Britisches Gesundheits-System weit hinten
London - In Großbritannien ist die Gesundheitsversorgung für alle Bürger kostenlos - und in westlichen Breiten eine der schlechtesten, wie eine Vergleichs-Studie ergeben hat.
Großbritannien ist stolz auf sein staatliches Gesundheitssystem NHS. Doch eine internationale Studie zeigt: Bei der Behandlung schwerer Krankheiten schneidet das Land erschreckend schlecht ab.
So kam das Land bei der Bekämpfung von Brustkrebs und schweren Atemwegserkrankungen sowie bei der Versorgung von früh geborenen Babys nur auf Platz 18 von 19 verglichenen westlichen Ländern. Dies geht aus einer am Dienstag in der Fachzeitschrift „Lancet“ veröffentlichten Studie hervor.
„Es ist unglaublich überraschend“, erklärte Christopher Murray, Chefautor der Studie und Gesundheitsstatistiker an der University of Washington in Seattle. „Wir nehmen alle an, dass Großbritannien ein tolles Gesundheitssystem hat und mit die besten medizinischen Forschungseinrichtungen der Welt. Niemand hätte angenommen, dass Großbritannien so weit unten rangiert.“
"Erschreckender Befund"
Die Forscher verglichen die britischen Krankheits- und Todesraten der Jahre 1990 bis 2010 mit jenen aus 15 anderen Westeuropäischen Ländern sowie Australien, Kanada und den USA. Die Wissenschaftler nannten den britischen Befund erschreckend. Großbritannien kümmere sich zu wenig um Gesundheitsrisiken wie hohen Blutdruck, Übergewicht und Alkohol- und Drogenmissbrauch.
Großbritannien liegt demnach von 19 Ländern auf Platz zwölf, wenn es um die „gesunde“ Lebenserwartung geht - also um die Lebensjahre ohne größere Gesundheitsprobleme. Dabei kommen die Briten auf 68,6 Jahre. Ganz vor liegt Spanien mit 70,9 Jahren, ganz hinten Finnland mit 67,3 Jahren.
Mutter-Kind-Versorgung auf Platz 18
Während die Briten bei der Versorgung von Atemwegsinfektionen, Brustkrebs und Frühchen auf dem vorletzten Platz rangierten, hat zum Beispiel Italien die niedrigste Rate von Todesfällen durch Atemwegserkrankungen. Bei der Versorgung von Geburtskomplikationen liegt Norwegen ganz vorn. Schweden hat die niedrigste Todesrate bei Brustkrebs.
Die Sterblichkeitsrate bei Erwachsenen von 20 bis 54 Jahren hat sich zwar der Studie zufolge in dem fraglichen Zeitraum kaum verändert. Doch wuchs zum Beispiel die Zahl der Patienten mit Leberzirrhose, die oft in Zusammenhang mit Alkoholmissbrauch auftritt, binnen 20 Jahren um 65 Prozent.
Zivilisationskrankheiten häufigste Todesursache
Wie in den meisten westlichen Ländern sind die wichtigsten Todesursachen Herzkrankheiten, Schlaganfälle und Krebs. In Großbritannien waren die Todesraten bei diesen Krankheiten allerdings höher als in anderen entwickelten Ländern. Der britische Gesundheitsexperte Edmund Jessop nannte den Rückstand gegenüber Ländern mit gleichem Einkommens- und Sozialstandard besorgniserregend. Allerdings schneide das Land bei einigen Punkten auch gut ab, zum Beispiel beim Kampf gegen das Rauchen und bei der Verkehrssicherheit.
Der National Health Service in Großbritannien war 1948 mit dem Anspruch gegründet worden, allen Bürgern umfassende Gesundheitsversorgung zu bieten. Das Besondere ist die Finanzierung aus Steuergeldern. Kritisiert wird oft, dass Patienten lange auf Arzttermine und Krankenhausbehandlungen warten müssen und dann schnell wieder entlassen werden.
AP