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Boris Palmer: Politikerkarriere steht auf dem Spiel

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Von: Niklas Noack

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Ist es das Ende des Politikers Boris Palmer? Der Tübinger Oberbürgermeister macht seine Zukunft von der Wiederwahl abhängig. Ulrike Baumgärtner (Grüne) und Sofie Geisel (SPD, FDP unterstützt) sind seine starken Konkurrentinnen.

Tübingen - Ordnung ist Boris Palmer wichtig. Deswegen ärgert es ihn über alle Maßen, wenn sich jemand nicht an seine Vorstellung des Zusammenlebens hält. So wie ein Radfahrer, der Palmer einst in der Ulmer Innenstadt beinahe touchiert haben soll. In den Augen des Politikers eine Frechheit, über die er sich bei Facebook ausließ. Dabei erwähnte Tübingens Oberbürgermeister, dass der Radfahrer schwarz gewesen sei.

Welche Rolle die Hautfarbe spiele, wollte daraufhin eine Facebook-Nutzerin wissen. Palmer antwortete: „Weil der Typ mit nacktem Oberkörper, Kopfhörer und einer unglaublichen Dreistigkeit um die Leute rumgekurvt ist. Das gehört sich für niemanden und für einen Asylbewerber schon dreimal nicht.“

OB-Wahl Tübingen: Boris Palmer will sich seine dritte Amtszeit als Oberbürgermeister sichern

Aufgrund der Hautfarbe den Rückschluss zu ziehen, es handle sich um einen Geflüchteten, ist nur eine von vielen rassistischen Äußerungen des Tübinger Oberbürgermeisters Palmer, der sich am Sonntag (23. Oktober) seine dritte Amtszeit sichern will. Es ist seine erste Wahl als unabhängiger Kandidat, weil seine Partei Bündnis 90/Die Grünen nichts mehr von ihm wissen will.

Die startete ein Parteiausschlussverfahren, nachdem Palmer mit einem weiteren Facebookpost das Fass zum Überlaufen gebracht hatte: In einem Beitrag über den ehemaligen deutschen Fußballnationalspieler Dennis Aogo verwendete der OB das N-Wort. Dennoch wurde der 50-Jährige nicht ausgeschlossen. Stattdessen einigte man sich darauf, dass Palmer seine Grünen-Mitgliedschaft bis 2023 ruhen lässt und bei der Wahl in Tübingen als unabhängiger Kandidat antreten wird.

Ulrike Baumgärtner (Grüne), Sofie Geisel (SPD) und Boris Palmer grenzen sich bei einer Podiumsdiskussion in Tübingen voneinander ab.
Ulrike Baumgärtner (Grüne, l.), Sofie Geisel (SPD, m.) und Boris Palmer grenzen sich bei einer Podiumsdiskussion in Tübingen voneinander ab. © Ulmer/IMAGO

Ulrike Baumgärtner und Sofie Geisel unterscheiden sich thematisch kaum von Boris Palmer

Weil der polarisierende Palmer gerne für Schlagzeilen sorgt, steht Tübingen im bundesweiten Rampenlicht, wenn die 69.000 Wahlberechtigten am Sonntag (23. Oktober) über ihren Oberbürgermeister für die kommenden acht Jahre entscheiden. Und es ist eine Wahl, bei der es weniger um Politik geht. Denn vom Programm her unterscheiden sich die Konkurrentinnen Ulrike Baumgärtner (Grüne) und Sofie Geisel (SPD, FDP unterstützt) kaum vom unabhängigen Kandidaten.

Bei allen dreien werden Klimaschutz und bezahlbares Wohnen großgeschrieben. Dennoch dürfte hier der Vorteil bei Palmer liegen, der in der Umsetzung dieser Themen einen exzellenten Ruf genießt. Beispielweise förderte er ein Klimaschutzprogramm, das es Tübingen ermöglichte, drei Viertel der für diesen Winter benötigten Energie selbst zu erzeugen.

Ulrike Baumgärtner: „Weniger Rambo, mehr wir“

Fraglich ist allerdings, inwiefern solche politischen Erfolge überhaupt eine Rolle spielen. Denn plakativ lässt sich der Tübinger Wahlkampf auf eine Frage zuspitzen: „Bist du für oder gegen Palmer?“ Die Grünen-Herausforderin Baumgärtner hat dies erkannt und grenzt sich vom Oberbürgermeister, der in den vergangenen Jahren mit provokanten Aussagen durch Deutschlands Talkshows tourte, bewusst ab.

„Weniger Rambo, mehr wir“, ist auf ihrem Wahlplakat zu lesen und - im Gegensatz zu Palmer - steht Baumgärtner für politische Korrektheit und Gendersternchen. Gerade deshalb ist sie vor allem bei der Grünen Jugend beliebt und könnte, auch weil sie stadtbekannt ist, Palmers größte Herausforderin sein. Baumgärtner ist Ortsvorsteherin des Tübinger Stadtteils Weilheim.

Sofie Geisel: „Mich nervt sein Alphatiergehabe“

Auch die SPD-Kandidatin Geisel inszeniert sich als Gegnerin Palmers. „Ich bin ein Gegenangebot zum Amtsinhaber“, sagte sie gegenüber dem Spiegel und machte deutlich: „Mich nervt sein Alphatiergehabe.“ Geisel ist Geschäftsführerin bei der DIHK Service GmbH und wuchs in einer sozialdemokratischen Familie auf: Ihr Vater war Landtagsabgeordneter in Baden-Württemberg und ihr Bruder Oberbürgermeister von Düsseldorf. Sie selbst trat bereits mit 16 Jahren in die Partei ein. In Tübingen will sie vor allem mehr Wohnungen bauen und für Barrierefreiheit sorgen.

Boris Palmer hat im Falle einer Niederlage sein Ende als Berufspolitiker angekündigt

Ob es Geisel und Baumgärtner mit Palmer aufnehmen können? Eine Chance haben die beiden Frauen sicherlich, allerdings vor allem deshalb, weil sich der unabhängige Kandidat nicht nur bundesweit, sondern auch in Tübingen Feinde gemacht hat. Vor diesen will er auf keinen Fall sein Gesicht verlieren. Denn neben seinem Faible, sich als Ordnungshüter aufzuspielen, ist Palmer vor allem sein Image wichtig.

Boris Palmer will seine Karriere als Politiker beenden, sollte er als OB in Tübingen nicht wiedergewählt werden.
Boris Palmer will seine Karriere als Politiker beenden, sollte er als OB in Tübingen nicht wiedergewählt werden. © Ulmer/IMAGO

Dazu passt sein geplanter Abgang: Wenn er die Wahl verlieren sollte, will Palmer wenigstens erhobenen Hauptes abtreten. Heißt: Sollte er im ersten Wahlgang keine 50 Prozent Mehrheit erreichen, tritt er zum zweiten erst gar nicht mehr an und beendet damit, mit viel Getöse, gleich seine gesamte Karriere als Berufspolitiker.

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