Deutschland versucht seit Wochen in dem Konflikt zu vermitteln - bisher ohne sichtbaren Erfolg. Am Dienstag war Außenminister Heiko Maas (SPD) nach Griechenland und in die Türkei gereist (siehe unten), konnte aber keine unmittelbare Entspannung erreichen. Am Tag darauf hielten beide Seiten Militärmanöver in der Region ab. Merkel hat mehrfach mit Erdogan und Mitsotakis telefoniert. Der Streit gilt als extrem gefährlich. Selbst eine militärische Auseinandersetzung zwischen den beiden Nato-Bündnispartnern scheint möglich. Es kam bereits zu einem Zusammenstoß zwischen einem türkischen und einem griechischen Kriegsschiff.
Erstmeldung: Athen/Ankara - Im erbitterten Streit zwischen den Nato-Partnern Griechenland und Türkei um Seegebiete im Mittelmeer startet Deutschland einen neuen Vermittlungsversuch. Außenminister Heiko Maas ist am Dienstag (25. August) zu Besuch in Athen und Ankara. Er will beide Seiten zu Gesprächen zu bewegen.
„Eine weitere Eskalation kann allen Seiten nur schaden, vor allem aber den unmittelbar Beteiligten vor Ort“, sagte der SPD-Politiker. Statt neuer Provokationen seien nun endlich Schritte der Entspannung und der Einstieg in direkte Gespräche notwendig. „Dabei wollen wir nach Kräften unterstützen.“
Der Streit hatte sich an türkischen Erdgaserkundungen vor griechischen Inseln im östlichen Mittelmeer entzündet und ist in den vergangenen Wochen immer weiter eskaliert. Das türkische Forschungsschiff „Oruc Reis“ sucht derzeit begleitet von Kriegsschiffen nach möglichen Gas-Vorkommen südlich der türkischen Küste.
Ankara argumentiert, dass das Gebiet zum Festlandsockel der Türkei gehöre. Der Türkei sind aber die griechischen Inseln Rhodos und Kastelorizo vorgelagert, weshalb Griechenland das Seegebiet für sich beansprucht. Einen ähnlichen Konflikt gibt es um die Insel Zypern, vor deren Küste schon reiche Erdgasvorkommen entdeckt wurden.
Das EU-Mitglied Griechenland schließt bislang einen direkten Dialog aus, solange die Forschungen der „Oruc Reis“ andauern. Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan wiederum betonte noch am Montagabend, dass sein Land „keinen Schritt zurückweichen“ werde.
Der Streit gilt als extrem gefährlich. Selbst eine militärische Auseinandersetzung zwischen den beiden Ländern, die demselben Militärbündnis - der Nato - angehören, scheint möglich. Es kam bereits zu einem Zusammenstoß zwischen einem türkischen und einem griechischen Kriegsschiff. Auch ein türkischer Erdgasfund an anderer Stelle scheint den Konflikt nicht zu bremsen.
Deutschland versucht seit Wochen in dem Streit zu vermitteln. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) telefonierte mehrfach mit Erdogan und dem griechischen Ministerpräsidenten Kyriakos Mitsotakis. Die Fortsetzung der gegenseitigen Provokationen konnte sie aber nicht verhindern. Zuletzt schloss Griechenland ein Abkommen mit Ägypten über Seegebietsgrenzen, was dazu führte, dass die Türkei auf den eigentlich schon geplanten Abzug ihres Forschungsschiffes verzichtete.
Nun versucht es Maas mit einer Reise in beide Länder: Viereinhalb Stunden Athen, drei Stunden Ankara. So etwas kommt nicht allzu häufig vor. Im Gegensatz zu Telefonaten stellt eine solche Reise eine große öffentliche Aufmerksamkeit her und erhöht so den Druck auf die Konfliktparteien. Sie birgt aber auch das Risiko, dass bei einem Scheitern die Aussichten auf Entspannung weiter schwinden.
Der Außenminister wollte in Athen Mitsotakis, Außenminister Nikos Dendias und Oppositionsführer Alexis Tsipras treffen. In Ankara kommt er dann mit Außenminister Mevlüt Cavusoglu zusammen. „Die Türkei und Griechenland sind unsere Nato-Verbündeten. Lösungen für die Streitfragen um die Erdgasvorkommen im östlichen Mittelmeer kann es nur auf Grundlage des Völkerrechts und im aufrichtigen Dialog miteinander geben“, betonte Maas.
Der CDU-Außenpolitiker Jürgen Hardt machte der Regierung in Ankara schwere Vorwürfe. „Die Gasbohrungen türkischer Schiffe in internationalen Gewässern fügen sich leider in die Strategie der Eskalation und Provokation der vergangenen Monate“, erklärte der Bundestagsabgeordnete am Dienstag in Berlin. „Seitens der Türkei gehören hierzu die Einschränkung der Presse-, Meinungs- und Informationsfreiheit ebenso wie die Provokationen gegenüber Griechenland und die Umwandlung des Weltkulturerbes Hagia Sophia in eine Moschee.“
Diese „Provokationen“ der türkischen Regierung seien innenpolitisch motiviert, sagte Hardt. „Sie werden Präsident (Recep Tayyip) Erdogan jedoch nicht helfen, die wachsende Unzufriedenheit der jungen türkischen Bevölkerung mit der wirtschaftlichen und innenpolitischen Krise der Türkei zu beseitigen.“
Den Zeitpunkt seiner Reise hat er mit Bedacht gewählt. Das Verhältnis zur Türkei wird auch ein Thema beim EU-Außenministertreffen am Donnerstag und Freitag in Berlin sein. Die EU steckt in dem Konflikt in einer schwierigen Situation. Auf der einen Seite will sie Griechenland und dem ebenfalls betroffenen EU-Mitglied Zypern Beistand leisten. Auf der anderen Seite befürchten etliche Mitgliedstaaten negative Auswirkungen auf die Zusammenarbeit in der Flüchtlingspolitik. Die EU ist bei der Eindämmung der illegalen Migration auf die Zusammenarbeit mit Ankara angewiesen.
Bislang reagierte die EU daher nur mit verhaltenen Sanktionen, die der Türkei nicht wirklich weh getan haben. Denkbar wären schärfere Maßnahmen, zum Beispiel die Zollunion mit der Türkei auszusetzen. Die dürften aber nur offen diskutiert werden, wenn die aktuellen deutschen Vermittlungsbemühungen nicht fruchten.
Der Weg aus dem Konflikt - darin sind sich alle einig - führt nur über den Dialog zwischen beiden Seiten. Entweder sie verständigen sich dabei auf eine Festlegung von Seegebietsgrenzen. Oder sie einigen sich auf eine Streitbeilegung etwa vor dem Internationalen Gerichtshof. Außenpolitisch gibt es für die Bundesregierung derzeit viel zu tun: Merkel und Maas hatten am Montag auch ein gemeinsames Statement zum Fall Nawalny veröffentlicht. (dpa/fn)