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Ein neues "Donnerloch" und viele alte Fragen

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Auch gut zwei Wochen nach der Entdeckung des bis zu acht Meter tiefen Donnerlochs in einem Waldstück südlich von Kienberg ist das Thema noch in aller Munde. Das bisher größte aufgefundene Donnerloch war nur rund zwei Meter tiefer
Auch gut zwei Wochen nach der Entdeckung des bis zu acht Meter tiefen Donnerlochs in einem Waldstück südlich von Kienberg ist das Thema noch in aller Munde. Das bisher größte aufgefundene Donnerloch war nur rund zwei Meter tiefer © mmü

Kienberg - Ende Oktober wurde ein neues Donnerloch bei Kienberg entdeckt. Geologen rätseln nun erneut über die Herkunft und es kursieren wieder alte Theorien.

Gut zwei Wochen ist es nun her, dass eine Schwammerlsucherin in einem Waldstück nahe dem Weiler Sonnau südlich von Kienberg, auf ein sechs bis acht Meter tiefes Loch gestoßen ist und Polizei und Feuerwehr auf den Plan rief.

Faszination Donnerlöcher bleibt ungebrochen

Nach wie vor ist die Gefahrenstelle mit rot-weißen Absperrbändern abgesichert. Aus dem an der Oberfläche einen Meter breiten Loch ragt ein langer Baumstamm und über dem sich nach unten weiter verbreiternden Erdschlund wurden behelfsmäßig ein paar morsche Äste gelegt. Auch wenn die sogenannten „Donnerlöcher“ seit Jahrhunderten rund um Kienberg bekannt sind und mittlerweile weit über 100 solcher Einbrüche dokumentiert sind, bleibt die Faszination ungebrochen.

Das liegt nicht nur an den überlieferten Mythen und Legenden, wonach die Erdlöcher sich bei heftigen Gewittern mit Blitz und Donner wie aus dem Nichts auftun, sondern auch an den Tatsachenberichten von Bürgern, deren Enten plötzlich vor den eigenen Augen in der Wiese verschwanden. Oder deren Bäume einfach ohne Vorwarnung umfielen.

"Magischer" Anziehungspunkt für (Hobby-)Forscher

Nicht nur Hobby-Geologen fühlen sich von dem neuen mysteriösen Donnerloch magisch angezogen, sondern auch Forscher des Chiemgau Impact Research Teams (CIRT) waren bereits dort, um erste wissenschaftliche Untersuchungen vorzunehmen. Begleitet wurden sie von einem Kamerateam des Bayerischen Fernsehens. In der jüngst ausgestrahlten BR-Sendung „Quer“ sah sich CIRT-Chef Professor Kord Ernstson nach einer vor Ort vorgenommenen geophysikalische Messung darin bestätigt, dass das „gewisse geologische Chaos“ auf einen „verheerenden Einschlag eines kosmischen Körpers vor 2500 Jahren im Chiemgau“ zurückzuführen ist. Der gewaltige Schock der Erdbebenwellen habe Teile des Nagelfluhgesteins verflüssigt und wie ein Sektkorken nach oben in die darüber liegende Lehmschicht gedrückt.

Fotos von der Fundstelle:

Auch Kienbergs Bürgermeister Hans Urbauer zeigte sich von dieser wissenschaftlichen Argumentation angetan. Weiter unten habe das Loch sogar eine Breite von bis zu sieben Metern, betonte Hans-Peter Matheisl vom CIRT-Team: „Wir hätten also bei den Messungen alle hineinstürzen können“. Ortsheimatpfleger Herbert Schiebl weiß, dass in der Vergangenheit schon Fuhrwerke von Landwirten und sogar Kinder in Donnerlöcher eingebrochen sind, die aber zum Glück nicht so tief gewesen seien.

Andere Geologen glauben hingegen nicht an den extraterrestrischen Ursprung und führen das Donnerloch-Phänomen auf Grundwasserausschwemmungen und -abbrüche in der Nagelfluhschicht zurück, auf der eine dicke Lehm- und Humusschicht liegt.

Lauter Hohlräume

Einig scheint man sich nur in einem zu sein, nämlich dass die Erde in der Region voller Hohlräume ist. Wenn der Druck von oben zu groß werde, „sackt der Boden nach“, so Dr. Robert Darga vom Naturkunde- und Mammut-Museum Siegsdorf. Er gehört zu jenen Wissenschaftlern, die mit der Chiemgau-Impakt-Theorie und dem damit verbundenen ellipsenartig geformten Streufeld eines kosmischen Körpers zwischen Burghausen, Altötting, Marktl und den Voralpenbergen südlich des Chiemsees mit über 80 Kraterstrukturen nichts anfangen können. Auch der vom CIRT als „größte Krater“ ausgemachte Grabenstätter Tüttensee ist für ihn nicht auf einen Kometen-, Asteroiden- oder Meteoriteneinschlag zurückzuführen. Vielmehr ist es ein eiszeitliches Toteisloch, das beim Rückzug der Gletscher am Ende der Würmeiszeit vor mehr als 10.000 Jahren entstanden sei.

Zu diesem Schluss kam 2010 auch der Chefgeologe des Landesamtes für Umwelt, Roland Eichhorn: „Unsere Radiokarbon-Datierungen zeigen, dass die Tüttensee-Vertiefung bereits seit Ende der Eiszeit existiert. Den Kelten fiel der Himmel also nicht auf den Kopf“.

Risiko-Minimierung für Häuslebauer

Dessen Amtskollege Dr. Andreas von Poschinger wollte sich am vergangenen Donnerstag ganz bewusst nicht über die „Genese der Donnerlöcher“ auslassen. Stattdessen tauschte er sich in Obing mit den Bürgermeistern der Verwaltungsgemeinschaft Obing, Pittenhart und Kienberg, Johann Thurner, Johann Spiel und Hans Urbauer über das Thema „Bebaubarkeit und allgemeine Gefährdung“ aus. Mit der Verwendung von „durchgehenden Bodenplatten oder ausgesteiften Kellerfundamenten“ könne man das Risiko bei Bauvorhaben in Gebieten mit hoher Donnerloch-Konzentration so gut wie ausschließen, so von Poschinger. Bisher seien im Bereich Kienberg keine Donnerlöcher in Siedlungen aufgetreten. Von Poschinger zufolge befänden sich „90 Prozent davon auf Äckern und fünf bis zehn Prozent in Wäldern“.

mmü

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