1. chiemgau24-de
  2. Chiemgau
  3. Region Traunstein
  4. Traunstein

Versuchter Giftmord am Vater? Wie Ärzte und Polizei schon vor seinem Tod auf der Spur waren

Erstellt:

Von: Xaver Eichstädter

Kommentare

die Angeklagte, die 64-jährige Tochter des verstorbenen Kiefersfeldeners.
„Es zieht sich wie ein roter Faden durch, dass man Erste Hilfe beim Vater verhindern wollte“, sagte am Dienstag eine Ermittlerin der Kripo über die Angeklagte, die 64-jährige Tochter des verstorbenen Kiefersfeldeners. © xe

Der Vater war noch am Leben, da ging es bei den Kindern schon ums Geld - und die Ärzte wurden stutzig: Wollte man ihm Erste Hilfe verweigern? Wie früh die Polizei die Nachkommen des Kiefersfeldeners schon überwachte und sich der Verdacht gegen die Angeklagte mehr und mehr erhärtete...

Traunstein/Kiefersfelden - Am 16. November 2021 verstarb Max S. aus Kiefersfelden. Doch wie am Traunsteiner Landgericht am Dienstag (21. Februar) bekannt wurde, hegten seine Ärzte und Pfleger schon über zwei Wochen zuvor einen schlimmen Verdacht: „Will ihn da jemand über den Jordan bringen?“ - laut der Zeugenaussage einer Ermittlerin der Kripo sagte das eine Pflegerin des Kiefersfeldeners schon Wochen vor seinem Ableben.

Mit einer Blutvergiftung fingen die Zweifel an...

„Es zieht sich wie ein roter Faden durch, dass man Erste Hilfe beim Vater verhindern wollte“, berichtete die Kriminalpolizistin. Es war die Kombination aus zwei Faktoren, die die Ärzte Anfang November 2021 stutzig werden ließ: Eine Blutvergiftung beim damals 89-Jährigen, die von starken Schmerz- und Beruhigungsmitteln herrührte – obwohl die ihm gar nicht verschrieben wurden. Und dann sperrte sich unter anderem die angeklagte Tochter wohl auch immer wieder gegen eine Behandlung.

Den Vater († 89) vergiftet, um ans Erbe zu kommen? Kiefersfeldenerin ab heute vor Gericht
Den Vater († 89) vergiftet, um ans Erbe zu kommen? Kiefersfeldenerin steht wohl bis Ende März vorm Traunsteiner Landgericht - dann soll das Urteil fallen. Foto von der Festnahme am 1. April 2022 in Palma de Mallorca. © Miquel a Canellas

Schnell hatte die Polizei die vier Kinder im Visier. Unter anderem wurden die Telefone abgehört und das Haus des Kiefersfeldeners wurde durchsucht. Gefunden wurden dort die erwähnten, nicht verschriebenen Medikamente wie Morphin, Oxycodon oder Diazepam. Als wieder einmal der Streit um Sorgevollmachten und um die Frage entbrannte, ob der Vater ins Krankenhaus soll, rückte – zusätzlich zu Rettungssanitätern – auch die Polizei am Anwesen an.

Schon zu Vaters Lebzeiten entbrannte Streit um Vollmachten und Geld

Für die Ermittler kristallisierte sich schließlich die heute 64-jährige Tochter heraus. Nur sie ist angeklagt. Ab dem Frühjahr 2020 soll die Frau die Zügel in die Hand genommen haben. Kurz nach dem Tod der Mutter begannen die Auseinandersetzungen zwischen den Kindern um Patientenverfügungen des Vaters. Anwälte wurden eingeschaltet. „Und Ende 2020 verfügte die Angeklagte dann über alle Vollmachten ihres Vaters“, so die Kriminalpolizistin. Schon am Montag sagte eine Stiefschwester vor Gericht über die Angeklagte, sie hätte den Vater gut manipulieren können.

Die Geschwister waren eher für ein Seniorenheim, doch die Angeklagte entschied: der Vater bleibt zuhause. Laut Kripo habe sie bei ihm daheim sogar das Telefon ausgesteckt, um andere Geschwister von ihm fernzuhalten. Mit den Pflegediensten habe es immer wieder Streit gegeben. Von einem „Verschleiß“ der Pfleger habe ein Nachbar ihr berichtet, so die Ermittlerin der Kripo. Bis die 64-Jährige einen Pflegedienst fand, der sich auch nach eigenen Angaben mit der Medikamentengabe kaum auskannte – und so habe die Angeklagte dann auch dieses Thema unter ihre Kontrolle gebracht.

Angeklagte schrieb in SMS: „Fühle mich beschissen mit meiner Habgier“

730.000 Euro waren beim Vater auf der hohen Kante, habe die Angeklagte lange vor seinem Tod zusammengezählt. In einer SMS schrieb sie im Mai 2021: „Ich fühle mich so beschissen mit meiner Habgier. Ich habe mir gerade 371.000 Euro überwiesen.“ Zwar teilte sie das Geld mit den vier Geschwistern, doch fünf Monate später schrieb sie ihnen, der Vater wolle jetzt sein Geld zurück. „Da ging der Streit mit den Geschwistern richtig los“, so die Ermittlerin. Das Motiv der Tochter habe sich auf eine einfache Formel bringen lassen: Je kürzer die Pflegezeit, umso mehr Erbe bleibt übrig.

Bei der Festnahme in Palma „überrascht und aufgescheucht“

Am 14. Januar 2022, zwei Monate nach dem Tod des Kiefersfeldeners, hatte die Polizei dann genügend Material: ein EU-weiter Haftbefehl erging, am 1. April wurde die Frau in Palma de Mallorca, wo sie zeitweise wohnte, festgenommen. „Sie war überrascht und aufgescheucht“, berichtet eine weitere Kriminalpolizistin dem Landgericht von der Festnahme. Bereitwillig habe sie ausgesagt – wohl um unverdächtig zu wirken. Die Beamtin wurde trotzdem stutzig: „Sie fragte mich, ob es denn auch Mord wäre, wenn man jemandem mit Nussallergie versehentlich Nüsse gäbe.“

Zu Beginn des Prozesses versteckt sich die Angeklagte hinter einem großen Aktenordner vor der Öffentlichkeit und der Presse.
Zu Beginn des Prozesses versteckt sich die Angeklagte hinter einem großen Aktenordner vor der Öffentlichkeit und der Presse. © xe

In der Beschuldigtenvernehmung gab die Angeklagte an, nie ein gutes Verhältnis zum Vater gehabt zu haben. Er habe sie kaum gemocht, habe sie zurückgewiesen. Woher all die nichtverschriebenen Schmerzmittel bei ihm daheim stammten? Die 64-Jährige gab sich unwissend. Auch das Erbe habe sie eigentlich gar nicht gebraucht, und das Geld auch nicht hergenommen. Wie es um die Wahrheit wirklich steht, das sollen die kommenden Prozesstage zeigen. Zum Vorwurf „Versuchter Mord“ hat die Angeklagte bisher geschwiegen. Ein Mordversuch übrigens nur deshalb, weil bei der Obduktion keine sichere Todesursache festgestellt werden konnte. Die Verhandlung wird am 28. Februar in Traunstein fortgesetzt.

xe

Auch interessant

Kommentare