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Tabu-Krankheit Endometriose

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Am Modell zeigt Gynäkologin Dr. Barbara de Oriol die Lage der Gebärmutter (Symbolbild). Bei Endometriose kann sich an den Eierstöcken eine Schokoladen-Zyste bilden, wie auf dem Ultraschallbild auf dem Monitor zu sehen.
Am Modell zeigt Gynäkologin Dr. Barbara de Oriol die Lage der Gebärmutter (Symbolbild). Bei Endometriose kann sich an den Eierstöcken eine Schokoladen-Zyste bilden, wie auf dem Ultraschallbild auf dem Monitor zu sehen. © Kurzendörfer

Schmerzen während der Monatsblutung sind für die meisten Frauen normal. Sind diese sehr heftig, kann Endometriose die Ursache sein: ein häufiges Frauenleiden, das aber oft unerkannt bleibt. Denn selbst Frauenärzte tun sich mit der Diagnose schwer.

Irgendwann hielt es Sylvia Groß (Name geändert) nicht mehr aus. Die Schmerzen waren unerträglich. In ihrem Unterleib verkrampfte sich alles. Sie krümmte sich vor Schmerz, konnte sich kaum aufrichten. „Ich spürte richtig, wie es da drin arbeitet“, erzählt die 30-Jährige. „Das war ein Höllenschmerz.“ Noch in der Nacht fuhr sie ihr Freund nach München, ins Klinikum rechts der Isar.

Fünf Jahre ist das jetzt her. Heute ist Sylvia Groß wieder in der Ambulanz der Frauenklinik – zur Kontrolle. Das Leiden, das sie damals in die Notaufnahme brachte, ist chronisch – und alles andere als selten: Sylvia Groß hat Endometriose; wie hierzulande mehr als jede zehnte Frau im gebärfähigen Alter, schätzen Experten. Genaue Zahlen gibt es nicht. Das liegt einerseits daran, dass Endometriose nur bei etwa vierzig Prozent der Betroffenen zu Beschwerden führt, die behandelt werden sollten. Zudem sind die Symptome oft so unspezifisch, dass sie selbst Frauenärzte in die Irre führen können.

Endometriose wird bei vielen Frauen erst spät erkannt

„Viele Patientinnen waren schon bei drei oder vier Ärzten, ehe sie zu uns kommen“, sagt Dr. Barbara de Oriol, Leiterin des Endometriose-Zentrums des Klinikums rechts der Isar. Schuld an den vielfältigen Beschwerden ist die Natur der Endometriose: Benannt ist sie nach dem Endometrium, der stark durchbluteten Schleimhaut, die in der Gebärmutter wächst und bei der monatlichen Blutung abgestoßen wird. Bei Endometriose wachsen Endometrium-Zellen aber nicht nur in dort. Sie haben sich auch anderswo eingenistet. Möglich ist das fast überall im kleinen Becken. Kommt es zu Beschwerden, können die – je nach Lage und Größe der Herde – daher sehr verschieden sein. Sogar ein unerfüllter Kinderwunsch kann darin seinen Ursprung haben: Endometriose kann zu Verwachsungen des Eileiters führen.

Bei Sylvia hatten die Beschwerden nicht erst in jener Dezembernacht vor fünf Jahren begonnen. Sie hatte schon länger Probleme, war mehrmals bei Frauenärzten gewesen. Doch keiner fand eine Ursache, bei der Ultraschalluntersuchung war nichts Auffälliges zu erkennen. „Alles in Ordnung“, hieß es jedes Mal. Und Sylvia Groß, selbst Krankenschwester, hatte das Gefühl, dass man sie für hypochondrisch hielt, ihr medizinisches Wissen belächelte.

Am schlimmsten waren die Schmerzen während der Monatsblutung. Denn nicht nur die Schleimhaut in der Gebärmutter – auch Endometrioseherde folgen dem hormonellen Zyklus: Schleimhaut wird erst aufgebaut, später mit der Periodenblutung abgestoßen. „Da half kein Schmerzmittel“, sagt Sylvia Groß. Dabei dauerte ihre Monatsblutung immer länger, zuletzt oft zehn bis vierzehn Tage. „Kaum war sie vorbei, bekam ich die nächste“, sagt die junge Frau.

Auf die Idee, dass eine Endometriose dahinterstecken könnte, kam sie schließlich selbst: Sylvia Groß ist Krankenschwester, war lange Jahre in der Gynäkologie eingesetzt. Dort hörte sie auch zum ersten Mal von dem Frauenleiden – und wusste sofort: das muss es sein! Viele Patientinnen, die ins Klinikum kommen, würden bei einer Recherche im Internet auf Endometriose als mögliche Ursache ihrer Beschwerden stoßen, sagt de Oriol. Sylvia Groß schaffte es nicht mehr bis zum Termin in der Klinik. Die Schmerzen wurden plötzlich so unerträglich, dass sie nicht mehr warten konnte.

Im Klinikum rechts der Isar war rasch klar: Eine Ursache für die heftigen Schmerzen war eine Zyste, die sich am Eierstock gebildet hatte. Sie hatte einen Durchmesser von etwa sieben Zentimetern und war prall gefüllt mit einer bräunlichen Masse: altes Blut, das während der Monatsblutung von Endometrium-Zellen abgegeben wurde. Wachsen die am falschen Ort, kann es meist nicht abfließen. Der Körper muss es nach und nach abbauen. Oft bilden sich aber auch Zysten. Das Blut wird dann in deren Inneres abgegeben. Wegen der braunen Farbe sprechen Mediziner auch von einer Schokoladenzyste – ein starkes Indiz für eine Endometriose.

Eine sichere Diagnose ist jedoch nur durch eine Bauchspiegelung (Laparoskopie) möglich, die unter Vollnarkose durchgeführt wird. Durch kleine Schnitte wird ein Endoskop mit einer kleinen Kamera an der Spitze eingeführt, um damit den Unterbauch auf Endometriose-Herde hin abzusuchen. Auch OP-Instrumente, mit denen sich diese entfernen oder veröden lassen, werden so eingeführt. Nicht selten ist dies ein größerer Eingriff.

Bei Sylvia Groß fand sich bei der Bauchspiegelung auch am Blasenrand ein Endometrioseherd. Er wurde, wie auch die Zyste, entfernt. „Es handelte sich bei Frau Groß um einen sehr ausgedehnten Befund“, sagt die Gynäkologin. „Dafür waren die Beschwerden sogar noch eher gering.“ Doch auch das sei nicht ungewöhnlich für die Endometriose: Mehr und größere Endometrioseherde bedeuten nicht immer mehr Beschwerden. Umgekehrt können auch kleine Herde zu heftigen Schmerzen führen.

Die Laparoskopie erlaubt es auch, die Durchlässigkeit der Eileiter zu prüfen, wenn ein unerfüllter Kinderwunsch besteht. Bei der Chromoperturbation wird eine blaugefärbte Flüssigkeit durch die Scheide in die Gebärmutter gespritzt. Die Endoskop-Kamera verrät dann, ob sie die Eileiter passiert. Haben sich darin mikroskopische Ablagerungen gebildet, reicht unter Umständen bereits der Spüleffekt, um den Eileiter wieder durchlässig zu machen. Verwachsungen versucht der Arzt zu entfernen.

Auch Sylvia Groß entschied sich für die Chromoperturbation. Schon ein Jahr lang hatte sie nicht verhütet, war aber nicht schwanger geworden. Doch sie war damals erst 25, die Zeit drängte nicht. Sie und ihr Partner hatten daher noch gar nicht darüber nachgedacht, dass ein Problem dahinterstecken könnte.

Nach der Bauchspiegelung folgte für Sylvia Groß aber zunächst eine Hormontherapie. „Ziel ist es, dass die Patientin ohne Periodenblutung bleibt“, erklärt de Oriol. Man versucht so, verbliebene Endometriosezellen möglichst „abzutrocknen“. Zum Einsatz kommt die Antibabypille, die hierfür ohne Pause eingenommen werden muss, zudem Gestagene und GnRH-Analoga. Letztere versetzen die Patientin künstlich in die Wechseljahre, vorübergehend. Das geht nicht selten mit den typischen Beschwerden einher, das Osteoporoserisiko steigt.

Auch Sylvia Groß war daher froh, als diese überstanden war. Sie hatte sich mit Hitzewallungen geplagt. Und: Sie wollte ein Kind. Nach einer künstlichen Befruchtung ging ihr Wunsch in Erfüllung: 2010 wurde sie Mutter einer kleinen Tochter.

Andrea Eppner

Von Hormontherapie bis Alternativmedizin

Leiden Frauen unter einer behandlungsbedürftigen Endometriose, ist es mit einer kurzen Therapie meist nicht getan. Denn Endometriose ist chronisch. Selbst wenn alle entdeckten Endometrioseherde und Zysten bei einer Bauchspiegelung (Artikel links) entfernt wurden, haben Betroffene danach oft nicht für immer Ruhe. Meist bleiben Endometrium- Zellen zurück, die sich wieder vermehren können. Darum rät man Frauen im Anschluss in der Regel zu einer Hormontherapie. Sie soll die Schleimhaut am falschen Ort, die aber auch auf Sexualhormone reagiert und auf- und abgebaut wird, eintrocknen. Dies soll den Effekt der Operation verstärken. Eingesetzt werden etwa kombinierte orale Kontrazeptiva im Langzyklus, also eine Antibabypille, die ohne Pause eingenommen wird. Infrage kommen auch Gestagene und GnRH-Analoga, die als Implantat oder Depotspritze verabreicht werden. Eine Hormontherapie ist aber keine dauerhafte Lösung, zumal sie viele Nebenwirkungen birgt. GnRH-Analoga erhöhen zum Beispiel das Osteoporoserisiko. In der Kombination mit einer Operation hat sie eine nachhaltigere Wirkung. Setzt man allein auf eine Hormontherapie, muss man damit rechnen, dass Beschwerden schneller wieder einsetzen.

Kinderwunsch

Auch bei einem unerfüllten Kinderwunsch ist es sinnvoll, alle Endometrioseherde operativ zu entfernen: Die Chance auf eine Schwangerschaft steigt dadurch. Nach dem Eingriff rät man zu einer Kurzzeit- Therapie mit GnRH-Analoga. Besteht kein Kinderwunsch, kommt in bestimmten Fällen auch eine Hormonspirale infrage. Nicht nur, wenn Schmerzen bereits chronisch geworden sind, rät Gynäkologin Dr. Barbara de Oriol auch oft zu alternativmedizinischen Verfahren als Ergänzung, etwa zur traditionellen chinesischen Medizin (TCM). Zumal auch Faktoren wie Stress und psychische Belastungen sich auf die Intensität der Beschwerden auswirken. Daher kann es auch helfen, Entspannungstechniken zu erlernen.

Wertvolle Tipps von anderen Betroffenen bekommen Patientinnen in Selbsthilfegruppen. Kontaktinfos und darüber hinaus viel Wissenswertes zu Endometriose finden sie etwa bei der Endometriose Vereinigung Deutschland e.V. unter www.endometriose- vereinigung.de (Tel. 03 41/3 06 53 04). Für Südbayern ist die Selbsthilfegruppe in München zuständig. Sie ist im Netz zu finden unter www.endometriose- selbsthilfegruppe- muenchen.de.

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