Christoph R. kann Lachen kaum unterdrücken

Traunstein/Bad Reichenhall - Ein Video sollte das Verhalten des Angeklagten in betrunkenem Zustand zeigen. Dieses letzte Beweisstück im Prozess bringt den Angeklagten tatsächlich zum Lachen.
UPDATE 17.05 Uhr: Beweisaufnahme geschlossen - Christoph R. lacht
Maximilian B. kommt mit seinem i-Pad wieder in den Saal. 16 Leute von Gericht, Verteidigung, Staatsanwaltschaft und Nebenklage versammeln sich um ihn, schauen mit teils verstörten, teils belustigten Blicken das Video an: Christoph R. und seine Stubenkameraden nach jeweils fünf Bier und ein paar Schnäpsen, wenige Tage nach der Bluttat. Es wird gelacht, Blödsinn gemacht, dumme Sprüche am laufenden Band. Im Angeklagten kommen wohl Erinnerungen hoch, einen lauten Lacher kann er nur halbwegs unterdrücken.
Wird man daraus wirklich schlauer? Der Ex-Kamerad des Angeklagten war der letzte Zeuge, das Video ein letztes, mögliches Beweismaterial. Am Donnerstag steht der nächste Prozesstag an: Verlesung der Plädoyers von Staatsanwaltschaft und Verteidigung. Ob sie wohl schon geschrieben sind? Übermorgen wird man eine Ahnung davon haben, in welchem Strafrahmen sich Christoph R. bewegen wird. Ab 9 Uhr wird am Donnerstag die Verhandlung fortgesetzt.
UPDATE 16.05 Uhr: Richter lässt nicht locker, Ex-Kamerad bleibt stumm
Die letzten Puzzle-Stücke, die Christoph R. als Mörder überführen? In der Tatnacht wurden Schuhabdrücke in den Blutlachen der Opfer Alfons S. und Sarah F. hinterlassen. Genau jene Schuhe fand man später im Spind von Christoph R. - doch nun liegt auch ein DNA-Gutachten vor. Auf Schuhen und Schuhbändern finden sich jede Menge DNA-Spuren, auch die von Christoph R. Auch seine Jeans wurde unter die Lupe genommen. Die Gutachterin trägt einen Karton zum Richterpult: "Schuhe, Jeans... alles da drin!" Wenig überraschend: Auch auf der Jeans DNA-Spuren des Angeklagten, aber auch von Alfons S.
Wie wird sich der Ex-Kamerad Maximilian B. heute vor Gericht schlagen? Richter Klaus Weidmann erinnert ihn erneut daran, hier "nichts als die Wahrheit" zu sagen. Aber er fügt hinzu: "Ein Zeuge muss nichts sagen, wenn er sich damit selbst einer strafrechtlichen Verfolgung aussetzen würde." Nachdem seine erste Vernehmung als Zeuge sehr zäh lief, versucht es der Richter heute etwas behutsamer -vorerst. Aber es geht um die gleichen Fragen wie vergangene Woche: Hat der Angeklagte im Rauchereck der Kaserne seine Tat gestanden? Wer hat die Gespräche mitbekommen? Maximilian B. schüttelt den Kopf: "Ich weiß es nimmer." Der Richter ist keinen Schritt weiter: "Wen oder was wollen Sie eigentlich schützen?" Es wird nicht locker gelassen, doch Christoph R.s Verteidiger Baumgärtl schüttelt längst nur noch den Kopf - bis auch er sich nicht mehr zurückhalten kann: "In dem Gespräch ging's doch nicht darum, dass irgendein Bauern-Fußballverein gewonnen hat, sondern um einen Mord!" Der Zeuge wirft noch ein, dass er auf seinem i-Pad ein Video hat, gedreht wenige Tage nach der Tat: Christoph R. in besoffenem Zustand. Das Gericht wird neugierig, will das Video sehen und schickt den Zeugen zu seinem Auto, um es zu holen.
VORBERICHT:
WM-Mord-Prozess - was bisher geschah:
- Prozesstag 1: Sachverständige berichtet über Familie und Lebenslauf von Christoph R.
- Prozesstag 2: Rechtsmediziner beschreibt grausige Details der Messerattacken
- Prozesstag 3: Opfer Sarah F. schildert den Angriff auf sie
- Prozesstag 4: Frühere Kameraden mit Gedächtnislücken
- Prozesstag 5: Soldat erlebte Christoph R. aggressiv und unberechenbar
- Prozesstag 6: Heimbewohner und Ex-Freundin geben Einblick in Christophs Jugend
- Prozesstag 7: Sachverständige plädieren für Jugendstrafe
Den 28. April hielt sich das Gericht eigentlich nur als "Puffertag" frei, doch es stellte sich heraus: Noch gibt es Unklarheiten. Richter, Staatsanwälte und Verteidiger werden sich heute ab 14 Uhr nochmal explizit einen früheren Kameraden von Christoph R. vorknöpfen - er machte als Zeuge am vergangenen Dienstag eine äußerst unglückliche Figur.
Maximilian B. gab bei seiner ersten Vernehmung nach der Tat durch die Polizei an, dass Christoph R. am Tag nach dem WM-Mord im Rauchereck der Kaserne auspackte. Das wollte vergangene Woche natürlich auch noch einmal Richter Weidmann persönlich von ihm hören - doch der ehemalige Kamerad druckste herum, war sich nicht mehr sicher: "Ich bin gerade leicht überfordert." Wollte er Christoph R. etwa decken? Der Richter sprach von einer "Mauer des Schweigens", gab dem Zeugen eine Bedenkpause. Doch auch danach wollte Maximilian B. nicht herausrücken: "Ich weiß es nicht mehr, was wir da im Rauchereck geredet haben."
Genervt entließ ihn Richter Weidmann aus dem Zeugenstand, doch die Nebenklage pochte darauf, dass der Zeuge ein weiteres Mal geladen wird. Ob er seine Erinnerungslücken inzwischen wieder füllen konnte? Bereits vergangenen Dienstag wurde beraten, den Zeugen eventuell auch zu vereidigen - es wäre das erste Mal im Prozess um den WM-Mord von Bad Reichenhall. Auch wenn es inzwischen wohl klar ist, dass Christoph R. die Bluttaten begangen hat: Ein Geständnis vor seinen Kameraden wäre für das Gericht viel Wert.
Womöglich wird heute noch ein weiteres Indiz gegen den Tatverdächtigen zum Vorschein kommen: Der Sohlenabdruck der Schuhe von Christoph R. passte genau zu den Spuren in den Blutlachen seiner Opfer. Nun wurde auch eine DNA-Analyse dieser Schuhe angefordert. Es wäre ein weiteres Puzzlestück, das den Angeklagten überführen würde. Um 14 Uhr wird die Verhandlung fortgesetzt.
+++ Wir berichten wie immer aktuell von den Ereignissen im Gerichtssaal +++