Wegen Kette mit Davidstern diskriminiert
„Packen Sie Ihren Stern ein“: Musiker Gil Ofarim offenbar Opfer von Antisemitismus in Leipziger Hotel
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Der Musiker Gil Ofarim ist nach eigenen Angaben Opfer eines antisemitischen Vorfalls im Leipziger „Westin Hotel“ geworden. Dort habe ihn ein Mitarbeiter aufgefordert, seine Kette mit einem Davidstern einzupacken, berichtete Ofarim in einem am Dienstag veröffentlichten Video bei Instagram. Dann dürfe er einchecken.
- Der Musiker Gil Ofarim soll in Leipzig antisemitisch im Hotel „The Westin Leipzig“ angegangen worden sein.
- Ofarim sei aufgefordert worden, seine Kette mit einem Davidstern wegzupacken.
- Der Vorfall hatte bestürzte Reaktionen zur Folge.
Leipzig - Zuvor sei am Hotelempfang wegen technischer Probleme eine lange Schlange entstanden. Ofarim sagte, er habe sich eingereiht - mit seiner Davidstern-Kette um den Hals. „Das steht mir zu. Mache ich schon mein Leben lang“, sagte Ofarim im Video. Immer wieder seien Personen vorgezogen worden. Als er nach 15 Minuten an der Reihe gewesen sei, habe er gefragt, was das solle. Der Hotelmitarbeiter habe ihm die Antwort gegeben: „Um die Schlange zu entzerren“, dabei habe Ofarim ja selbst darin gestanden.
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Dr. Schuster: "Die antisemitische Anfeindung gegen @GilOfarim ist erschreckend. So wie zu hoffen ist, dass das @westin personelle Konsequenzen zieht, hoffe ich ebenso, dass wir künftig auf Solidarität treffen, wenn wir angegriffen werden." #Antisemitismus pic.twitter.com/cMsyKd7SH6
— Zentralrat der Juden in Deutschland (@ZentralratJuden) October 5, 2021
Daraufhin habe „irgendeiner aus der Ecke“ gerufen, dass er seinen Stern einpacken solle. Auch der Hotel-Mitarbeiter habe gesagt: „Packen Sie Ihren Stern ein.“
Gil Ofarim offenbar Opfer von Antisemitismus: Das bedeutet der Davidstern
Der Davidstern ist eines der bekanntesten Symbole, die mit dem Judentum verbunden werden. Er besteht aus einem Hexagramm, das durch zwei ineinander verwobene gleichschenklige Dreiecke gebildet wird. Obwohl das Hexagramm als jüdisches Zeichen bereits im 7. Jahrhundert vor Christus vorkommt, schmückt der Davidstern erst seit dem Mittelalter Synagogen und seit 1948 die Flagge des Staates Israel. Während des Nationalsozialismus wurde der Davidstern den Juden als Stigma („Judenstern“) aufgezwungen.
Aussage „klar antisemitisch“
Olaf Hoppe, Sprecher der Leipziger Polizei, sagte, dass die mutmaßliche Aussage des Hotelangestellten für ihn „klar antisemitisch“ sei. Die Polizei werde Inhalte des Videos an die Staatsanwaltschaft weiterleiten, die eine strafrechtliche Relevanz prüfe. Je nach Ergebnis werde dann weiter ermittelt oder nicht. Wie Hoppe weiter erklärte, war die Polizei bei dem Vorfall nicht vor Ort. Mit Ofarim habe man bislang nicht gesprochen. Die Behörde kenne sein Video und habe es gesichert.
Ofarim selbst wollte sich zu dem Vorfall am Dienstag auf dpa-Anfrage zunächst nicht äußern. Sein Management teilte mit, dass er die Vorkommnisse in Leipzig erst einmal verdauen müsse und sichtlich schockiert sei. „Heute wäre der Geburtstag seines Vaters gewesen, deshalb möchte er zu diesem Thema auch erst einmal keine weiteren persönlichen Interviews geben“, hieß es. Der Tag sei generell schon schwer genug für ihn. Man bitte um Nachsicht und Verständnis.
Sprecher des Hotels zeigt sich besorgt
Ein Sprecher des „Westin Leipzig“ sagte, dass man besorgt über den Bericht sei und die Angelegenheit extrem ernst nehme. Das Unternehmen versuche, Ofarim zu kontaktieren, um herauszufinden, was passiert sei. Ziel sei es, alle Gäste und Mitarbeiter unabhängig von ihrer Religion einzubeziehen, zu respektieren und zu unterstützen.
Zahlreiche Nutzerinnen und Nutzer in den sozialen Medien zeigten sich schockiert. Der Vorsitzende des Zentralrats der Juden, Josef Schuster, schrieb in einem Statement beim Kurznachrichtendienst Twitter, dass die Anfeindung erschreckend sei. Es sei zu hoffen, dass das Hotel personelle Konsequenzen ziehe. Er hoffe ebenso, „dass wir künftig auf Solidarität treffen, wenn wir angegriffen werden.“ Der Pianist Igor Levit schrieb an das Hotel gerichtet: „Shame on you“.
MDR äußert sich
Der Mitteldeutsche Rundfunk (MDR) schrieb bei Twitter, dass Ofarim am Montagabend Gast einer Aufzeichnung im Auftrag des MDR gewesen sei. Was er anschließend aus dem Hotel schildere, sei zutiefst beschämend.
#GilOfarim war gestern Abend Gast einer Aufzeichnung im Auftrag des MDR. Was er anschließend aus einem Leipziger Hotel schildert, ist zutiefst beschämend. Wir verurteilen jegliche antisemitische Äußerung und fordern lückenlose Aufklärung und Konsequenzen.
— MDR Presse (@MDRpresse) October 5, 2021
Die Antidiskriminierungsstelle des Bundes sprach von einem „unfassbaren Fall von Antisemitismus“ und einem Verstoß gegen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG). „Eine rasche Antwort des Hotels ist überfällig. Aus unserer Sicht kann das nicht folgenlos bleiben“, schrieb die Bundesstelle auf Twitter.
Das ist ein unfassbarer Fall von Antisemitismus und in der Tat ein Verstoß gegen das AGG. Eine rasche Antwort des Hotels ist überfällig. Aus unserer Sicht kann das nicht folgenlos bleiben. @Westin #Antisemitismus https://t.co/h3viN0ZOrw
— Antidiskriminierung (@ADS_Bund) October 5, 2021
Musiker bekommt Solidarität
Die Vorsitzende des Förderkreises Denkmal für die ermordeten Juden Europas, Lea Rosh, sagte laut Mitteilung, dass dem Musiker die uneingeschränkte Solidarität des Vereins gelte. „Juden waren in Deutschland schon mal in Hotels unerwünscht. Das war 1933. Wir fordern eine lückenlose Aufklärung und personelle Konsequenzen.“
Auch sächsische Politikerinnen und Politiker äußerten sich. Sachsens Innenminister Roland Wöller (CDU) hofft darauf, dass der Musiker Anzeige erstattet, damit man den Vorgang polizeilich untersuchen könne. „Sachsen ist ein weltoffenes Land“, betonte Wöller.
Wirtschaftsminister wütend
Wirtschaftsminister Martin Dulig (SPD) schrieb bei Twitter, es mache ihn wütend, was Ofarim widerfahren sei. Er spreche für die übergroße Mehrheit der Menschen in Sachsen, wenn er sich stellvertretend für die antisemitische Demütigung entschuldige. «Wir haben noch viel zu tun in Sachsen!» Auch Umweltminister Wolfram Günther (Grüne) zeigte sich bei Twitter bestürzt. „Antisemitismus darf keinen Platz haben. Nicht offen, nicht verdeckt. Nicht in Sachsen, nicht in Deutschland, nirgendwo.“
Es ist inakzeptabel und macht mich wütend, was #GilOfarim in meinem Heimatland widerfahren ist. Ich spreche für die übergroße Mehrheit der Menschen in #sachsen, wenn ich mich stellvertretend für die antisemitische Demütigung entschuldige. Wir haben noch viel zu tun in Sachsen!
— Martin Dulig (@MartinDulig) October 5, 2021
Das Bündnis „Leipzig nimmt Platz“ kündigte für den Abend eine Solidaritätsversammlung vor dem Hotel an.
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dpa/red