Bürger zu Kiesabbau: "Macht's es kleiner und nicht nur in Seeon!"

Seeon-Seebruck - "Wollt ihr abbauen oder verhindern?" lautete die große Frage von Seiten der Bürger zum geplanten Kiesabbauprojekt im Gemeindegebiet? "Wir wollen steuern", war die klare Antwort, mit der sich viele Seeon-Seebrucker jedoch nicht abfinden wollten.
Der Seeoner Bürgertreff, er platzte aus allen Nähten. Nicht mal mehr Stehplätze waren zu ergattern. "Wir rechneten mit 60 interessierten Bürgern", begann Bürgermeister Bernd Ruth am Montagabend des 24. Septembers. Gekommen waren wohl knapp 150 Seeon-Seebrucker, die mehr über das geplante Kiesabbauvorhaben mittels sogenannter Konzentrationszonen, die einen kontrollieren Abbau in der Gemeinde Seeon-Seebruck sichern, erfahren wollten.
"Antrag auf Kiesabbau rechtlich legitimer Vorgang"
"Es wurde in letzter Zeit viel gemunkelt und gemauschelt, der Bürgermeister hätte Kontakte und würde hier etwas einfädeln wollen - das stimmt natürlich nicht", betonte Ruth explizit. Das erste Mal hochgekocht sei das Thema 2012, als die Gemeinde einem Antrag auf Kiesabbau kritisch gegenüber stand und diesen letztlich auch abgelehnt habe. "Freilich ist eine Kiesgrube ein Einschnitt in die Landschaft, der die Heimat verändert", räumte Ruht ein. "Aber wir müssen auch offen und ehrlich sein, dass Kies gebraucht wird - sowohl in der Region als auch zum weiteren Verkauf. Einen Antrag auf Kiesabbau zu stellen ist ein rechtlich legitimer Vorgang, den wir nun versuchen kontrolliert zu steuern."
Drei Anträge auf Kiesabbau liegen der Gemeinde laut Ruth aktuell vor, von denen einer genehmigt sei mit einer Größe von vier Hektar, einer aus dem Jahr 2012 in Staller 1 abgelehnt und einer aktuell beim Landratsamt liege.

Trotz der beruhigenden Worte des Bürgermeisters machte sich Skepsis breit. Vor allem die Größe der geplanten Abbauflächen scheint für viele unverständlich. "Warum brauchen wir diese Dimension von 70 Hektar Fläche, die die Landschaft verunstalten?" war die Frage, die einen Großteil der Anwesenden umtrieb. Den Berechnungen eines Bürgers zufolge läge der Bedarf für die Gemeinde umgerechnet auf die Köpfe der Einwohner lediglich bei 2,5 Hektar Fläche. Ruth erklärte, man müsse eine gewisse Größe ausweisen, weil jede Gemeinde, die Kiesabbau plant, isoliert betrachtet werde und man nicht in eine Veränderungssperre rutschen wolle. Pauschal könne man nicht sagen, wie viele Hektar nötig seien für den Flächennutzungsplan, "70 Hektar aber sind es definitiv nicht bei uns - und die Größe können wir auch noch reduzieren".
"Je größer ausgewiesen wird, umso größer wird der Bedarf. Macht's es kleiner und nicht nur in Seeon, sondern verteilt die Flächen beispielsweise auch in den übrigen Ortsteilen wie Truchtlaching", lautete der Vorschlag eines Bürgers.
Außerdem - würde der Regionalplan für die Region 18 Kiesabbau für Seeon-Seebruck nicht untersagen? Diese Frage hat der verantwortliche Abteilungsleiter für Bauen und Umwelt, Christian Nebl, auf chiemgau24.de bereits ausführlich beantwortet - wonach die Vorgaben des Regionalsplans in diesem Fall nicht ausreichen.
Verkehr, Feinstaub, Grundwasser - viele Sorgen von Seiten der Bürger
Ein Bürger befürchtete durch den zunehmenden Lkw-Verkehr der Kieslastwagen einen Verkehrskollaps: "Durch die Sperrung der maroden Alzbrücke in Seebruck sind die umliegenden Straßen eh schon strak frequentiert durch den Schwerlastverkehr - es schlängelt sich alles über Truchtlaching. Und dann kommt noch der Ausbau der Autobahn - ich sehe hier eine Überlastbarkeit unserer Straßen.
Eine weitere Frage einer besorgten Bürgerin bezog sich auf die Tiefe der Grabungen - könnten die unter Umständen das Grundwasser beeinträchtigen? Diese Befürchtung konnte jedoch schnell aus der Welt geräumt werden von den Verantwortlichen.
"Und was ist überhaupt mit der Feinstaubbelastung durch Diesel-Laster und Staub durch den Abbau?", wollte eine Bürgerin wissen. "Wie soll Seeon-Seebruck denn dann noch den Titel Luftkurort bekommen?" Auch die Rekultivierung nach Beendigung des Abbaus beschäftigte die Bürger: "Wird die Grube möglicherweise mit Bauschutt und Asbest wieder verfüllt?" Fragen wie diese blieben an dem Abend noch unbeantwortet, auch wenn Bürgermeister Ruth betonte, dass es zu keinen "Horror-Szenarien" kommen werde.

Daten und Fakten zu dem geplanten Kiesabbau-Projekt
Der hitzigen Diskussion, bei der so manche Emotion eines unmittelbar betroffenen Anwohners hochkochte, ging ein fachlicher Vortrag von Christian Nebl, Abteilungsleiter Bauen und Umwelt vom Landratsamt Traunstein voraus. Er erklärte den Bürgern in Form eines fachlichen Vortrags gemeinsam mit Ralf Schindlmayr vom Ingenieurbüro aquasoli Details zu dem geplanten Projekt.
- Nach Paragraph 35, Absatz vier des Baugesetzbuches gilt ein Kiesabbau als ein im Außenbereich priviligiertes Vorhaben. Es ist als unzulässig einzustufen, wenn das Vorhaben beispielsweise im Einzelfall unzumutbare Lärm- oder Staubemissionen hervorruft, Belange des Naturschutzes beeinträchtigt werden oder die Erschließung nicht gesichert ist. Explizit ermittelt werden müsste vorab der Bedarf, wenn der Abbau in den nächsten 25 Jahren laufen soll.
- Die Gemeinde Seeon-Seebruck möchte den Abbau durch sogenannte Konzentrationszonen steuern. Das funktioniert, indem die Gemeinde im Flächennutzungsplan Teilflächen ausweist, in denen Kiesabbau erfolgen soll und im Gegenzug erreicht, dass im gesamten übrigen Gebiet der Abbau unzulässig wird.
- Schindlmayr hat die Gemeinde in harte und weiche Tabuzonen eingeteilt. In diesen Bereichen darf der Abbau von Kies nicht genehmigt werden. Darunter fallen unter anderem Siedlungsbereiche, Gewässer, Straßen, Biotope, Naturschutz- und FFH-Gebiete oder Wälder. Anhand einer Karte wird ersichtlich, dass im südlichen Bereich Seeons kein Abbau an Kies möglich ist, ein Abbau im nord-östlichen Bereich jedoch durchaus rentabel wäre.
- Der empfohlene Abstand der Kiesgrube zu Wohngebieten liegt bei 150 bis 300 Metern. Ohne eine Ausweisung der Konzentrationszonen wäre Kiesabbau bereits bei geringen Abständen zu Wohngebieten zulässig, wenn die Vorgaben des Emissionsschutzes eingehalten werden.
- Damit der Kiesabbau verwirklicht werden kann, ist ein schlüssiges gesamträumliches Planungskonzept notwendig. Eine Ausweisung von Konzentrationszonen ist nur dann wirksam, wenn auf den verbleibenden Positivflächen dem Abbau ausreichend Platz geschaffen wird. Außerhalb der Positivflächen ist ein Abbau unzulässig.
- Die weiteren Schritte sind eine Änderung des Flächennutzungsplans der Gemeinde mit Behörden- und Öffentlichkeitsbeteiligung. Bürger und auch die Träger der öffentlichen Belange können Einwände erheben.

"Wir betrachten die Gemeinde nicht als Gegner. Unser oberstes Ziel ist es, die Gemeinde vor unkontrollierten Vorgängen zu schützen und die Anliegen der Bürger ernst zu nehmen", unterstrich Ruth abschließend. "Ich bin auch dafür, dass wir nicht wahllos Löcher graben in unserer Gegend, der Gemeinderat und ich agieren hier als Kämpfer. Unser Ziel ist es nun, die Größe der Kiesabbauflächen auf zwei bis acht Hektar zu reduzieren, das haben wir im Laufe des Diskussionsabends nun verstanden. Wir sind natürlich auf der Seite der Bürger, aber wir müssen uns auch an die rechtlichen Vorgaben halten."
Weiter geht es nun mit einer Überarbeitung der Pläne unter Einholung erneuter juristischer Beratung, wie Bürgermeister Ruth erläuterte. Insbesondere die drei bis dato festgelegten Konzentrationszonen wolle man nochmals überdenken. Dann sei in den kommenden Wochen eine zweite Infoveranstaltung für Bürger geplant.
mb