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„Geschäftsmodell Kokain-Verkauf“ - Zahlreiche Abnehmer aufgeflogen

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Von: Sascha Ludwig

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Wegen Handel mit Kokain und Cannabis steht jetzt ein Rosenheimer vor Gericht
Rosenheimer Dealer ab Montag (13. Juni) in Traunstein vor Gericht © Symbolbild/Montage dpa/pa

Kurz nach dem Prozess gegen einen 29-jährigen Biker aus Rohrdorf steht nun ein weiterer Angeklagter aus dem heimischen Rocker-Milieu vor dem Richter. Der 33-jährige Rosenheimer soll Kokain und Cannabis für die Hells Angels im großen Stil besorgt und auch weiterverkauft haben. Nun machte der Angeklagte vor Gericht seine ersten Angaben und es wurden auch umfangreiche Geschäfte über das Netz aufgedeckt.

Update, 16.05 Uhr - „Geschäftsmodell Kokain-Verkauf“ - Zahlreiche Abnehmer aufgeflogen

Auch bei der Verhaftung des Angeklagten war die Beamtin anwesend. Vor Gericht macht sie detaillierte Angaben zur Situation vor Ort. „Dort haben wir dann auch die Schusswaffe festgestellt; im Schrank hinter der Tür“, genauer in einer Schublade auf Brusthöhe erinnert sich die Polizistin. „Weil ich Waffen nicht mag, habe ich beim Auffinden dann gleich einen Kollegen geholt. Der hat die Waffe dann entspannt und gesichert“. Dem widerspricht der Angeklagte umgehend. Er habe die Gaspistole 2018 gekauft und zu diesem Zeitpunkt durchgeladen. Seither habe er die Waffe nicht mehr angefasst. In einem kleinen Nebenraum der Küche sei schließlich Kokain in kosumbereitem Zustand gefunden worden, erinnert sich die Polizistin weiter.

Auf die Wohnsituation im Haus angesprochen gibt der Angeklagte dann an, dass er sich die drei Etagen mit dem Vermieter aufteilte. Das Erdgeschoß mit Wohnzimmer und Küche habe man gemeinsam genutzt. Er selbst lebte im ersten Stock, der Vermieter bewohnte das Dachgeschoß.

Über einen Chat-Verlauf in einem der drei aufgefundenen Smartphones beim Angeklagten, kann die Beamtin schließlich auch die Verbindung zu den Hells Angels herstellen. Eine entsprechende Nachricht konnte auch in einem Telefon des Rohrdorfer Bikers entdeckt werden, der in der vergangenen Woche vor Gericht stand.

Gestrecktes Koks für die Kunden; guter Stoff für sich selbst?

„So wie ich den Angeklagten kennengelernt habe, hat er da einfach wirtschaftlich gedacht“, ergänzt die Beamtin zuletzt. Sie ist sich sicher, dass er das hoch-reine Kokain der Großlieferanten zusätzlich gestreckt habe. Diese Folgerung könne sie anhand eines Wirkstoff-Gutachtens und den jeweils angekauften Mengen im Vergleich mit den Daten aus mehreren „Schuldner-Listen“ treffen. So habe er teils deutlich mehr Kokain verkauft, als er ursprünglich über seine Lieferanten bezogen habe.

Rainer Gerth, Sachverständiger vom Inn-Salzach-Klinikum in Wasserburg, macht im Anschluss noch Angaben zum Angeklagten und dessen Drogen-Konsum. Und bestätigt dabei weitestgehend die Aussagen des 33-Jährigen. Seit 2019 sei der regelmäßige Kokain-Konsum ein steter Begleiter gewesen. Anfänglich noch „ein Gramm auf drei Tage verteilt“ steigerte sich der Konsum beim Angeklagten im Laufe der letzten Jahre bis auf „rund drei bis fünf Gramm täglich“; „ein wirklich exorbitanter Konsum“, so der Gutachter. Aus medizinischer Sicht gebe es dennoch keine Anhaltspunkte dafür, dass die Steuerungsfähigkeit des Angeklagten in der vergangenen Zeit beeinträchtigt gewesen wäre.

Aufgrund der Kokain-Abhängigkeit des Angeklagten legt der Sachverständige dem Gericht aber nahe, eine Unterbringung in einer Entziehungsklinik anzuordnen. Im Fall des 33-Jährigen müsse von einer hohen Wiederholungsgefahr ausgegangen und damit mit erneuter Straffälligkeit gerechnet werden; sofern keine Behandlung erfolgen sollte, schließt der Sachverständige.

Fortsetzung am Mittwoch; fällt dann schon das Urteil?

Nachdem die Kammer zahlreiche Protokolle, Berichte und weitere Gutachten offiziell in das Verfahren eigeführt hat, unterbricht die Vorsitzende die Hauptversammlung. Am Mittwoch (15. Juni) soll der Prozess fortgesetzt werden. Dann sollen auch schon die Plädoyers der Beteiligten gehalten werden. Ob dann auch schon ein Urteil ergehen wird, steht aktuell noch nicht fest. Chiemgau24 berichtet auch dann wieder aus dem Gerichtssaal.

Update, 13.34 Uhr - Umfangreiche Geschäfte über das Netz aufgedeckt

Nach einer kurzen Unterbrechung setzt die Vorsitzende Richterin die Hauptverhandlung weiter fort. „Mein Mandant hat mich gebeten, weitere Punkte einzuräumen“, gibt der Verteidiger zu Protokoll. Gemeint sind die Deals mit den beiden Verkäufern.

Diese gibt er vollumfänglich und wie in der Anklageschrift bereits ausgeführt zu. „Er will aber weiter keine Namen nennen“ und auch in puncto Waffe bleibt der Angeklagte bei seiner Aussage: Er habe die Gaspistole nie geführt, geschweige denn zum Schutz der Drogen angeschafft.

Neben Drogen auch eine Waffe im Internet angeboten?

Die nächste Nachfrage seitens der Kammer dreht sich um ein weiteres Angebot, das der Angeklagte über Telegram an seine Kunden gemacht hatte: So soll der 33-Jährige einige Zeit auch versucht haben, eine Schusswaffe der Marke „Glock“ zu verkaufen. „Da hat mich jemand aus Kalifornien angeschrieben, ob ich eine kaufen will“, antwortet der Angeklagte.

Er habe überlegt, zwei Pistolen zu kaufen; eine für sich selbst und eine zweite für 1900 Euro weiterzuverkaufen. Ein gleichlautendes Angebot habe es dann auch für geraume Zeit auf seinem Telegram Kanal gegeben. „Das wurde mir dann einfach zu blöd (…) Ich habe 2018 die Gaspistole gekauft und auch schon nicht gebraucht“, so der Angeklagte weiter. Zu einem Verkauf einer scharfen Waffe sei es also nie gekommen.

„Eines Tages als ich einen Bänderriss hatte und krank zu Hause war, waren mal ein paar-Rowdy-Jugendliche auf der Terrasse. (…) Danach habe ich mir die Waffe mit zehn Schuss Gaspatronen gekauft“, ergänzt der 33-Jährige, der sich nach eigenen Angaben nur gegen die aggressiven Jugendlichen geschützt wissen wollte. Er habe schlicht „voll vergessen“, dass die Waffe so lange Zeit „durchgeladen und vorgespannt“ in seinem Schlafzimmer gelegen habe.

Ermittler mit tiefen Einblicken in den Dealer-Alltag

Als nächstes macht ein Beamter vom Polizeipräsidium Oberbayern Süd eine Aussage vor Gericht. Der Sachbearbeiter leitet die Ermittlungen gegen die beiden Drogen-Lieferanten der Hells Angels; und somit auch des Angeklagten. Zunächst sei die Polizei im Rahmen aufwendiger Abhörmaßnahmen auf die Biker aufmerksam geworden; einer der Rocker habe schließlich den Angeklagten mit den beiden Händlern bekannt gemacht.

Der Ablauf der Deals sei dabei stets recht ähnlich abgelaufen: Nach einer diskreten Geldübergabe fand die Drogenübergabe dabei in der Regel immer ein paar Tage später statt. Man traf sich in einer Tiefgarage in Taufkirchen – und Kokain mit mittlerem, vierstelligen Wert wechselte regelmäßig den Besitzer.

Über die Festnahme des Angeklagten berichtet dann eine weitere Beamtin. Die Polizistin von der Kripo Rosenheim beschäftigte sich seit Sommer 2021 mit einem Telegram Kanal, auf dem Waffen und Drogen verkauft wurden. „Die Bilder von den Betäubungsmitteln waren im Netz so noch nicht zu finden. (…) Ein regionaler Bezug war darauf durchaus zu erkennen“, so die Polizistin.

Der Angeklagte konnte daraufhin recht schnell ausfindig gemacht werden; und weiter: „Wie er den Handel aufgezogen hat, deutet darauf hin, dass er mit Gewinn rausspazieren wollte.“

Update, 11.20 Uhr - Angeklagter macht Angaben vor Gericht

Am Montag (13. Juni) beginnt die Verhandlung gegen einen 33-jährigen Rosenheimer, der spätestens seit 2021 mit den Hells Angels Drogen-Geschäfte gemacht haben soll. Unter dem Vorsitz von Richterin Christina Braune trägt Staatsanwalt Filipov zunächst die Anklageschrift vor: So soll der Angeklagte nicht nur zu mehreren Gelegenheiten in der zweiten Jahreshälfte 2021 Kokain und Cannabis in nicht geringer Menge gekauft, sondern anschließend auch gewinnbringend weiterverkauft haben.

Für den Kauf von mindestens einem halben Kilo Cannabis und mehreren hundert Gramm Kokain soll der 33-Jährige dabei auf die Kontakte eines Bekannten bei den Rosenheimer Hells Angels zurückgegriffen haben. Der Verkauf der Drogen soll unter anderem über einen eigens dafür eingerichteten Telegram-Kanal namens „Apotheker Daddy“ erfolgt sein. Bei seiner Verhaftung Mitte Oktober 2021 fanden die Beamten in seiner Rosenheimer Wohnung eine geladene und schussbereite Gaspistole in unmittelbarer Nähe des Drogenlagers. Knapp 100 Gramm Kokain hatte der Angeklagte zu diesem Zeitpunkt bei sich.

Angeklagter räumt einen Teil ein; bestreitet aber vieles

Über seinen Verteidiger, Maximilian Hoh, lässt der Angeklagte dann eine Erklärung verlesen. Keine Angaben will er vor Gericht zu Abnehmern und auch der Bezugsquelle der Drogen machen. „Das waren nur Bekannte, die ich da eingefügt habe in den Channel“, ergänzt der Angeklagte etwas später. Der 33-Jährige gibt also zu, dass er den Telegram-Kanal betrieben und darüber Drogen verkauft hat. Zum vermeintlichen bewaffneten Handeltreiben lässt er sich über seinen Anwalt etwas detaillierter ein.

So habe er die Gaspistole nicht zum Schutz der Drogen beschafft und sie auch nie mit sich geführt. Er habe sein Kokain zum Eigenkonsum und die Mengen zum Verkauf dabei immer strikt getrennt: Rund 30 Prozent der Menge habe er für sich behalten, die restlichen 70 Prozent schließlich weiterverkauft. Die Suchtmittel zum Eigenbedarf habe er stets im ersten Stock seines Hauses im Schlafzimmer zusammen mit der Pistole gelagert. Im Erdgeschoss, in der Küche, sei das Kokain zum Verkauf deponiert gewesen; weit entfernt von der Waffe.

Zur Finanzierung der Sucht“ habe der 33-Jährige den Handel betrieben. „Rund 3 Gramm pro Tag“ und „ab und zu mal einen Joint“ habe er in der letzten Zeit konsumiert.

Keine Angabe zu den Lieferanten und dem Kontakt zu den Hells Angels

Auf Nachfrage von Christina Braune hinsichtlich seiner Lieferanten schweigt der Angeklagte weiter. Die Richterin führt aus, dass aus vergangenen Verhandlungen – unter anderem aus dem Prozess gegen den Hells Angel, der den Angeklagten nach eigenen Angaben mit den Lieferanten bekannt gemacht hatte – bereits zahlreiche Details der abgewickelten Drogendeals bekannt seien. Daraufhin bittet Rechtsanwalt Hoh um eine kurze Unterbrechung, um sich mit seinem Mandanten zu beraten.

Erstmeldung

Rosenheim/Traunstein - Im Laufe des vergangenen Jahres gelang Polizei und Staatsanwaltschaft ein großer Schlag gegen die organisierte Biker-Kriminalität in der Region Rosenheim: Neben dem Präsidenten des Charters konnten auch weitere Mitglieder der Vereinigung dingfest gemacht werden. In mehreren Prozessen wurden Member der Rocker-Gruppe sogar schon verurteilt.

Anfang Juni das bisher letzte Kapitel: Ein 29-Jähriger aus Rohrdorf wurde von der 7. Strafkammer am Traunsteiner Landgericht zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 4 Jahren und 6 Monaten verurteilt. Nach anfänglichem Dementi gestand der Biker im Laufe der Verhandlung, an zahlreichen Drogendeals und an einem Waffenkauf beteiligt gewesen zu sein. Nachdem er den Posten des sogenannten „Sergeant at Arms“ - zuständig für die Sicherheit und Disziplin im Club - übernommen hatte, machte er den heute 33-jährigen Angeklagten mit den Groß-Lieferanten der Hells Angels bekannt.

Ab Montag (13. Juni) steht nun auch der 33-jährige Rosenheimer vor Gericht. Er soll bereits spätestens seit dem Jahr 2021 mit Kokain und Cannabis gehandelt haben. Über einen eigenen Telegram-Kanal soll der Angeklagte die Drogen beworben und schließlich verkauft haben. Die Staatsanwaltschaft in Traunstein geht davon aus, dass dabei „nicht geringe Mengen“ der Betäubungsmittel in Rosenheim und Umgebung in Umlauf gebracht wurden. Bei seiner Festnahme fanden die Beamten schließlich noch eine schussbereite Gaspistole in direkter Nähe der Drogen.

Weitere Verhandlungen im Umfeld der kriminellen Biker

Bereits im März 2022 wurde der Anführer der Rosenheimer Hells Angels in Frankfurt wegen Zuhälterei und schwerer Zwangsprostitution schuldig gesprochen. Er muss für zehn Jahre und zwei Monate hinter Gitter. Der 36-Jährige hatte als Zuhälter drei Frauen zur Prostitution gezwungen. Von April 2019 bis Dezember 2020 brachte der Mann sie in verschiedenen Wohnungen und Hotels in Frankfurt und auch in der Region unter. Ihre Einnahmen mussten sie dabei fast vollständig abgeben. Auf Widerworte soll er mit Schlägen reagiert haben.

Noch offen ist dagegen, wann sich die Drogen-Lieferanten vor Gericht verantworten müssen. Auch sie konnten im Laufe der Ermittlungen im Biker-Milieu festgenommen werden. Während der Durchsuchungen konnten bei den beiden Großhändlern kiloweise Kokain, Ecstasy-Tabletten, Crystal Meth und Cannabis gefunden werden. Zudem stellten die Einsatzkräfte auch mehrere Waffen sicher.

Verhandlungsauftakt am Montag; Fortsetzung am Mittwoch

Der Prozess gegen den 33-jährigen Rosenheimer beginnt am Montag (13. Juni) um 9.15 Uhr - es sind insgesamt drei Verhandlungstage angesetzt. chiemgau24 berichtet aktuell und in Ausschnitten aus der Verhandlung.

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