Nach dem Amokalarm an der Berufsschule I in Traunstein: „Schüler von Schule verwiesen“

„Wir sind dabei, dass wir das aufarbeiten – und versuchen auch, dass wir jetzt wieder in eine Normalität reinkommen.“ Schulleiter Wolfang Kurfer von der staatlichen Berufsschule I in Traunstein blickt auf eine turbulente Woche zurück: Am Dienstag (28. Februar) waren auf dem Pausenhof Schüler mit Waffen beobachtet worden. Das hatte einen Großeinsatz der Polizei zur Folge. Auch die angrenzenden Schulen, wie die Fach- und Berufsoberschule (FOS/BOS) mussten Sicherheitsvorkehrungen treffen, wie die Schulleiterin Barbara Spöttl im Gespräch mit chiemgau24.de verrät. Wie gehen die Schulen jetzt mit der Situation um?
Traunstein – „Achtung, eine Durchsage, Gefahr im Schulhaus, bitte bringen Sie sich in einem Raum in Sicherheit, die Polizei wird gleich eintreffen, das ist keine Übung, bitte bewahren Sie Ruhe.“ Das sei, so die Rektorin der Fach- und Berufsoberschule Traunstein, Barbara Spöttl, die standardisierte Durchsage, wenn an der Schule eine Gefahrenlage vorliegt. Am Dienstag (28. Februar) waren sie und ihre Schüler allerdings nicht direkt betroffen. Hundert Meter entfernt, an der Berufsschule I, musste Rektor Wolfgang Kurfer wiederum zunächst mit dem Schlimmsten rechnen.
„Mehrere junge Personen mit waffenähnlichem Gegenstand“
„Es ist auf jeden Fall eine Stresssituation und man versucht einfach bestmöglich damit umzugehen, dass man alles berücksichtigt.“ Auf der anderen Seite, so Kurfer, wäre ja die Polizei da, die die Einsatzleitung hat. Angefangen hatte alles mit einer Beobachtung eines Lehrers der Berufsschule: „Gegen 10.30 Uhr meldeten Lehrkräfte der Berufsschule I in Traunstein, dass sie auf dem Gelände der Schule mehrere junge Personen gesehen hätten, die mit einem waffenähnlichen Gegenstand hantiert hatten und anschließend damit ins Schulgebäude gegangen waren“, hieß es dann auch in der Pressemitteilung der Polizei.
Schulgebäude werden abgeriegelt
„Es war schon beeindruckend: Die Schutzpolizei war da, die Bundespolizei, das SEK und zwei Hubschrauber, das war schon massiv“, schildert auch Barbara Spöttl ihre Eindrücke des Tages. Man hätte ja, so Spöttl weiter, auch zunächst nicht gewusst, ob sich die Waffenbesitzer im Schulhaus aufhielten oder auf dem Schulgelände. Und so musste auch die Fach- und Berufsoberschule abgeriegelt werden: „Ich habe dann eine Durchsage gemacht, das ist auch so vorgesehen, dass eine Gefahrenlage an der Berufsschule I vorhanden ist. Dass wir nicht betroffen sind aber aus Sicherheitsgründen darf niemand mehr das Schulhaus verlassen.“
Nach vorhandenem Gefahrenkonzept gehandelt
Die Schulleiterin Spöttl konnte in der Situation ruhig bleiben: „Wenn wir das jetzt im Haus gehabt hätten, dann wäre ich emotional anders eingebunden gewesen, als so, wo es weiter entfernt war.“ Betroffen waren vor allem alle im Gebäude der Berufsschule I befindlichen Personen. Auch hier wurde nach einem vorhandenen Gefahrenkonzept gehandelt, erklärt Schulleiter Kurfer: „Das aktuelle Vorgehen ist, dass bei uns im Haus ein Alarm ausgeht, und dann bleiben die Schüler und Lehrer in den Klassenräumen, die werden von innen versperrt, zeitgleich wird die Polizei alarmiert. Dann hat die weitere Leitung die Polizei in der Hand.“
Stärkere Vernetzung am Campus bei Gefahrenlage geplant
An der Fach- und Berufsoberschule haben alle Angestellten, so erklärt Barbara Spöttl, kleine Karten, auf denen ein Leitfaden zur Vorgehensweise bei Gefahrensituationen notiert ist: „Wir besprechen das ja zu jeder Anfangskonferenz, wie man sich da verhalten soll und die Lehrer haben Kärtchen wo diese Anweisungen drauf sind, die sind so groß, dass sie in ein Portemonnaie passen und dann kann man entsprechend nach diesem Ablauf alles durchspielen.“ Nach dem Amokalarm wollen die Schulen am Campus jetzt aber noch zusätzlich über eine stärkere Vernetzung bei einer Gefahrenlage nachdenken: „Sicherheitskonzept hat ja jeder sein eigenes, natürlich gibt es da generelle Vorgaben, aber die Kommunikation auf dem Campus, die wollen wir jetzt nochmal miteinander besprechen“, und so sei Rektor Kurfer auf sie und die Leitung der Realschule zugegangen und hätte das initiiert.

Krisenintervention wurde in Anspruch genommen
Wichtig ist während und nach einer solchen Extremsituation auch die psychologische Betreuung der betroffenen Schüler und Lehrer – auch wenn, wie im Fall des Amokalarms am Dienstag, letztlich körperlich niemand zu Schaden kommt: Und scheinbar gab es nach dem Schockerlebnis auch Bedarf, bestätigt Schulleiter Kurfer: „Es ist angenommen worden und da sind wir auch noch dran. Wir haben am Montag (6.März) das zusammen mit dem ganzen Kollegium nochmal aufgearbeitet und die Kollegen dafür sensibilisiert, auf was muss man aufpassen.“ Auffälligkeiten im Verhalten einzelner Schüler würden jetzt registriert um im Zweifelsfall mit dem Krieseninterventionsteam auf die Betroffenen zuzugehen und Hilfe anzubieten: „Das wird uns auch die nächsten Wochen noch beschäftigen.“
Neugier statt Panik an der BOS/FOS
Auch an der Fach- und Berufsoberschule sei man, so Spöttl, im Hinblick auf psychologische Hilfe gut aufgestellt: „Unser Kriseninterventionsteam stand bereit und hat auch geschaut, ob jemand Probleme hat oder jetzt eine Panik bekommt, aber das war dann nicht der Fall.“ Acht Lehrkräfte würden an der FOS/BOS immer wieder freiwillig an Coachings und Fortbildungen zu Krisenintervention teilnehmen. Die Schüler der FOS/BOS waren wohl, weil nicht direkt betroffen, aber eher neugierig am Tag des Polizeieinsatzes: „Natürlich haben die Schüler auf der Ostseite des Gebäudes immer wieder auf dieses Szenario geschaut, da kam ja dann auch das SEK, das ist natürlich interessant. Aber auf der West- und Südseite hat ganz normal Unterricht stattgefunden.“
„Die Schüler sind auch von der Schule verwiesen worden“
Die Folgen des schockierenden Einsatzes und die weitreichenden psychischen Auswirkungen bei dem ein oder anderen Mitschüler haben die Waffenbesitzer wahrscheinlich nicht bedacht. Sie müssen jetzt trotzdem die Konsequenzen tragen: „Wir haben im Laufe des Tages dann durch die Befragung der Polizei sowohl die Waffen gefunden als auch die Schüler identifiziert, die diese Waffen dabei gehabt haben.“ Es handelte sich, so Kurfer weiter, um sogenannte Softair-Pistolen. Beides, also Waffen wie Waffenbesitzer wurden zunächst von den Einsatzkräften mitgenommen: „Die Schüler sind auch von der Schule verwiesen worden, da wird aber noch nächste Woche entschieden. Man kann grundsätzlich bei Gefahr sofort von der Schule verweisen und alles weitere muss ein Disziplinarausschuss entscheiden. Über die rechtlichen Konsequenzen entscheidet dann die Polizei und die Staatsanwaltschaft.“
Nicht die erste Gefahrensituation an den Schulen
Beide Rektoren erzählen im Gespräch mit chiemgau24.de, dass sie einen solchen Fall leider nicht zum ersten Mal erlebt haben. Barbara Spöttl berichtet von einem Schüler in den 90er Jahren, der unter Verdacht stand, Waffen zu besitzen. Bei mehrfacher Durchsuchung durch die Polizei konnte dies aber nicht bestätigt werden. Mitschüler hatten die Polizei verständigt, da ihnen der Schüler verdächtig vorkam: „Er war ein Einzelgänger, also so typisches Täterprofil und er wurde beobachtet, wie er sich über Handy immer über irgendwelche kriegerischen Waffen austauscht und ganz zum Schluss kam raus, dass er immer über Star Wars mit jemandem kommuniziert hat.“
Amokalarm: Bleibt die Angst?
Auch bei einem Ereignis 2009, so berichtet Kurfer, der damals noch stellvertretender Direktor der Berufsschule war, konnte letztlich Entwarnung gegeben werden: „Da war ein Schüler mit einer Sturmhaube auf dem Gelände. Und das war eine Zeit, wo sehr sensibel damit umgegangen worden ist.“ Auch damals sei innerhalb kürzester Zeit die Polizei vor Ort gewesen. Schüren denn solche Vorfälle Ängste, dass sich irgendwann Zustände ähnlich wie an Schulen in den USA auch bei uns einstellen?: „Das möchte ich nicht ausschließen“, antwortet Wolfgang Kurfer. Das hänge aber auch davon ab, was die Leute erlebt haben: „Wenn wir an Freising denken, wo damals (2002) auch wirklich geschossen wurde, und Menschen verletzt und getötet wurden, ist das eine andere Situation als bei uns jetzt, wo man eine Gefahrenlage hat, aber niemand verletzt worden ist.“