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Klage gegen Kampenwandbahn-Ausbau: So begründen die Naturschützer ihren Schritt

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Von: Katharina Koppetsch

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Noch fahren Viergondeln hinauf zur Kampenwand. Der Betreiber möchte sie durch Achtergondeln ersetzen. Gegen den geplanten Ausbau klagt nun der Bund Naturschutz.
Noch fahren Viergondeln hinauf zur Kampenwand. Der Betreiber möchte sie durch Achtergondeln ersetzen. Gegen den geplanten Ausbau klagt nun der Bund Naturschutz. © picture alliance/dpa

Der Bund Naturschutz (BN) klagt gegen den geplanten Ausbau der Kampenwandseilbahn in Aschau im Chiemgau. In einer Pressekonferenz am 12. Oktober 2022 stellt der BN erstmals seine Klagegründe vor. Das sagt der Betreiber dazu.

Aschau im Chiemgau - „Die Alpen sind bedroht“, eröffnet Richard Mergner, Landesvorsitzender des BUND Naturschutz die Pressekonferenz am Mittwoch, 12. Oktober. In ihr führt der Bund Naturschutz zusammen mit der Bürgerinitiative „Rettet die Kampenwand“ (BI), die Klagegründe gegen den geplanten Ausbau der Kampenwandseilbahn aus. Dabei bezieht sich die Klage auf sechs zentrale Aspekte, die sich unter anderem um den Artenschutz, den Eingriff in den Schutzwald sowie die Kapazitätserweiterung und die Sonderfahrten drehen.

Gegen den Ausbau

„Der geplante Neubau der Kampenwandbahn treibt den Ausverkauf unserer Berge zu Gunsten von Kommerz und Remmidemmi weiter voran“, sagt Mergner. Es werde mit Erlebniskabinen, Brunch-Veranstaltungen, Feierlichkeiten auf dem Berg, die nächtliche Sonderfahrten zur Folge haben, geworben. „Der ganze Zirkus wird sich massiv auf den sowieso schon schlechten Bestand des Birkwilds an der Kampenwand auswirken, da solche Konzepte zu einem größeren Ansturm am Berg  und zu einer zusätzliche Beunruhigung in der Nacht führen.“

Bergstation Kampenwandseilbahn Gondel Aschau im Chiemgau
Die jetzige Bergstation der Kampenwandseilbahn. Damit sie die neuen Gondeln fassen kann, soll sie umgebaut werden. © Katharina Koppetsch

Dabei fordere der BN zusammen mit der BI nicht den Abriss der Bahn, es gehe vielmehr um die angedachte Erweiterung, betont der Landesvorsitzende.

Appelle an Minister

Mergner appelliert an Michaela Kaniber, Bayerische Staatsministerin für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten, sich hinter die Belange des Waldes zu stellen. Schließlich handle es sich bei dem betroffenen Schutzwald, der in Teilen einer Materialseilbahn weichen müsste, um gerade jenen Wald, den die Ministerin im Zuge der Bürgerinitative „Rettet die Bienen“ gepriesen habe. „Es wird eine Nagelprobe sein, ob man es mit dem Bergwaldschutz und Birkhuhnschutz ernst meint“, so der Landesvorsitzende.

Ein weiterer Appell geht an Hubert Aiwanger, Bayerischer Staatsminister für Wirtschaft, Landesentwicklung und Energie. Er solle die Förderrichtlinien von Seilbahnen überarbeiten. Nach Auffassung des Bund Naturschutzes würden hier Steuergelder falsch investiert. „Es ist anachronistisch“, urteilt Mergner, das solche Infrastrukturmaßnahmen und nicht Klimaschutz gefördert werde.

Traditionelle Charakter soll erhalten bleiben

Geschäftsführer Eric Zbil bezieht auf Anfrage des OVBs zu den Klagepunkten Stellung und betont, dass der „traditionelle Charakter der Kampenwandbahn“ erhalten bleiben soll. „Es muss, wie bei jeder technischen Einrichtung, auch bei der Kampenwandseilbahn erlaubt sein, diese nach sechs Jahrzehnten bewährten Betriebes in dem geplanten, höchst überschaubaren Maße zu erneuern und anzupassen, um sie dauerhaft auf dem technischen Stand zu halten“, erklärt Zbil. Für den Ausbau müssten zwar Bäume gefällt werden, die Wurzeln blieben jedoch im Boden und die Schutzwirkung bleibe somit erhalten. Der Kahlschlag sei außerdem nicht von Dauer. Nach dem Ausbau könne der Bereich auf dem die Materialbahn stand, wieder zuwachsen.

Das sind die Klagegründe

Rechtsanwältin Lisa Eberlein, Meisterernst Rechtsanwälte, erläutert die weiteren juristischen Details der Klage des Bund Naturschutzes. Dabei bezieht sich Eberlein unter anderem auf die, für den Ausbau notwendige, Materialseilbahn. „Das Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten hat seine Bescheide über die Erlaubnis für einen Kahlhieb auf Naturwaldflächen für die Materialseilbahn, die für die Umsetzung der geplanten Erneuerung der Kampenwandseilbahn notwendig ist, aufgehoben.“ Dies wirke sich auch auf die Genehmigung des Landratsamtes aus, denn ohne die Materialseilbahn sei eine Realisierbarkeit der Seilbahnerneuerung bereits fraglich.

Zentrale Aspekte der Klagebegründung sind

1.  Artenschutz mangelhaft: Der Ausbau stellt ein erhebliches zusätzliches Risiko für geschützte Tierarten dar. Vor allem beim sensiblen Birkwild, Verbotstatbestände nach Bundesnaturschutzgesetz können nicht ausgeschlossen werden.
2.  Beeinträchtigung von biotopkartierten Gebieten, die nicht ausgeglichen werden können
3. Eingriffe in Naturwaldgebiete und Schutzwald
4.  Kapazitätserweiterung und Sonderfahrten; Erlebniskabinen
5.  Zudem ergeben sich formale Fehler: So hätte bei der Änderung des Antrags eine Umweltverträglichkeitsprüfung durchgeführt werden müssen.
6.  Eingriff in besonders geschütztes Fauna-Flora-Habitat Gebiet

Quelle: Bund Naturschutz

Eine Argumentation, die der Betreiber der Bahn nicht ganz nachvollziehen kann. „Die Materialseilbahn zum An- und Abtransport von Baumaterial der Bergstation beruht auf einem ausdrücklichen Wunsch der Naturschutzbehörden, die damit die bisher und bestandskräftig genehmigten Hubschrauberflüge zum Materialtransport im Interesse eines weiter verbesserten Schutz des Birkwilds auf ein Minimum reduzieren wollten“, sagt Zbil. „Wenn nun der Bund Naturschutz mit der Materialseilbahn die geänderte Baulogistik angreift, würde er bei einem Erfolg die Rückkehr zu Transportflügen erwirken. Entweder ist ihm das nicht bewusst oder er möchte bewusst das gesamte Erneuerungsprojekt zu Fall bringen. Dann müsste er das aber offen sagen und in der Region vertreten, dass er bemüht ist, nach 65 Jahren den Betrieb der Kampenwandseilbahn zu einem Ende zu bringen, in einem Gebiet, das weder Naturschutzgebiet noch Natura 2000-Gebiet ist und auch nach dem Alpenplan einer Weiternutzung offen steht.“
 

Der Schutz des Birkwilds

Zudem, so der Bund Naturschutz, werde das Birkwild, das auf der Kampenwand seine Balz- und Fortpflanzungsstätten habe, durch die anzunehmenden Zunahme von Gästen und die geplanten 81 Sonderfahrten gestört. Eine Sonderfahrt, ist wenn eine Gondel außerhalb der Betriebszeiten fährt, sei es zum Transport von Gästen oder Material. Damit sei der Genehmigungsbescheid des Landratsamts „insbesondere im Hinblick auf den Artenschutz nicht haltbar“, führt Eberlein weiter aus und verweist auf weiter schützenswerte Arten wie den Alpen- und Feuersalamander sowie die Fledermaus. Eberleins Fazit: „Der geplante Ausbau verstößt gegen die Raumordnung, die in unserem Landesentwicklungsplan festgelegt ist: die Leistungs- und Funktionsfähigkeit des Naturhaushalt soll nicht nachhaltig beeinflusst werden.“

„Der Naturschutz, speziell der Schutz des Birkwildes, ist in der Änderungsgenehmigung umfangreich berücksichtigt“, hält Geschäftsführer Zbil dagegen. „Unter anderem wurde beauftragt, die Bauarbeiten im betroffenen Bereich für mehrere Monate ruhen zu lassen, um mögliche negative Auswirkung während des Balzzeitraums, zu dem das Birkwild empfindlich reagieren könnte, auszuschließen.“ Dadurch nehme er nicht nur höhere Kosten sondern auch eine längere Bauzeit in Kauf, denn „da wir selbst Anwohner sind, liegt uns die wunderbare Natur rund um die Kampenwand sehr am Herzen.“ 

„Overtourism“ auf der Kampenwand?

Neben dem Schutz von Flora und Fauna kritisieren der BN und die BI den zu erwartenden Besucherandrang. Während der Betreiber von einer Kapazitätssteigerung von maximal 15 Prozent spricht, gehen die Kritiker von einer Verdreifachung der Fahrgastzahlen aus. Die BN-Kreisgruppe habe mit der Betreiberfamilie das Gespräch gesucht, erzählt Rainer Auer, Vorsitzender der BN-Kreisgruppe Rosenheim. Dabei habe Auer versucht, eine Kapazitätsgrenze festzulegen. Dies sei gescheitert. Dementsprechend rechnet der BN mit der faktisch möglichen Transportkapazität, die bei 1530 Besuchern pro Tag läge, erklärt Eberlein. Derzeit können 450 Menschen pro Tag auf die Kampenwand fahren. Wenn 20 bis 30 Millionen Euro investiert werden, so Auer, könne man nicht davon ausgehen, dass der Betrieb ohne eine Profitsteigerung, also ohne eine Erhöhung der Fahrgastzahlen, weiterlaufe. „Das zu glauben ist naiv.“

Kampenwand Berge Aschau im Chiemgau Seilbahn
Der Blick von der Bergstation der Kampenwand Richtung Alpen. Der Bund Naturschutz hat Angst vor erheblichen Eingriffen in die Natur. © Katharina Koppetsch

Und gerade dieses Profitstreben sieht Auer nicht nur im Bezug auf den Ausbau, sondern auch in dem Angebot des Berggasthofs „Sonnenalm“. Dort seien sogenannte Besucherlounges aufgestellt worden, die nur mit einem Menü gebucht werden können. „Bei vier Personen ist man hier bei rund 250 Euro“, sagt Auer und spricht von einer Kommerzialisierung und Gentrifizierung der Alpen. Zbil hält dagegen, dass „die Almen allesamt ein kosten- und qualitätsbewusstes Speise- und Getränkeangebot, das sich jeder Gast, selbstverständlich auch Familien, gut leisten können“. Das Angebot für besondere Anlässe stehe dem nicht entgegen, sondern rund das Angebot nur an.

Mehr Verkehr, mehr Lärm, mehr Abgase

Prof. Dr. Peter Weimann, Initiator der Bürgerinitiative „Rettet die Kampenwand“ sprach vor allem über mögliche Folgen eines Ausbaus. Die Angst vor extremen Wettersituationen steige: „Wenn wir noch größere und breitere Schneisen in den Wald schlagen, ins Bodengefüge eingreifen, um neue Betonpfeiler zu setzen und weitere Flächen versiegeln, werden wir noch mehr den Extremwettersituation ausgesetzt sein“, prophezeit der Umweltschützer. Zudem belaste der voraussichtlich zunehmende Verkehr mit den benötigten Parkflächen, den Abgasen und dem Lärm den Ort und seine Bewohner. „Die Fahrgäste der Kampenwandbahn haben am Autoverkehr in Aschau einen Anteil im einstelligen Prozentbereich“, ordnet Betreiber Zbil den Verkehr ein. Die Talstation sei im öffentlichen Nahverkehr über Bahn und Liniebusse gut angebunden. Darüber hinaus gebe es mit dem neuen On-demand-Fahrdienst „Rosi“ einen perfekt individualisierbaren ÖPNV-Anschluss der Talstation und daneben der Wanderwegeeinstiege.

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