Kommentar zum Widerstand gegen Bauprojekte im Berchtesgadener Land
Mit Widerspruch und Widerstand muss gerechnet und diese einkalkuliert werden
aktualisiert:
- 0 Kommentare
- Weitere
Bischofswiesen, Schneizlreuth und Schönau. In allen drei Orten im Berchtesgadener Land regt sich derzeit Widerstand gegen geplante Bauprojekte. Wenn dadurch Verzögerungen oder gar das Aus kommt, ist das fraglos für die Verantwortlichen verständlicherweise frustrierend. Aber so etwas muss einkalkuliert werden, findet Redakteur Heinz Seutter.
Bischofswiesen/Schneizlreuth/Schönau - „Kommunalpolitik muss heutzutage mit Bürgerbegehren rechnen.“ Planungs-, Ausschreibungs- und Projektprozess müssten sich notfalls dem Umstand anpassen, dass noch ein Entscheid dazwischen kommen kann. „Das ist ansonsten so, wie der Abschluss der Maut-Verträge, auch wenn man schon wusste, dass noch ein Urteil vom Europäischen Gerichtshof kommen konnte.“ An diese Aussagen von Dr. Martin Gross, Vertretungs-Professor für Politikwissenschaft und Experte für Kommunalpolitik an der Ludwig-Maximilians-Universität München in einem Interview im Oktober 2019 musste ich in letzter Zeit des Öfteren denken.
Nun, zugegebenermaßen ging es damals speziell um Bürgerentscheide und wie diese gleich für mehrere kommunale Projekte in der Region das Aus bedeuteten. Konkret das interkommunale Waldbad-Neubau-Projekt in Waldkraiburg und Aschau am Inn (Plus-Artikel innsalzach24.de), das Lichtspielhaus in Bad Aibling (Plus-Artikel mangfall24.de) oder die Pläne für ein Krematorium in Kolbermoor (Plus-Artikel mangfall24.de). Auch das Berchtesgadener Land hat seinen Teil davon erlebt, allen voran der Entscheid im Juli 2011, bei dem das Aus für die Olympischen Winterspiele kam (Plus-Artikel BGLand24.de). Nicht selten hörte man dann von vom Ergebnis frustrierten Politikern als Berichterstatter vor Ort unter der Hand, das Verfahren an sich sei ja legitim aber auch ein enormes Problem für die Planbarkeit von Kommunalpolitik. Wie solle man denn noch irgendein weniger populäres Projekt voranbringen? Solche Frustration sei verständlich, aber der mögliche Widerspruch und aktives Vorgehen in Form von Bürgerbegehren und -entscheiden müsse man inzwischen als feste Größe einkalkulieren, entgegnete Politikwissenschaftler Dr. Gross.
Im Berchtesgadener Land gibt es nun in der jüngsten Zeit gleich gegen drei Bauprojekte Widerstand aus der örtlichen Bevölkerung. In Schönau am Königsee kritisieren Natur- und Denkmalschützer das angedachte Projekt für einen Hotel-Neubau (Plus-Artikel BGland24.de). Sie haben sich inzwischen sogar mit Petitionen dazu an den Bayerischen Landtag gewendet (Plus-Artikel BGLand24.de). In Bischofswiesen wiederum sorgt ein geplantes Forstzentrum der Bayerischen Staatsforsten für Unmut in der Bevölkerung (Plus-Artikel BGLand24.de). Hier wird kritisiert, dass es teils in einem Naturschutzgebiet entstehen würde. Zuletzt in Schneizlreuth überreichten Anwohner jüngst in der Gemeinderatssitzung eine Unterschriftenliste gegen das Projekt eines „Dorfs im Dorf“ am Steinpass an den Bürgermeister (Plus-Artikel BGland24.de). Auch sie führten Bedenken zum Landschafts- und Naturschutz an.
Zugegeben: Beim Schneizlreuther Projekt hatte das Unternehmen hinter dem „Dorf im Dorf“-Projekt von Anfang an gelobt, auch die Bevölkerung mittels Infoveranstaltungen einzubeziehen. Der jüngste Widerstand dort rührte dann auch von einer Informationsveranstaltung her, bei der erste Projektskizzen vorgestellt wurden. In Bischofswiesen wollen die Staatsforsten nun Info-Veranstaltungen für Gemeinderäte und Interessierte anbieten. In Schönau wiederum beruft sich Bürgermeister Hannes Rasp (CSU) darauf, es habe bei der Vorstellung des Hotel-Bauprojekts in der Bürgerversammlung überwiegend Zustimmung gegeben.
So sehr man dann auch vielleicht den Frust der Verantwortlichen nachvollziehen kann, wenn alle drei Projekte nun durch Widerstand aus der Bevölkerung verzögert werden oder sogar komplett gestoppt werden: Es bleibt bei der Aussage von Dr. Gross. Bei derartigen Projekten, welche derart die Belange von Anwohnern und auch des Denkmal-, Landschafts- oder Naturschutzes berühren, muss mit Widerspruch und Widerstand gerechnet und diese einkalkuliert werden.
Alleine aus demokratietheoretischer Perspektive sei die Formierung von Bürgerbeteiligung in einer solchen Weise nur zu begrüßen, betonte damals auch Kommunalpolitik-Experte Gross. „Dazu kommt natürlich auch der Umstand, dass wenn es in der Bevölkerung eine überwiegend zustimmende Haltung zu einem Projekt gibt, kann sich ja als Reaktion immer noch eine Pro-Bürgerinitiative bilden.“
Verfasst von Heinz Seutter (heinz.seutter@ovb24.de)
Dieser Kommentar muss nicht die Ansicht der gesamten Redaktion widerspiegeln.
hs