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Fall Hanna bei „Aktenzeichen XY“: So viele Hinweise erhielt die Polizei nach der Sendung

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Von: Michael Weiser

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Der „Eiskeller“ in Aschau: Hier war Hanna zu Gast, bis sie sich am Morgen des Montag, 3. Oktober, auf den Heimweg machte. Zuhause kam sie aber nie an.
Ein Rätsel, das im „Eiskeller“ seinen Ausgang nimmt: Hans-Peter Butz von der Kripo Rosenheim, erläuterte als Leiter der Soko „Club“ die Gewalttat an Hanna W. © Hans Jürgen Ziegler

Der Zeugenaufruf in „Aktenzeichen XY ... ungelöst“ im Fall Hanna erzeugte eine enorme Resonanz. Aus der Menge der Hinweise trennen die Ermittler nun die Spreu vom Weizen. Wie geht‘s weiter mit dem Fall von Hanna W., die auf dem Heimweg in Aschau ihr Leben verlor?

Aschau im Chiemgau Bilder einer Überwachungskamera zeigen die letzten Bilder von Hanna: Es ist Montagmorgen, der 3. Oktober, gegen 2.30 Uhr, die junge Frau verlässt den Club „Eiskeller“ in Aschau. Sie ist alleine. Nach ein paar Metern verschluckt sie das Dunkel der Nacht. Zwölf Stunden später findet ein Spaziergänger Hanna tot in der Prien.

Seitdem ermittelt die Kripo Rosenheim mit Hochdruck. Die Soko „Club“ versucht, aus unzähligen Puzzleteilen ein Bild zusammenzusetzen. Wer begegnete der jungen Frau auf dem Weg zu ihrem Elternhaus? Wer tat ihr brutale Gewalt an? Jüngster Höhepunkt in den Ermittlungen: ein Auftritt in der ZDF-Sendung „Aktenzeichen XY ... ungelöst“ am Mittwoch, 9. November.

Insgesamt 90 Hinweise auf den Telefonen der Polizei

Soko-Leiter Hans-Peter Butz schilderte im Studio in der Bavaria-Filmstadt den Stand der Ermittlungen. Und erregte Aufmerksamkeit. Rund 50 Anrufe zählten die Mitarbeiter von „Aktenzeichen“-Moderator Rudi Cerne noch während der Sendung. Weitere 38 Anrufe seien auf dem reaktivierten Hinweis-Telefon der Polizei entgegengenommen worden.

Der größte Teil der Hinweise bezog sich auf die auffällige Uhr, die im Bärbach am Kampenwandparkplatz gefunden wurde. Und zwar in unmittelbarer Nähe zu einem Ring, den Hanna am fatalen Abend am Ringfinger der linken Hand stecken hatte. War es ein Zufall, dass Uhr und Ring so nah beinander lagen? Womöglich nicht, meint die Polizei. Die Uhr, so sagen die Ermittler, könne dem Täter gehört haben.

Die ominöse Holz-Uhr: Sie lief bei ihrer Bergung noch

Die Uhr ist auffällig: Sie besteht aus braunem Holz, hat einen Durchmesser von ca. 44 Milimetern. Für ein Missverständnis sorgte die Uhrzeit, die auf der Polizei-Fotografie zu sehen ist - kurz nach halb drei. „Die Uhr des Täters blieb um 2.39 Uhr stehen!“, titelte eine Berliner Zeitung am Morgen nach der „Aktenzeichen XY“-Sendung.

Ein Irrtum. Hans-Peter Butz hatte bei „Aktenzeichen“ berichtet, dass die Uhr noch funktionstüchtig gewesen sei, als Ermittler sie im Bärbach fanden. Sie sei noch gelaufen, bestätigt auch Polizeisprecher Stefan Sonntag, so lange, bis die Spurensicherer ihre Arbeit am Gehäuse der Uhr aufnahmen. Dass der Polizeifotograf die Uhr mit der ominösen Uhrzeit - so nah an der Uhrzeit, da Hanna den „Eiskeller“ verließ - fotografiert habe, sei Zufall.

Gehörte die Uhr dem Täter?

Mitnichten ist geklärt, ob die Uhr tatsächlich dem Täter gehört. Nur die Nähe zu Hannas Ring macht die Fahnder so begierig, den Eigentümer und Träger der Holz-Uhr zu finden. Und - sie könnte tatsächlich zum Tatzeitpunkt ins Wasser gelangt sein. „Sie hatte noch keine Verfärbungen, hatte kein Moos angesetzt“, sagte Stefan Sonntag. „Jahrelang ist sie jedenfalls nicht im Bärbach gelegen.“

Allerdings ist sogar die Tatsache, dass die Uhr bei ihrer Auffindung noch gelaufen sei, nicht unbedingt ein Beleg dafür, dass sie nur wenige Stunden im Bärbach gelegen habe. „Die Uhr ist wasserdicht bis zu einer Tiefe von 50 Metern“, sagt der Rosenheimer Uhrmacher Peter Gruber auf OVB-Anfrage. „Und eine neue Batterie hält rund zwei Jahre lang.“

Vielleicht lenkt einer der zahlreichen Anrufer nach „Aktenzeichen“ die Ermittlungen in die richtige Richtung. „Wir werden jeden einzelnen Hinweis prüfen“, sagt Sonntag. Das werde natürlich noch einige Zeit in Anspruch nehmen.

Ein neues Bild für „Aktenzeichen“

Die Polizei hatte für ihren Auftritt bei Rudi Cernes Sendung Fotos besorgt, die der Öffentlichkeit noch nicht bekannt gewesen waren. Eines davon zeigte Hanna fröhlich lachend. Ein Foto, das einen nur schmerzen kann, wenn man um das gewaltsame Ende der Medizinstudentin weiß. „Es ist schwer für die Familie“, sagt Sonntag. Aber sie habe das Foto zur Verfügung gestellt. Um zu erreichen, dass die Menschen Anteil an Hannas Schicksal nehmen, und so vielleicht noch ein bisschen tiefer in ihren Erinnerungen wühlen. Oder sie motivieren, sich bei der Polizei registrieren zu lassen.

140 neue potenzielle Zeugen haben sich registrieren lassen

Seit vergangenem Wochenende haben sich laut Stefan Sonntag auf dem Portal der Polizei 140 Menschen registrieren lassen, die in jener Nacht - der Nacht der „Season Opening Party“ - im „Eiskeller“ waren. Hunderte Besucher stehen aber noch aus. Sie will die Polizei sensibilisieren: Vielleicht haben sie etwas mitbekommen, ein winziges Detail, das sie verdrängt haben, das aber den Täter verraten könnte.

Irgendwann, so der Wunsch der Fahnder, könnte sich die Nacht so weit rekonstruieren lassen, dass man weiß, wer sich wann wo aufhielt, und sei es nur ungefähr. Dazu sitzen weiterhin Datenspezialisten der Soko vor Fotos und Überwachungsvideos. Auch das Team „Operative Fallanalyse“, darunter „die Profiler“, sitze noch im Boot. Für ein Täterprofil sei es aber noch zu früh, sagt der Polizeisprecher.

Ist die Uhr nun die heißeste Spur?

Allen Hinweisen nach „Aktenzeichen“ zum Trotz - noch sind der Polizei offenbar nur wenige konkrete Anhaltspunkte bekannt. „Sie verließ den Club, wurde zwölf Stunden später tot aufgefunden“, sagt Sonntag. „Und wir wissen nicht, was in diesen zwölf Stunden geschah.“ Man könne noch nicht einmal sagen, ob es sich wirklich nur um einen Täter oder um mehrere Täter handele - „oder um eine Täterin.“

Für den erfahrenen Soko-Leiter Hans-Peter Butz eine schwierige Situation. Im Fernsehstudio wirkte er souverän, wenn auch etwas übernächtigt. Er leitete die Ermittlungen im Mordfall Manuela K. im Landkreis Traunstein, ebenso die im Fall des Bundeswehrsoldaten, der in der Nacht nach dem WM-Finale 2014 in Bad Reichenhall einen Rentner erstochen und eine junge Frau schwer verletzt hatte. „Er ist ein sehr erfahrener Ermittler“, sagt Sonntag. „Er weiß, dass manche Ermittlungen kürzer dauern - und manche lange.“

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