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„Eine Frechheit und Sauerei“: Eggstätter darf nicht in seinem eigenen Haus wohnen

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Von: Paula L. Trautmann

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Bernhard Hering ärgert sich darüber, dass sein Sohn Sven nicht in dem Haus am Egelsee leben darf.
Bernhard Hering ärgert sich darüber, dass sein Sohn Sven nicht in dem Haus am Egelsee leben darf. © Rosemarie Ammelburger

Sven Hering gehört ein Haus, in dem er nicht leben darf. Das Landratsamt Rosenheim genehmigt das nicht. Ein Baukontrolleur überwacht sogar, ob sich Hering an die Vorgaben hält. Ein Streit über Wohnungsnot, der im Bundestag endet.

Eggstätt - „Mir reicht es bis obenhin“, sagt Bernhard Hering. Er redet schnell, schimpft über „Schikane“ sowie Kontrollen durch das Landratsamt, wird laut und entschuldigt sich dafür. Das Thema beschäftige ihn eben sehr. Es geht um seinen Sohn Sven Hering. Weil dieser zwei Wochen auf Schulung und nicht zu erreichen ist, kümmert sich sein Vater um das Anliegen.

Kein Erfolg bei der Umwidmung

Sven Hering hat 2009 ein Haus am Egelsee 8 in Eggstätt gekauft. Das Problem: Das Gebäude wurde vor 40 Jahren als Gewerbeimmobilie genehmigt. Laut seinem Vater versucht Sven Hering seit zehn Jahren, das Haus in Wohnraum oder eine Wohnung mit Büro umwidmen zu lassen - ohne Erfolg. „Das Landratsamt und die Gemeinde verweisen auf die Rechtslage, nach der eine Umnutzung zu Wohnzwecken nicht möglich ist“, sagt Bernhard Hering. Und das, obwohl das Haus in dem Weiler von sieben Wohngebäuden umgeben sei. Das kann der Vater nicht verstehen, schon gar nicht vor dem Hintergrund des Wohnungsmangels

„Durch eine Nutzungsänderung von Gewerbe zu Wohnen würde eine im Außenbereich unerwünschte Intensivierung der Nutzung auf dem Grundstück stattfinden“, teilt Landratsamt-Sprecherin Tanja Pfeffer mit. Ein Gewerbe werde nur zu bestimmten Betriebszeiten genutzt, eine Wohnung ständig. Das Landratsamt muss die Baugesetze Pfeffer zufolge einhalten und vollziehen - trotz Wohnungsnot.

700.000 Wohnung zu wenig in 2023

Dabei ist die Situation am Wohnungsmarkt dramatisch, wie der Mieterbund-Präsident Lukas Siebenkotten Mitte Januar in Berlin mitteilte. Ein Bündnis aus Mieterbund, Baugewerkschaft sowie Sozial- und Branchenverbänden warnt vor einer sich immer stärker zuspitzenden Wohnungsnot in Deutschland. 2023 werde es rund 700.000 Wohnungen zu wenig geben. Der Hauptgrund sei die zunehmende Zuwanderung bei gleichzeitig niedrigem Bautempo.

Auch Bernhard Hering spricht über Zuwanderer: „Wo sollen die denn menschenwürdig wohnen?“ Er sieht die Lösung darin, Gewerbe in Wohnraum umzuwandeln - nicht nur für die Einwanderer, sondern auch für seinen Sohn. Deshalb hat der Eggstätter eine Petition beim Bundestag eingereicht. Das Ziel: eine Änderung im Baugesetz. Die Bundesregierung solle die Umwandlung von Gewerbe in Wohngebäude im Außenbereich gestatten.

„Himmelschreiende Ungerechtigkeit und Ungleichbehandlung“

Der Petitionsausschuss sieht allerdings keinen Handlungsbedarf und bestätigt, dass der Außenbereich zu schonen und von einer Bebauung freizuhalten sei. Eine Ausnahme bestehe für privilegierte Vorhaben - eben landwirtschaftliche Betriebe, die wegen ihrer besonderen Anforderungen ausgenommen seien.

Das missfällt Bernhard Hering: „Jeder Bauer darf im Außenbereich machen, was er will, die haben Narrenfreiheit - eine Frechheit und Sauerei.“ Es freue ihn, wenn junge Leute fleißig sind und „etwas schaffen“. Doch die „himmelschreiende Ungerechtigkeit und Ungleichbehandlung“ von Bürgern, die keine Familienangehörigen von Landwirten sind, störe ihn.

Hering liefert ein Beispiel: Die Gemeinde Eggstätt erstellt aktuell einen Bebauungsplan für Bachham. Darin seien fünf Häuser im Außenbereich enthalten, die Familienangehörigen von Landwirten gehören. Auch für den Ortsteil Oberndorf habe die Gemeinde über Jahrzehnte rund zehn Baugenehmigungen an Angehörige erteilt, obwohl es keinen Bebauungsplan gegeben habe.

Andere Lage in Bachham und Oberndorf

Landratsamt-Sprecherin Pfeffer zufolge handelt es sich beim Ortsteil Bachham und einen „Siedlungsansatz von einigem Gewicht“ nach dem Baugesetz. Deshalb sei dort Bauleitplanung der Gemeinde möglich. Der Bebauungsplan umfasse nicht nur die fünf Gebäude, sondern den gesamten Ortsteil. Auch Oberndorf sei ein Ortsteil „von einigem Gewicht“. Die Gemeinde Eggstätt habe sich dort nicht für einen Bebauungsplan entschieden, sondern für eine Abgrenzungs- und Einbeziehungssatzung, wodurch die Bauten nicht mehr im Außenbereich liegen.

Der Bauamtsleiter zeigt Verständnis

Doch Herings Grundstück liegt weiterhin im Außenbereich, und daran wird sich wohl nichts ändern. „Die Aussichten auf Erfolg sind gen Null“, sagt der Eggstätter Bauamtsleiter Bernd Ruth. „Verständlich, dass er sich ärgert, aber uns sind die Hände gebunden.“ Die Gemeinde könne zwar einen Bebauungsplan erstellen, das Landratsamt werde dem jedoch nicht zustimmen. Denn die Zersiedlung der Landschaft widerspricht Ruth zufolge den Vorgaben des Freistaats.

„Die Gemeinde kann da wenig mitreden”, bestätigt Winfried Schober, Pressesprecher vom Bayerischen Gemeindetag. Die Verwaltung befürworte einen Bauantrag lediglich, das Landratsamt genehmige ihn. Schober rät Betroffenen, einen Anwalt zu engagieren, der auf öffentliches Baurecht spezialisiert ist.

„Er wird da nie Baurecht erlangen“

Bauamtsleiter Ruth empfiehlt, vor einem Kauf die Gemeinde zu kontaktieren. Durch einen Vorbescheidantrag könnten Bürger testen, wie Gemeinde und Landratsamt zu Bauvorhaben, Umbau oder Umwidmung stehen. „Das hätte Herr Hering vielleicht auch machen sollen. Er wird da nie Baurecht erlangen.“ Dabei ist Ruth für die Umwidmung und findet es schade, dass „so ein guter Raum leer steht“. Doch nur wenn sich das Baugesetzbuch ändere, werde das Landratsamt die Umwidmung zulassen. Erst dann könnte Sven Hering in seinem Haus wohnen.

Danach sieht es im Moment nicht aus. Der Petitionsausschuss hat den Antrag des Eggstätters abgelehnt. Ein Sprecher des Bayerischen Bauministeriums verweist auf die aktuelle Gesetzeslage. „Der Schutz des Außenbereichs ist ein Grundprinzip des Bauplanungsrechts“, sagt ein Sprecher des Bundesministeriums für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen. Das diene unter anderem dem Umweltschutz. Die Siedlungsentwicklung solle sich auf bestimmte Orte konzentrieren. Und dazu gehört am Egelsee in Eggstätt offenbar nicht.

Das sagt Klaus Stöttner

Der Rosenheimer CSU-Landtagsabgeordnete Klaus Stöttner kennt den Fall von Sven Hering. Alle Instanzen seien ausgeschöpft, die Angelegenheit rechtlich abgehandelt. Eine Umwidmung von Gewerbe in Wohnraum im Außenbereich sei nicht möglich. „Er will das nicht verstehen“, sagt Stöttner über den Vater von Sven Hering. Die Sache sei kein Einzelfall. Dennoch sieht Stöttner die Lösung nicht darin, das Baugesetz zu ändern, um die Wohnungsnot abzumildern. Es gebe viele leerstehende Gebäude von Landwirten, die in bis zu fünf Wohneinheiten umgewandelt werden könnten. „Das wird viel zu wenig genutzt“, findet Stöttner. Auch durch Verdichtung in den Städten könne Wohnraum geschaffen werden.

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