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Wut über hohe Spritpreise - Tankstellenbetreiber erklären: „Wir sind nicht die Abkassierer!“ 

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Von: Andreas Höß, Georg Anastasiadis

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Die zwei von der Tankstelle: Christian und Michael (re.) Amberger leiten das Familienunternehmen Allguth mit Sitz in Gräfelfing.
Die zwei von der Tankstelle: Christian und Michael (re.) Amberger leiten das Familienunternehmen Allguth mit Sitz in Gräfelfing. © Marcus Schlaf

Die Spritpreise sind hoch - die Verärgerung vieler Kunden an den Zapfsäulen ebenfalls. Die Allguth-Chefs erklären nun, warum der Tankrabatt keineswegs in ihrer Tasche landet.

München – Nicht nur für Pendler ist Tanken im Moment eine Qual: Der Liter Diesel kostet deutlich über zwei Euro, ein Liter Super rund 1,90 Euro. Die hohen Spritpreise machen die Betreiber und Pächter von Tankstellen aber keineswegs reich, sagen Christian und Michael Amberger. Die Brüder leiten das Familienunternehmen Allguth, das seinen Sitz in Gräfelfing im Landkreis München hat und 30 Tankstellen im Großraum München betreibt. Während beispielsweise Aral zum BP-Konzern gehört, der auch Öl fördert und in seinen Raffinerien zu Benzin und Diesel verarbeitet, ist Allguth ein reiner Kraftstoffhändler ohne Förderung oder Raffinerien. Mit den großen Ketten wollen die Brüder deshalb im Interview mit unserer Zeitung nicht in einen Topf geworfen werden.

Eine Tankfüllung kostet im Moment locker 100 Euro und mehr. Verstehen Sie die Wut der Kunden an der Zapfsäule?

Christian Amberger: Absolut, wir tanken privat ja auch und legen dann genauso viel hin.

Trotz Rabatt vom Staat sind die Spritpreise schon wieder da, wo sie vor dem Rabatt waren – der Tankrabatt ist verpufft.

Christian Amberger: Er ist nicht verpufft. Den Preisanstieg bei Kraftstoffen gab es in den letzten Wochen nicht nur in Deutschland, sondern auch in anderen Ländern wie Frankreich. Ohne Tankrabatt würde Diesel in Deutschland jetzt 2,20 Euro kosten.

Der Staat verlangt aber weniger Steuern, trotzdem müssen Autofahrer mehr fürs Tanken ausgeben. Landet das Geld in Ihren Taschen? 

Michael Amberger: Nein, deshalb stehen wir Ihnen hier ja gerne Rede und Antwort. Die meisten Leute wissen gar nicht, wie sich die Spritpreise zusammensetzen.

Wie denn?

Christian Amberger: Beispiel Diesel: Bei einem Literpreis von zwei Euro sind hier trotz Tankrabatt noch 33 Cent Energiesteuer, acht Cent CO2-Steuer und rund 30 Cent Mehrwertsteuer enthalten. Der Raffineriepreis, den wir zahlen, liegt aktuell etwa bei netto 1,60 pro Liter inklusive Steuern und Abgaben. Uns bleiben neun bis zwölf Cent Marge, von denen noch unsere Kosten für Investitionen, Logistik und Vertrieb abgehen. Unter dem Strich machen wir dann zwei bis drei Cent Gewinn pro Liter.

Nur zwei bis drei Cent?

Michael Amberger: Ja, wir verdienen an einer Butterbreze oder einem Kaffee viel mehr als an einem Liter Benzin oder Diesel.

Als Tankstellenbetreiber wird man im Moment also nicht Millionär?

Michael Amberger: Nein. Unsere Marge ist niedrig, gleichzeitig steigen unsere Kosten für Strom, Gas und auch für den Einkauf von Lebensmitteln und Getränke für unsere Shops. Die Stadtwerke Dachau haben uns zum Beispiel gerade den Gaspreis um 47 Prozent erhöht, Eon den Strompreis um etwa 29 Prozent. Aber da regt sich komischerweise niemand auf.

Christian Amberger: Mit einer Tankstelle verdient man normalerweise etwa 50 000 bis 60 000 Euro pro Jahr. Manche Pächter kommen schon verzweifelt mit den Briefen ihrer Strom- und Gasanbieter zu uns und wollen uns die Schlüssel für die Tankstellen wieder in die Hand drücken.

Wenn Sprit teurer ist, muss doch auch irgendwer mehr verdienen. Wenn nicht die Tankstellen, wer denn dann? Die Ölkonzerne? Die Raffinerien?

Michael Amberger: Wir jedenfalls nicht. Ich will die Raffinerien jetzt nicht in Schutz nehmen, aber auch sie beklagen sich über Kostenerhöhungen für Gas und Strom. Die Verarbeitung des Rohöls ist energieintensiv und viel teurer geworden. Wie alle anderen Branchen müssen wohl auch sie die höheren Energiekosten durch höhere Preise ausgleichen. Christian Amberger: Deshalb zahlen wir Tankstellen bei den Raffinerien auch deutlich mehr für den Liter als noch vor ein paar Wochen und Monaten.

Profitiert auch der Staat, wenn der Grundpreis steigt?

Michael Amberger: Über die Mehreinnahmen bei der Mehrwertsteuer kassiert er zumindest einen Teil des eigenen Tankrabatts wieder ein.

Können Sie denn die Kritik der Politik an der Mineralölindustrie nachvollziehen?

Michael Amberger: Es wird immer pauschal über die Mineralölindustrie gesprochen und wir sind ein Teil davon. Aber wir haben mit Aral oder Esso nicht viel gemeinsam. Wir sind kein Großkonzern, der Öl fördert, verarbeitet und verkauft. Wir sind ein reiner Einzelhändler. Christian Amberger: Die ganze Branche wird immer in einen Sack gesteckt und dann wird undifferenziert darauf eingeprügelt. Das ärgert uns. Das liegt vielleicht auch daran, dass die Konsumenten die ganzen Preissprünge nicht mehr verstehen. Am Tag ändert sich der Preis oft 20 bis 30 Mal. 

Dann erklären Sie uns diese Preissprünge doch mal.

Christian Amberger: Die meisten Kunden glauben, dass man einfach auf den Einkaufspreis seine Marge legt und so den Verkaufspreis an der Zapfsäule hat. Das stimmt nicht wirklich. Der Verkaufspreis ergibt sich fast nur aus dem Wettbewerb.

Wirklich? Der Wirtschaftsminister sagt, der Grund für die hohen Spritpreise sei, dass der Wettbewerb nicht mehr funktioniert.

Christian Amberger: Das Gegenteil ist der Fall. An wohl keinem anderen Markt funktioniert der Wettbewerb so gut wie am Treibstoffmarkt. Und es gibt wohl kein anderes Produkt, dessen Preis so transparent ist wie der Benzinpreis. Er wird auf riesigen Tafeln auf der Straße für alle sichtbar vor jeder Tankstelle angeschrieben und Dutzende Apps können den günstigsten Preis für Diesel oder Benzin im Umkreis anzeigen. Bei anderen Produkten gibt es so eine Transparenz nicht.

Das heißt aber noch nicht, dass der Wettbewerb funktioniert.

Christian Amberger: Schon allein wegen der Elektromobilität nimmt die Spritmenge, die wir verkaufen, sukzessive ab. Der Kampf um Marktanteile wird immer größer. Deshalb versucht jeder, über den Preis Kunden zu gewinnen. Vor allem wir, denn unser Markenversprechen bei Allguth ist, besonders günstig zu sein. Das verlangen die vielen Stammkunden, die wir haben. Wenn ein Konkurrent den Preis senkt, ziehen wir sofort nach. Das passiert mehrmals am Tag. Der Verkaufspreis hat also nicht mehr viel mit dem Einkaufspreis zu tun, er wird vom Markt diktiert.

Und wenn jemand den Preis erhöht?

Michael Amberger: Gehen wir natürlich auch mit. Wie jeder Wirtschaftsbetrieb benötigen wir eine Mindestmarge. An manchen Tagen wissen wir aber genau, dass wir mit dem aktuellen Preis darunter liegen. Dann warten wir selbstverständlich sehnsüchtig darauf, dass jemand den Preis anhebt. Wir sind nicht die Preistreiber im Markt.

Sie sagen, dass Sie versuchen, besonders billig zu sein. Wie machen Sie das? Beim Einkauf haben Sie als Münchner Familienunternehmen sicher keine riesige Verhandlungsmacht.

Michael Amberger: Die großen Ketten lassen es im Wettbewerb zu, dass wir freien Tankstellen beim Endpreis etwas billiger sind. Das ist ein ungeschriebenes Gesetz. Wir machen das beim Verkauf dann wie Aldi oder Lidl über die größere Menge, die wir an den einzelnen Tankstellen umsetzen. Christian Amberger: Außerdem machen wir den Großteil unseres Gewinns mit Lebensmitteln, Getränken und den Waschanlagen. Das Geschäft haben wir als Reaktion auf die Ölkrise in den 1970er-Jahren aufgebaut. Für uns Tankstellen waren seinerzeit die beiden Ölkrisen ein großer Schock und kein großer Reibach. Es wurde wegen der hohen Preise viel weniger gefahren und getankt, es gab auch autofreie Sonntage.

Ihr Vater ist damals sogar insolvent gegangen.

Michael Amberger: Im Bewusstsein, seinen Fokus nicht nur auf das Thema Energie zu richten, war es von ihm sicherlich eine sehr weise Entscheidung, das Tankstellennetz in Folge der Ölkrisen zu verkaufen und das Unternehmen neu auszurichten. So wurden wir der Vorreiter der modernen Mobilitätszentren mit Tankstelle, Getränkemarkt, Shop, Bistro und Waschanlage.

Die EU plant ein Verkaufsverbot für Verbrenner ab 2035. Ist Ihr Geschäft in 20 Jahren zu Ende?

Christian Amberger: Nein, denn unser Geschäft ruht auf mehreren Säulen. Wir haben gut 35.000 Kunden am Tag. Gut die Hälfte davon tankt heute gar nicht, sondern kauft nur etwas ein oder wäscht das Auto. Ich glaube auch nicht daran, dass das Verbot wirklich so kommt. Wenn man sich die Entwicklung des Strompreises so ansieht, muss man sagen, dass Strom alles andere als ein verlässlich verfügbarer und preisstabiler Kraftstoff ist. Stand heute haben wir noch keinen komplett grünen Strom, kein großflächiges Ladenetz und ohne Subventionen keine bezahlbaren E-Autos. Das wird alles völlig unterschätzt. Da stellt sich schon die Frage, ob die Verbotspläne nicht realitätsfern sind. Michael Amberger: Elektroautos sind für viele Fahrten sinnvoll. Es gibt aber Länder und Bereiche, in denen es noch lange Verbrenner geben wird. Und es gibt spannende andere Technologien. Wir haben zum Beispiel schon 2017 eine Wasserstofftankstelle in München errichtet und sehen bei Wasserstoff und der Brennstoffzelle viel Potenzial. Unsere Forderung an die Politik ist, fossile Kraftstoffe bis 2035 zu verbieten – aber nicht den Verbrennungsmotor. Denn der kann auch mit synthetischen und klimaneutralen Kraftstoffen betrieben werden. In diesem Bereich engagieren wir uns stark.

Ihr Credo als Tankstellenbetreiber ist also freie Fahrt für freie Bürger?

Michael Amberger: Nein. Statt uns dogmatisch auf das E-Auto zu fokussieren, sollten wir uns eine Technologieoffenheit erhalten und vor allem eine komplette Verkehrswende wagen. Das Ziel muss doch sein, dass Pendler nicht einfach vom Verbrenner in tonnenschwere Elektro-SUVs umsteigen, sondern den Großteil der Strecke mit dem öffentlichen Nahverkehr zurücklegen und so ihre Jahreskilometer halbieren. Die Leute fahren ja werktags meist nicht aus Freude am Fahren mit dem Auto, sondern wegen des schlechten öffentlichen Nahverkehrs und der mangelnden Park-and-Ride-Möglichkeiten. Das Interview führten Andreas Höß und Georg Anastasiadis 

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