DDR-Postkarte kommt nach 44 Jahren an

Saarbrücken - Ein DDR-Oberschüler will 1969 bei einem Preisrätsel des Saarländischen Rundfunks mitmachen. Er schickt eine Postkarte, die erst nach 44 Jahren ankommt. Den Gewinn bekommt der Mann jetzt.
Nach sage und schreibe 44 Jahren hat eine Postkarte aus der DDR ihr Ziel im Westen erreicht - und eine Reise durch die deutsch-deutsche Geschichte hinter sich. Alles begann 1969: Günter Zettl, Oberschüler in Waren an der Müritz in der DDR, heute Mecklenburg-Vorpommern, hört über Mittelwelle die Europawelle Saar des Saarländischen Rundfunks (SR). Er will bei einem Preisrätsel der Kultsendung „Hallo Twen“ mitmachen. Schließlich geht es um das Lied „Painter Man“ seiner Lieblingsband The Creation. „Da hab' ich gedacht: Die Gruppe kennst Du auch.“ Zettl schickt eine Postkarte an den Saarländischen Rundfunk. Sie kommt erst 2013 in Saarbrücken an.
Die DDR-Staatssicherheit (Stasi) zog die Karte buchstäblich aus dem Verkehr. Günter Zettl sitzt damals vor seinem Röhrenradio und hofft, dass sein Name von „Hallo Twen“-Moderator Manfred Sexauer, der auch mit dem „Musikladen“ bekannt wurde, unter den Gewinnern ist. Vergeblich. Zettl denkt sich aber nichts dabei, denn bei so einem Preisrätsel machen schließlich viele Hörer mit.
Bei ihm geht es in den Folgejahren turbulent zu. Nach einer Ausbildung zum Kfz-Handwerker wird er Lehrer, aber weil er einer Volkskammerwahl fernbleibt, belegt man ihn mit einem Berufsverbot. 1983 geht er in die Bundesrepublik und arbeitet dort jahrelang im Verkaufsbereich einer Computerfirma, lebt außerdem mehrere Jahre in Spanien. Erst 2010 denkt er sich: „Jetzt macht Du's auch mal und guckst in Deine Akte rein.“
Seine Stasi-Akte offenbart eine Überraschung: eine Kopie seiner damaligen Postkarte. „Ich hatte das überhaupt nicht mehr auf dem Zeiger“, sagt Zettl, der inzwischen in Erlangen wohnt. Er ließ sich das Original aushändigen. „Dann habe ich sie 44 Jahre später dem Saarländischen Rundfunk zukommen lassen.“ Im SR wird gestaunt über die Karte mit Geschichte. Er veranstaltet eine „Sonderziehung“ für Zettl, obwohl es die Radiosendung seit 40 Jahren nicht mehr gibt.
Am 14. Januar, wenn die Europawelle Saar in der Völklinger Hütte ihren 50. Geburtstag feiert, wird der damalige DDR-Oberschüler auch dabei sein. „Wir laden die Familie ein“, sagt ein Sprecher des SR. Praktisch als „kleines Trostpflaster“. Und Günter Zettl kann sich doch noch auf die Platte freuen - wenn auch erst nach 44 Jahren. Überreicht werden soll sie von Moderator Manfred Sexauer. Noch länger als Zettls Karte brauchte übrigens kürzlich ein Brief aus Flensburg nach Großbritannien: 62 Jahre.
dpa