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Fair Play sieht anders aus: Weiter Ärger um Flüchtlinge in der Priener Turnhalle

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Von: Oliver Lang

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Kurz vor dem Einzug der ukrainischen Flüchtlinge – Andreas Schaller, Schulleiter des Ludwig-Thoma-Gymnasiums, Anfang März 2022, als die Turnhalle für die Aufnahme der Flüchtlinge vorbereitet wurde.
Kurz vor dem Einzug der ukrainischen Flüchtlinge – Andreas Schaller, Schulleiter des Ludwig-Thoma-Gymnasiums, Anfang März 2022, als die Turnhalle für die Aufnahme der Flüchtlinge vorbereitet wurde. © Anita Berger,Foto Berger-Prien a

Es ist keine Ruhe in Sicht. Die Unterbringung rund 60 ukrainischer Flüchtlinge in der Turnhalle des Ludwig-Thoma-Gymnasiums (LTG) beschäftigt viele Priener: Schüler und ihre Eltern, Lehrer und Schulleiter und auch lokale Politiker. Unverständnis macht sich breit.

Prien – An der Notwendigkeit einer guten Unterbringung für die Flüchtlinge aus der Ukraine lässt Andreas Schaller, Schulleiter des Ludwig-Thoma-Gymnasiums, keine Zweifel. Er vermisst jedoch eine angemessene Berücksichtigung der schulischen Interessen in der Diskussion.

Von Anfang an in der Pflicht

„Wir waren eine der ersten Landkreis-Turnhallen, die für ukrainische Flüchtlinge gesperrt wurden. Dann kamen peu à peu weitere Turnhallen hinzu, etwa in Bruckmühl oder Wasserburg. Doch die einzige noch gesperrte Halle ist unsere“, fasst Andreas Schaller die aktuelle Lage zusammen.

Der schulische Betrieb ist gestört

Das Ludwig-Thoma-Gymnasium hat rund 900 Schüler. Entsprechend führt die Sperrung der Turnhalle zu einer Vielzahl von Problemen. „Der Sportunterricht kann nur im Notstand bestritten werden. In der 11. und 12. Klasse ist alles, was absolviert wird, mitunter schon Abitur-relevant. Da habe ich nun Schüler, die sehr gut in Badminton sind und dies als Prüfungsfach angemeldet haben und sich gute Noten erhofften. Doch jetzt haben wir keine Halle, in der man Badminton spielen kann. Diese Schüler mussten nun eine andere Sportart wählen, die ihnen nicht gleichermaßen zusagt und womöglich schlechtere Noten nach sich zieht“, beschreibt der Schulleiter einen der unangenehmen Nebeneffekte.

Immer wieder vertröstet

Besonders stört sich Schaller an der Kommunikation zwischen dem Kostenaufwand-Träger, also dem Landratsamt, und der Schulleitung. Im Sommer sei ihm mehrmals vonseiten des Landratsamts signalisiert worden, dass alle Flüchtlinge aus der Halle in die ehemalige Frauenklinik in Prien umgesiedelt werden sollen. Zunächst habe es geheißen, dass die Belegung zum Ende des Schuljahres vorbei sei, dann zum Ende der Ferien, dann zu Beginn des September. „Das wurde aber alles nichts“, so Schaller. Und nun habe er sogar gehört, dass man sich perspektivisch noch auf unbestimmte Zeit mit der Situation abfinden müsse.

Flüchtlinge müssten selbst Wohnraum suchen und anmieten

Denn ukrainische Flüchtlinge unterliegen seit dem 1. Juni einem Rechtskreiswechsel in das Sozialgesetzbuch II (Hartz IV) und erhalten damit Hilfen zur Sicherung ihres Lebensunterhalts und andere Leistungen. Ukrainische Flüchtlinge haben damit die gleichen Rechte und Pflichten wie vergleichbare deutsche Familien, die Leistungen nach dem SGB II beziehen.

Als Konsequenz führt dieser Rechtskreiswechsel dazu, dass sich ukrainische Flüchtlinge selbst Wohnraum suchen müssen und das Landratsamt als Staatsbehörde keine Wohnungen mehr für sie anmieten kann.

Angespannter Wohnungsmarkt ist nicht förderlich

Angesichts des angespannten Wohnungsmarkts in unserer Region und auch aufgrund der Verständigungsprobleme, die ukrainische Flüchtlinge mitunter haben, sieht Andreas Schaller die Chancen für eine eigenständige Umsiedelung als gering an.

Bürger haben Unglaubliches geleistet

Landrat Otto Lederer (CSU), mit dem Andreas Schaller auch persönlich gesprochen hat, erkennt das Engagement der Bevölkerung: „Die Bürgerinnen und Bürger in der Region haben hier Unglaubliches geleistet und tun es immer noch.“ Die Turnhalle des Gymnasiums in Prien sei aufgrund der ebenerdigen und behindertengerechten Bauweise sowie des direkt anschließenden Parkplatzes besonders zur Unterbringung geeignet.

Auch für die Flüchtlinge ist die Situation schwierig

Weiter zeigt und bittet Otto Lederer um Verständnis: „Natürlich verstehe ich, dass die Schule und die Sportvereine die Turnhalle möglichst zeitnah wieder selber nutzen möchten. Und sie können mir glauben, auch die Menschen, die aktuell in der Halle untergebracht sind, wären lieber in ihren eigenen vier Wänden.“

Ehemalige Frauenklinik Prien wird Teil der Lösung

Seit Beginn des Krieges würde der Landkreis alles in seiner Macht Stehende versuchen, Angebote für Wohnraum seien aber sehr rar. Es sei jedoch mittlerweile gelungen, „die Räumlichkeiten der ehemaligen Frauenklinik in Prien anzumieten“. Die ersten Flüchtlinge aus der Ukraine wären bereits aus der Turnhalle in Prien in die ehemalige Klinik umgezogen. Aktuell befänden sich noch etwa 60 Flüchtlinge in der Halle.

Auch Landrat Otto Lederer kann keine zeitliche Perspektive geben

Landrat Otto Lederer (CSU) bittet um Verständnis. Ein Ende der Belegung der Priener LTG-Turnhalle könne auch er nicht nennen.
Landrat Otto Lederer (CSU) bittet um Verständnis. Ein Ende der Belegung der Priener LTG-Turnhalle könne auch er nicht nennen. © Foto Berger;Anita Berger

„Wir können keinen zeitlichen Ausblick geben, wann die Turnhalle in Prien wieder freigegeben werden kann, aber wir bemühen uns nach Kräften um Alternativen“, so Otto Lederer. Schließlich wisse niemand, „wie sich der Krieg in der Ukraine weiterentwickelt, wann und ob die Menschen in ihre Heimat zurückkehren können oder ob weitere Menschen aus der Ukraine zu uns flüchten“.

„Nein, es läuft nicht“

All das versteht und unterstützt LTG-Schulleiter Andreas Schaller, der in seiner Schule auch zwei Brückenklassen mit ukrainischen Kindern und Jugendlichen unterrichtet, nach Kräften, betont aber: „Mir ist wichtig, dass nicht alle möglichen Leute, die damit zu tun haben, sagen ‚Es läuft ja eigentlich, lassen wir’s doch weiterlaufen‘. Nein, es läuft nicht. Ich habe jeden Tag Leute, die in mein Büro kommen und sich beschweren – völlig zurecht.“

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