowatt gedrosselt. Zur Mittagszeit könnten ungefähr zwei Kilowatt mehr eingespeist werden. Rechnet man im Durchschnitt mit vier Stunden am Tag mal 90 Tage im Jahr, würden bei uns etwa 720 Kilowatt mehr erzeugt. Laut Bundesamt sind 2,2 Millionen Anlagen installiert. Herr Habeck sollte einen Taschenrechner in die Hand nehmen und ermitteln, wie viel Strom dadurch gewonnen beziehungsweise Gas bei der Stromerzeugung eingespart werden könnte.

„Versemmelte Energiewende“

Dr. Karl Wieland Naumann (Mühldorf): Energiewende bedeutet, dass die Erzeugung regenerativer Energie (Wind, Sonne, Wasser, Gezeiten) vorangetrieben wird. Und nicht, dass eine spezielle Art des Verbrauchs gefördert wird. Unsummen wurden in die Förderung der Verbrauchsart „Elektrizität“ gepumpt: neue Mobilitätstechnologie (E-Autos, Akkus), neue Versorgungspunkte (Ladesäulen) mit dazugehöriger neuer Versorgungsinfrastruktur (Kupferleitungen). Gelder, die bei der Förderung der Energieerzeugung fehlen. Mit der von Professor Kempfert beschriebenen Folge: versemmelte Energiewende.

Ob Elektrizität oder E Fuels (mit regenerativer Elektrizität hergestellter Wasserstoff, Methan oder Methanol): Je nach Sinnhaftigkeit werden die Verbraucher die eine oder die andere Energieart nutzen. Und das ganz ohne teure Förderprogramme. Zur Umsetzung: Wir müssen nicht auf technologische Durchbrüche oder Effizienzoptimierungen warten. Alle wesentliche Technologie ist vorhanden. Gewiss ist noch nicht alles vollständig ausgereift und in jeder Eigenschaft besser oder effektiver als die eingeführte Technologie. Dennoch lohnt die frühe Einführung, wie die Beispiele Dampfmaschine, Flugzeug, Solarzellen zeigen: Technologien reifen in der Anwendung, und nicht in den Laboren.

„So weit wie möglich umsteuern“

Ulrich Huber (Staudach-Egerndach) Die nimmermüde Lobbyistin für „Erneuerbare Energien“, Professor Kempfert, hat sicher schon immer gewusst, dass es besser gewesen wäre, die staatlichen Investitionen statt in Projekte im Bereich fossiler Brennstoffe in die Energiewende zu stecken. Die viel beschäftigte Politikberaterin und angebliche Energieexpertin sollte eigentlich wissen, dass die volatile Stromerzeugung aus Sonne und Wind keinen Industriestaat ohne Speichertechnologien versorgen kann. Die Versorgungssicherheit Deutschlands wird durch konventionelle Kraftwerke garantiert, wie jedermann auf der Homepage der Leipziger Strombörse nachsehen kann.

Die Behauptung, dass „Erneuerbare Energien“ preissenkend wirken und die Kosten dafür massiv gesunken sind, wird durch die Strompreisentwicklung widerlegt. Seit Einführung des EEG im Jahr 2000 hat sich bis 2020 der Strompreis verdoppelt, obwohl sich im gleichen Zeitraum der Anteil an „Erneuerbaren“ fast versiebenfacht hat. Gerade Lobbyisten haben uns mit dem Slogan „Wind und Sonne schicken keine Rechnung“ für dumm verkaufen wollen. Trotz alledem wird man aufgrund der entstandenen Abhängigkeiten nicht umhinkommen, so weit wie möglich umzusteuern.

„Preistreibende Wirkung teurer Energie falsch eingeschätzt“

Norbert Vogel (Schechen): Die vergangenen Wochen ließen einen sowohl an mancher Zukunftsidee als auch am Problemlösungsvermögen unserer Politiker zweifeln. Die Klimawende sollte unter anderem über eine gestaffelte CO2-Umlage für fossile Energien befördert werden. Irgendwie einleuchtend, aber schon seit Herbst 2021 und vor allem seit Putin mit Krieg für Preisdruck sorgt, werden starke konzeptionelle Schwächen sichtbar. Unser Wohlstand gründet sich zum Teil auf günstige Energiekosten.

Offenbar hat kaum jemand die umfassende preistreibende Wirkung teurer Energie richtig eingeschätzt oder die Gesellschaft wurde für grenzenlos belastbar gehalten. Für die Bürger geht es bei Energie nicht um verzichtbaren Konsum, sondern um Existenzielles wie das Heizen der Wohnung, die berufliche Mobilität und die Wettbewerbsfähigkeit des Arbeitgebers. Weil Alternativen fehlen, treibt es nun die Preise mit allen sozialen Folgen.

Noch läuft das Schwarze-Peter-Spiel wegen des Tankrabatts. Aber was haben sich die Urheber dabei gedacht? Hat man vergessen, wie Marktwirtschaft im Oligopol funktioniert? Höhere Nachfrage treibt den Preis, und zwar unabhängig davon, ob Anbieter kostenmäßig (Mineralölsteuer) sogar entlastet werden. Für die Grünen war es ein Grundpfeiler der Klimapolitik. Man mache die fossilen Energien teurer und lenke damit auf CO2-freie Energien um, sorge für gedämmte Häuser und bringe die Menschen in den ÖPNV. Nun aber senkt man Steuern und hofft auf Preiseffekte. Pustekuchen. Bestimmte Wechselwirkungen waren bereits bei der misslungenen temporären Umsatzsteuersenkung im Jahr 2021 zu besichtigen: Steuererhöhungen landen meistens vollumfänglich im Preis, Ermäßigungen dagegen unvollständig. Aber wir lernen noch nicht einmal mehr aus eigenen Fehlern.

„Die kleine Wasserkraft ist politisch nicht gewollt“

Robert Kiermeier (Oberbergkirchen): Respekt, Frau Zimniok, für den Beitrag über das bevorstehende Sterben der kleinen Wasserkraft. Gut, dass dieses Thema in den OVB-Heimatzeitungen abgedruckt wird. Die Lage ist tatsächlich dramatisch für die kleinen Wasserkraftwerke. Große Renditen konnte man beim Betrieb einer solchen Anlage noch nie erwarten, aber zumindest waren die Stromerlöse weitgehend auskömmlich. Doch seit einiger Zeit werden die kleinen Triebwerke im Namen des Gewässerschutzes von Behörden und gewissen Verbänden bekämpft und bei Gelegenheit im Betriebsablauf behindert.

Jetzt will die Politik neben einer deutlichen Erhöhung des Restwassers (Wasser, das am Kraftwerk vorbeifließt) auch noch die EEG-Vergütung ersatzlos streichen. Das dürfte dann den raschen wirtschaftlichen Todesstoß für die meisten Kraftwerke bedeuten, denn bei diesen besteht oft kein üppiges Kapitalpolster, um solche Ausfälle aufzufangen. Auch der Weg über die Strombörse rechnet sich da, anders als bei großen Kraftwerken, meist nicht.

Dabei versorgt die kleine Wasserkraft in Bayern (bis maximal 1000 Kilowatt Leistung) jedes Jahr rund 340 000 Haushalte zuverlässig mit CO2-freiem Strom. Der Preis für diesen geht zwar stetig nach oben, aber scheinbar haben wir trotzdem Strom im Überfluss, sodass man manche Kraftwerke nicht mehr braucht.

Man muss es in aller Deutlichkeit sagen: Die kleine Wasserkraft ist politisch nicht gewollt, auch beziehungsweise erst recht nicht von den in der Bundesregierung beteiligten rot-grünen Parteien, die sich im Gegensatz zur Vergangenheit in puncto Regenerativenergien teils arg zum Negativen entwickelt haben. So wird ein verlässlicher, umweltfreundlicher und regionaler Energieträger mit aller Gewalt vernichtet, und es werden dazu zahlreiche Existenzen zerstört.

„Billige Polemik“

Heribert Burdick (Bernau): Nun trommelt die Führungsspitze der CSU für die Laufzeitverlängerung der Atommeiler und kritisiert die angeblich gescheiterte Energiepolitik des grünen Wirtschaftsministers. Was für eine Verdrehung der Tatsachen. Zur Erinnerung: Es war die unionsgeführte Bundesregierung unter Kanzlerin Merkel, die aus rein wahltaktischen Motiven nach Fukushima den Ausstieg aus der Atomenergie verfügte. Es war die GroKo aus Union und SPD, die mit Nordstream 1 und 2 die Abhängigkeit vom Gas aus Russland gegen alle Bedenken und Kritik massiv vorantrieb. Und es war ebendiese Bundesregierung, die den Ausbau der erneuerbaren Energien blockierte und torpedierte, wo immer es ging. Und bei all dem hat die CSU immer tatkräftig mitgewirkt, nicht zuletzt bei der Blockade der Windkraft durch die unsägliche und unsinnige 10-H-Regelung.

Jetzt vor diesem Hintergrund den Widerstand der Grünen gegen die Atomkraft zu kritisieren, ist nichts als billige Polemik, um vom Versagen eben auch der CSU in Sachen Energie abzulenken.

Die Laufzeitverlängerung der drei verbleibenden Atommeiler ist auch nicht geeignet, Gas bei der Stromproduktion zu ersetzen, denn Atomenergie ist nur im Grundlastbereich möglich, während Gaskraftwerke Spitzen im Stromverbrauch abfedern sollen. Und ob die fünf Prozent Atomstrom, die gegenwärtig noch produziert werden, uns über den kommenden Winter retten können, bleibt dahingestellt. Also lieber Herr Söder, Dobrindt und Co., tut endlich das, was Bayern voranbringt, anstatt zu polemisieren.

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