200 Jahre Gebrüder Grimm

Trostberg - Im Postsaal in Trostberg haben sich am Abend des 06.01.2013 zwei Erzählformen auf einzigartige Weise zusammengefunden: das Märchen und das Volkslied.
Annette Hartmann, Theaterpädagogin und Märchenerzählerin, die in Oberbrunn und Berlin wohnt, Johanna Hüttenhofer-Fußeder aus Kirchweidach, Gesang, der gebürtige Pallinger Stefan Fußeder und dem Münchner Arne Lorenz am Akkordeon, haben einen abwechslungsreichen, heiteren und traurigen, nachdenklichen und lustigen Abend gestaltet, um das 200-jährige Jubiläum der wohl bekanntesten Sammler von Geschichten zu begehen.
In Verbindung mit Volksliedern aus der Sammlung „Des Knaben Wunderhorn“, die von Clemens Brentano und Achim von Arnim etwa zur gleichen Zeit – also ebenfalls vor 200 Jahren – zusammengestellt wurden, wird deutlich, wie eng gesprochenes und gesungenes Wort miteinander verknüpft sind und gleichzeitig versuchen mit Erfahrungen wie Liebe und Tod, Glück und Unglück, Rache und Erlösung umzugehen. Annette Hartmann führt unmittelbar in die phantastische Welt der Märchen ein, wenn sie beschreibt, wie ihr eine „Alte“ – wie man sie aus der berühmten Ausgabe der „Grimms Märchen“ mit Zeichnungen des Jugendstilkünstlers Otto Ubbelohde kennt – auf der Siegertshöhe in Trostberg auf einer Bank sitzend das Programm für den Märchenabend einflüstert.
Um die unveränderlich menschlichen Themen „Liebe“ und „Tod“ soll es gehen und Annette Hartmann greift dabei auf eher unbekannte, aber nicht weniger eindringliche Märchen wie „Die Nixe im Teich“, „Die Alte im Wald“ oder „Die Kristallkugel“ zurück. Wie froh ist man, wenn bei all den Feuervogeln, Stürmen, Überfällen, Fluten und Riesen am Ende doch noch der Königssohn kommt, um das Mädchen zu retten – „…und sie lebten glücklich und zufrieden bis ans Ende ihrer Tage?“
Die unterschiedlichen Stimmungen der Märchen, die Gefühle, die entstehen, wenn man die Geschichten von Liebe und Tod hört, nehmen die Volkslieder aus der Sammlung „Des Knaben Wunderhorn“, zwischen die Märchen gesetzt und wunderbar interpretiert von Johanna Hüttenhofer- Fußeder und Stefan Fußeder, auf. Auch Instrumentalstücke von Stefan Fußeder und Arne Lorenz, darunter „Der Erlkönig“ von Franz Schubert, verschaffen den Zuhörern mit ihren Akkordeons phantastische Klangerlebnisse.
Das Volkslied aus „Des Knaben Wunderhorn“, „Es fiel ein Reif in der Frühlingsnacht“, beschreibt, von Johanna Hüttenhofer-Fußeder klar und eindringlich dargebracht, eine hoffnungslose Liebe, die durch äußere Umstände verhindert wird; „Du bist die Ruh“ (Text: Friedrich Rückert, Melodie: Franz Schubert) im Gegensatz dazu die Wonne der erfüllten Liebe und „Ich ging mit Lust“ (Text: „Des Knaben Wunderhorn“, Melodie: Gustav Mahler) die Sehnsucht nach dem geliebten Menschen. „Es ist ein Schnitter“ oder „Das Schnitterlied“ („Des Knaben Wunderhorn“; Musikbegleitung nach einem Satz von Johannes Brahms) und „Starke Einbildungskraft“ (Text: „Des Knaben Wunderhorn“, Melodie: Gustav Mahler) machen deutlich, wie eng Liebe, Leben und Tod miteinander verknüpft sind und wie schnell das eine in das andere umschlagen kann.
Doch nicht erst der „Brandner Kaspar“ überlistet den Tod, auch dem „listigen Schmied“ im Märchen „De Spielhansl“ der Grimms gelingt es durch geschicktes Einlösen seiner Wünsche mehr Lebenszeit zu gewinnen und sich schließlich ohne Mühe einen Platz im Himmel zu sichern. Bei allem Leiden, aller Gefahr und Spannung kommt nämlich auch die Komik an diesem Abend nicht zu kurz: Im Märchen „Die Lebenszeit“ gibt Gott Esel, Hund, Affe und Mensch je dreißig Jahre Lebenszeit. Doch der Esel muss schwer tragen, dem Hund fallen die Zähne aus und der Affe muss immer lustig sein. Sie erbitten achtzehn, zwölf und zehn Jahre Nachlass von ihrer Lebenszeit. Die bekommt der Mensch, der um mehr bittet. Deshalb muss er nun nach seinen 30 menschlichen Jahren die Lasten anderer tragen, dann wird er zahnlos und schließlich der Spott der Jüngeren. Der „Klugen Gretel“ wiederum gelingt es ihren eigenen Fehler zu vertuschen, indem sie ihren Hausherrn und seinen Gast gegeneinander ausspielt, was die gebannten Zuhörer im bis auf den letzten Platz besetzten Postsaal-Gewölbe hell auflachen lässt.
Der märchenhaft schöne Abend macht so deutlich, dass es bei den Grimms nicht nur um Prinzessinnen und Prinzen geht, um die schöne Moral der höheren Schicht, sondern, dass sie vor allem auch die Geschichten des „Volkes“ selbst erzählen wollten. Und so schließt auch Annette Hartmann den Abend mit einem Augenzwinkern: „Dass sie glücklich und zufrieden bis ans Ende ihrer Tage lebten, brauche ich weiter nicht zu erwähnen…“
Pressemitteilung Kulturamt der Stadt Trostberg