Corona-Schulschließungen: Kostet die Misere Kinder künftig Wohlstand? Experte zeigt heftige Langzeitfolgen auf

Welche finanziellen Folgen haben die Schulschließungen während der Corona-Pandemie für Kinder? Laut einem ifo-Bildungsforscher könnte es ihnen bares Geld kosten.
- Die weltweite Verbreitung des Coronavirus hat Schulen dazu gezwungen, dichtzumachen oder auf Distanzunterricht umzustellen.
- Die Folge: Kinder und Jugendliche investieren deutlich weniger Zeit in ihre Bildung - auch in Deutschland.
- Ludger Wößmann vom ifo-Institut ist sich sicher: Durch die Nachteile könnten die Betroffenen ein Leben lang spürbar weniger verdienen.
München - Seit Beginn der Corona-Pandemie* hat sich der Schulalltag extrem verändert - auf Kosten der Lernenden. Die Situation könnte die Betroffenen für immer begleiten: Bezogen auf das gesamte Berufsleben könnten sie durchschnittlich rund drei Prozent weniger verdienen. Damit rechnet zumindest Ludger Wößmann, Bildungsforscher am ifo-Institut.
Das Durchschnittsgehalt in Deutschland liegt in etwa bei rund 3.500 Euro im Monat. Sollte die von den Schulschließungen betroffene Generation tatsächlich rund drei Prozent weniger verdienen, wären das 105 Euro pro Monat weniger, 1.260 Euro pro Jahr, 50.400 Euro nach vierzig Berufsjahren.
Drei Prozent weniger Einkommen: ifo-Ökonom rechnet heftige finanzielle Corona-Folgen für Kinder aus
In seinem bereits im Juni 2020 veröffentlichten Aufsatz „Folgekosten ausbleibenden Lernens: Was wir über die Corona-bedingten Schulschließungen aus der Forschung lernen können“ beschreibt Ludger Wößmann, wie er zu seinem Fazit kommt. Der Experte schildert Studien, die einen Zusammenhang zwischen Bildung und Einkommen belegen. Neben spezifischen erlernten Kompetenzen spielt demnach auch die Ausbildungsdauer eine Rolle. „Grob gesagt geht jedes Schuljahr im Durchschnitt mit einem um rund 10 Prozent höheren Erwerbseinkommen einher“, heißt es konkret in Wößmanns Publikation.
Dass Bildung einen positiven Einfluss auf die Karriere hat, klingt plausibel. „Der starke Zusammenhang von Bildungsjahren und Einkommen ist wohl einer der robustesten Befunde der empirischen Wirtschaftsforschung überhaupt“, so Wößmann weiter.
Fraglich ist jedoch, ob die Erkenntnisse auch auf die aktuelle Situation angewandt werden können. Immerhin geht es nicht um einzelne Kinder, die aufgrund familiärer oder sonstiger Verhältnisse auf Bildung verzichten müssen, während andere Gleichaltrige Bildung erhalten. Die Corona-Pandemie* schränkt den Zugang zu Bildung für alle ein - sogar weltweit. Vielleicht könnte es gelingen, dass alle das Verpasste wieder aufholen. Nachteile sind in der Regel vor allen dann relevant, wenn andere Vorteile genießen.
Corona-Schulschließungen: Negative Auswirkungen vor allem für ohnehin benachteiligte Gruppen
Neben generellen Einbußen für alle vom Lockdown betroffenen Kinder und Jugendlichen spricht Wößmann in seinem Aufsatz jedoch auch Unterschiede zwischen einzelnen Gruppen an. „Es gibt deutliche Anzeichen dafür, dass Kinder aus benachteiligten Verhältnissen und lernschwache Schüler*innen mit der Phase des Zuhauselernens besonders schwer zurechtkommen. Aufgrund der sehr unterschiedlichen Belastung drohen die Schulschließungen zu einer großen Belastung für die Chancengleichheit in der Bildung zu werden und die Ungleichheit in unserer Gesellschaft zu vergrößern“, so der ifo-Bildungsforscher.
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Wößmann forderte anhand seiner Ergebnisse schon im Juni 2020 „effektives Lernen für alle Kinder und Jugendlichen ineinem Mix aus Distanz- und Präsenzunterricht“. Welche Auswirkungen die pandemiebedingten Schulschließungen auf die Chancengleichheit haben werden oder ob eine ganze Generation darunter ein Leben lang leiden wird, wird sich zeigen.
Um den aktuellen zweiten Lockdown effektiv zu beenden und auch Schulöffnungen wieder möglich zu machen, rufen Stimmen aus der Wissenschaft nach „Zero Covid“. Neben Massenimpfungen verspricht auch diese Strategie die Überwindung der Pandemie. (lb) *Merkur.de ist Teil des Ippen-Digital-Netzwerks