Erdogan am Donnerstagabend auch vor einer Eskalation. „Wir haben ihnen gesagt, seht, greift bloß unsere ‚Oruc Reis‘ nicht an. Solltet Ihr unsere ‚Oruc Reis‘ angreifen, werdet Ihr einen hohen Preis dafür bezahlen. Und heute haben sie ihre erste Antwort bekommen“, sagte Erdogan in Ankara. Das türkische Forschungsschiff „Oruc Reis“ hatte am Donnerstag begleitet von der Marine die Suche nach Erdgas südlich der griechischen Inseln Rhodos und Kastelorizo fortgesetzt.
In der griechischen Presse kursierten seit dem Morgen verschiedene Gerüchte über einen Vorfall. Einigen Berichten zufolge hatte es eine seitliche Kollision zwischen einer griechischen und einer türkischen Fregatte gegeben. Andere berichteten, eine griechische Fregatte habe eines der Begleitschiffe der „Oruc Reis“ seitlich touchiert. Aus Athen wurden die Gerüchte zunächst weder bestätigt noch dementiert. Nach Berichten des griechischen Staatsfernsehens fanden aber zudem umfangreiche Manöver griechischer und französischer Kriegsschiffe südlich von Kreta statt. Erdogan warf Athen Heimtücke vor, zeigte sich aber zugleich dialogbereit.
Die Außenminister der EU-Staaten beraten an diesem Freitagnachmittag in einer außerplanmäßigen Videokonferenz über mögliche Reaktionen im Erdgaskonflikt mit der Türkei. Auch über Sanktionen gegen Belarus wird gesprochen. Das Land befindet sich nach der mutmaßlich manipulierten Präsidentenwahl in einem Ausnahmezustand.
Athen/Ankara - Recep Tayyip Erdogans Türkei könnte Kanzlerin Angela Merkel, der Nato und der EU erneut massiven Ärger bereiten - einmal mehr ist Erdgas-Förderung im Mittelmeer der Streitpunkt. Jüngst hatte Merkel zwischen Türkei und Griechenland vermittelt. Nun droht wieder eine Eskalation.
Athen hat bereits eine Sondersitzung des Regierungsrates für Außenthemen und Verteidigung unter Vorsitz des konservativen Regierungschefs Kyriakos Mitsotakis angekündigt, wie die staatliche Nachrichtenagentur ANA-MPA meldete. Zahlreiche Schiffe der Kriegsmarinen der beiden Nato-Staaten sind in dieser Region unterwegs, hieß es aus Quellen der Regierung in Athen.
Der Anlass der neuerlichen Verwerfungen: Ein türkisches Schiff soll bis zum 23. August seismische Forschungen nach Erdgas südlich der griechischen Insel Megisti (Kasteloriso) durchführen. Das teilte die zuständige Marinebehörde der Türkei mit. Die beiden Länder ringen nicht nur an diesem Ort um Kontrolle um Vorkommen fossiler Brennstoffe im Mittelmeer. Erdogans Türkei will zudem auch militärisch ihre Machtposition stärken.
Der türkische Energieminister Fatih Dönmez schrieb am Montag auf Twitter, das Forschungsschiff „Oruc Reis“ habe den Hafen von Antalya bereits verlassen und das Gebiet erreicht, in dem es Forschungen vornehmen werde. Die Position des Schiffes gab Dönmez nicht bekannt. Die türkischen Behörden hatten angekündigt, dass die „Oruc Reis“ seismische Untersuchungen in einem Gebiet südöstlich von Kreta und südlich der Insel Rhodos durchführen werde.
Dönmez schrieb auf Twitter weiter: „Für die Energieunabhängigkeit der Türkei werden unsere Aktivitäten im Mittelmeer und im Schwarzen Meer ununterbrochen fortgesetzt.“
Ende Juli war nach einer Vermittlung von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) eine leichte Entspannung zwischen Athen und Ankara eingetreten. Die beiden Nato-Staaten hatten zugestimmt, einen Dialog zum Thema Energie im östlichen Mittelmeer aufzunehmen. Für Verstimmungen in der EU hatte zuletzt auch die Umwidmung der Hagia Sophia gesorgt.
Diesmal scheint Merkel Regierung eine recht klare Position einzunehmen: Ankara verschlechtere mit dem jüngsten Plan auch das Verhältnis zur Europäischen Union weiter, sagte ein Sprecher des Auswärtigen Amtes dazu am Montag in Berlin. „In dieser Hinsicht sind weitere seismische Erkundung zu diesem Zeitpunkt sicherlich das falsche Signal“, sagte er. Die Bundesregierung rufe die Türkei und Griechenland auf, die Probleme im Dialog zu lösen.
Die Suche der Türkei nach Erdgas südlich der griechischen Inseln ist aus Sicht Athens illegal, weil diese Region zur sogenannten Ausschließlichen Wirtschaftszone des EU-Landes gehöre. Auch die EU hat diese türkischen Aktionen verurteilt und Ankara aufgefordert, sie einzustellen. Nach türkischer Lesart haben Inseln wie Kreta zwar Hoheitsgewässer, aber keine Ausschließliche Wirtschaftszone. Athen unterzeichnete inzwischen ein Abkommen mit Ägypten, indem - gemäß internationalem Seerecht - von Kairo anerkannt wird, dass die Inseln doch eine solche Zone haben.
Auch ansonsten mangelt es nicht an außenpolitischen Problemfeldern für die Bundesregierung: Merkels Sprecher Steffen Seibert äußerte sich am Montag (10. August) zur brisanten Lage in Weißrussland. Außenminister Heiko Maas will noch am Mittwoch in den von einer schweren Explosion und folgenden Unruhen gebeutelten Libanon reisen. Das Rekordtief der türkischen Landeswährung bringt Recep Tayyip Erdogan keineswegs aus der Ruhe. Auch ein Erdgas-Fund der Türkei konnte die Talfahrt der Lira jedoch nicht bremsen. (dpa/fn)