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Rechtsmedizinerin zu Brandwunden: „Noch viel Grausigeres gibt es nicht”

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Von: Christina Eisenberger

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Im Zimmer Nummer 13 ist der Brand ausgebrochen. Von dort haben sich die Flammen im ersten Stock ausgebreitet.
Foto einer Schautafel im Traunsteiner Landgericht: Im Zimmer Nummer 13 ist der Brand ausgebrochen. Von dort haben sich die Flammen im ersten Stock ausgebreitet. © xe

Er soll sein Opfer in einem Tuntenhauser Mehrparteienhaus mit Benzin übergossen und angezündet haben: Am Donnerstag (7. April), dem zweiten Prozesstag, muss sich der 41-jährige Angeklagte vor dem Landgericht verantworten. Hat er die Tat vorsätzlich begangen und den Tod von insgesamt 20 Menschen in Kauf genommen?

Update, 17 Uhr - Rechtsmedizinerin zu Brandwunden

Kurz zuvor wurde eines der Brandopfer vernommen. Zu sehen war die extra angefertigte Kompressionskleidung, die der Geschädigte mindestens ein Jahr, abgesehen vom Duschen, am ganzen Körper tragen muss. Die Rechtsmedizinerin der Universität München erklärt, dass das Brandopfer „selten schwere Verletzungen“ hatte, „die man bei Überlebenden selten sieht. Diese Verletzungen seien „extrem schmerzhaft“ und würden schwer abheilen. 

Der 40-Jährige wurde bei dem Feuer in dem Mehrparteienhaus in Tuntenhausen am schlimmsten von allen Beteiligten verletzt. „Die Ausdehnung der verbrannten Haut wurde auf etwa 60 Prozent geschätzt. Zu Beginn der Behandlung im Juni 2021 war nicht klar, ob er das überlebt. Es sind sehr lebensgefährliche Verletzungen, die auch Wochen danach zum Tod wegen einer Infektion führen können”, so die Sachverständige. 

Das Opfer musste erst einen Monat auf der Intensivstation der Spezialklinik in Murnau und danach auf der Normalstation behandelt werden. „Wenn das woanders passiert wäre, und nicht im Klinikum Murnau, kann man das nicht überleben“, so die Rechtsmedizinerin. 

„Noch viel Grausigeres gibt es auch aus rechtsmedizinischer Sicht nicht.“ Der Geschädigte werde wohl sein Leben lang mit den Narben der Hauttransplantationen und deren Auswirkungen, wie eingeschränkter Beweglichkeit, leben müssen. Dass er jemals wieder arbeiten kann, ist unwahrscheinlich. 

Der Prozess wird am Dienstag (12. April) fortgesetzt. An diesem Tag soll auch das Urteil fallen. 

Update, 16 Uhr - Landeskriminalamt zu Brandstiftung

Wie gefährlich war der Brand für die Bewohner des Mehrparteienhauses in Tuntenhausen? Diese Frage beantwortet der Sachverständige für Brände und Brandanalytik des Bayerischen Landeskriminalamts. 

Der Brandausbruch ist eindeutig im Zimmer Nummer 13. Alles, was brennbar war, ist verbrannt. Die Fenster sind draußen, die Rahmen weg. Nur noch die metallenen Bettgestelle waren da. Einen Schrank, einen Kühlschrank und eine Couch konnte man noch erahnen“, so der Sachverständige. 

Es sei mindestens zu einer meterhohen Stichflamme gekommen. „Wenn die brennbaren Gase weg sind, brennt das Feuer rund 30 Zentimeter hoch weiter. Das Zimmer gerät innerhalb von Minuten in Vollbrand“, so der Kriminalbeamte. Von da aus breitet sich das Feuer weiter über die Fenster und den Flur zum Treppenhauses aus. 

Das Treppenhaus war schnell verraucht und bot für den Eigentümer, der zum Zeitpunkt des Brandes noch in seiner Dachgeschosswohnung im Stock darüber war, keine Fluchtmöglichkeit. „Personen, die über das Treppenhaus fliehen müssen, müssen auch Rauchgase einatmen. Je nach Konzentration reichen wenige Atemzüge aus, dass man bewusstlos wird.“

Als Nächstes spricht die Sachverständige der Rechtsmedizin über die schweren Brandverletzungen der Opfer.

Update, 15 Uhr - Brandopfer von Tuntenhausen sagt aus

Ich habe den Angeklagten im Zimmer gesehen und gefragt, was er hier macht. Ich habe geglaubt, er hat das Zimmer verwechselt. Dann hat er das Feuerzeug entzündet. Es kam zur Explosion.“ Mit Kompressionsstrümpfen bekleidet, erzählt das Opfer, das sich auch in dem Zimmer befand, als der Brand ausbrach, über die folgenschwere Nacht im Juni in dem Wohngebäude in Tuntenhausen. Seinen Zimmergenossen soll der Angeklagte direkt mit Benzin übergossen und angezündet haben. Der Zeuge selbst ist durch eine Feuerexplosion verletzt worden. 

Eineinhalb Monate Klinikaufenthalt, sechsmal Wundbehandlung unter Narkose, Hauttransplantationen, Narben und Brandverletzungen auf 60 Prozent des Körpers: der linke Arm, der Bauch und Rücken sowie der Großteil der Beine. Das ist die traurige Bilanz für das Brandopfer. Seit der Tat ist der Mann arbeitsunfähig. „Wenn ich lange stehe, dann habe ich das Gefühl, da krabbeln Ameisen auf meiner Haut.“

Vorsitzender Richter Volker Ziegler: „Könnten Sie einen Grund angeben, warum er mit der brennenden Flüssigkeit im Raum stand?“ „Ich würde ihn das auch gern fragen“, erklärt das Brandopfer. „Wir waren Freunde und haben uns gut verstanden. Er hat die Flasche in meine Richtung geschmissen und dann angezündet. Ich weiß nicht, was mit ihm passiert ist, dass er das macht.“ 

„Möchte der Angeklagte noch etwas sagen?“, fragt der Vorsitzende Richter Ziegler. „Es tut mir leid, was ich gemacht habe. Ich habe nichts gegen ihn. Es tut mir leid, dass du so leidest“, so der 41-Jährige zu dem Opfer. „Mir tut es auch um ihn leid. Wir haben uns wirklich gut verstanden. Ich hätte auch tot sein können. Die Ärzte haben gesagt, es ist ein Wunder, dass ich überhaupt überlebt habe“, so der Geschädigte. 

Update, 13.15 Uhr - Jetzt sagt die Ehefrau des Tuntenhauser Brandstifters aus

Als am Donnerstagmorgen (7. April) seine Frau als erste Zeugin im Gericht auftaucht, ist der Blick des Angeklagten direkt auf sie gerichtet. Ihr Schwangerschaftsbauch ist deutlich unter ihrer Jacke zu sehen. Seit 17 Jahren kennen sich die beiden, erzählt die Zeugin über ihre Dolmetscherin. Zwei Kinder zogen die beiden gemeinsam auf.

Der Angeklagte soll im Juni 2021 in Tuntenhausen seinen Mitbewohner mit Benzin übergossen und angezündet haben. Das Mehrparteienhaus wurde durch die Flammen zu großen Teilen zerstört. Kurz vor seiner Tat telefonierte der Angeklagte noch mit seiner Ehefrau. Wusste sie, dass er zuvor zweieinhalb Liter Benzin an einer Tankstelle kaufte?

Die Ehefrau erklärt den Richtern unter Tränen die Beziehung zwischen der Familie und dem Mitbewohner, den ihr Mann angezündet haben soll. Das Brandopfer soll die Frau, die Tochter und den Angeklagten selbst immer wieder bedroht haben. Eine Woche vor der Tat provozierte der Mitbewohner wohl den Angeklagten erneut: „Ich schlitz dir in der Nacht deinen Hals auf!“, soll er laut der Ehefrau zu dem Angeklagten gesagt haben.

Bei ihrem Telefonat war der Angeklagte „sehr betrunken. Er hat gesagt, pass auf die Kinder auf, er liebt uns. Ich habe ihm noch gesagt, er soll den Konflikten aus dem Weg gehen.“ Die Ehefrau ist sich sicher: „Er wurde provoziert, sonst hätte er dies nicht gemacht.“

Die Ehefrau weiß scheinbar nichts von dem Benzinkauf des Angeklagten. „Das ist offensichtlich gelogen“, so der Staatsanwalt. Dieser ist sich aufgrund anderer Zeugenaussagen sicher: „Sie haben gewusst, dass der Angeklagte die zwei im Zimmer Nummer 13 umbringen will.“ Hat die Ehefrau also ihren Mann angerufen, um ihn zu stoppen? Das wird während ihrer Vernehmung nicht klar

Erstmeldung

Tuntenhausen/Traunstein - „Ich bring Euch um, ich fackel‘ Euch ab.“ Das soll der Angeklagte mehrfach gesagt haben, kurz bevor er einen Bewohner und den Boden des Zimmers mit Benzin übergossen und angezündet haben soll.

„Der Geschädigte erlitt erhebliche lebensgefährliche Verletzungen, Verbrennungen zweiten Grades auf 60 Prozent der Körperoberfläche“, hieß es vom Staatsanwalt am Prozessauftakt (5. April). Auch ein zweiter Mitbewohner erlitt schlimme Verbrennungen. Angeklagt ist der Mann wegen versuchten Mordes in 20 Fällen, schwerer Brandstiftung und gefährlicher Körperverletzung.

Sein Verteidiger Markus Frank verkündete: Der Angeklagte sei in jener Nacht betrunken gewesen und könne sich deswegen nicht mehr an den Vorfall erinnern. Der 41-jährige Angeklagte gehe aber davon aus, dass er das Zimmer in dem Haus in Brand gesteckt habe. „Er bedauert es zutiefst und er will seine Alkoholprobleme in den Griff bekommen”, so Verteidiger Frank.

Konkret geht es bei dem Prozess um einen Brand in den Morgenstunden des 20. Juni 2021 in Tuntenhausen. Zum Zeitpunkt der Tat befanden sich laut Staatsanwaltschaft 20 Personen teils schlafend in dem Gebäude. Die Flammen breiteten sich aus, das Gebäude wurde zu großen Teilen durch den Brand zerstört. Es entstand ein Schaden von rund 1,2 Millionen Euro.

Am ersten Prozesstag (5. April) sprach der Eigentümer des Gebäudes, der sich zum Zeitpunkt der Tat in dessen Dachgeschosswohnung in jenem Haus aufhielt. Der 69-jährige Rentner schilderte seine Flucht aus einem Dachfenster.

Außerdem zeigte ein Kripo-Beamter der Polizei Rosenheim dem Gericht Visualisierungen des durch die Flammen zerstörten Hauses und Videoaufnahmen einer Tankstelle. Zu sehen ist der Angeklagte, wie er an der Zapfsäule 2,5 Liter Benzin in eine Plastikflasche abfüllt. War die Tat also vorsätzlich? 

Der zweite von drei angesetzten Verhandlungstagen könnte weiter Klarheit bringen. Am Donnerstag (7. April) wird der Prozess vor dem Landgericht Traunstein um 8.30 Uhr fortgesetzt. Als Zeuge geladen ist auch das Opfer, das der Angeklagte mit Benzin übergossen und angezündet haben soll.

rosenheim24.de wird aktuell vom Prozess berichten.

ce

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