Deutschland plötzlich Medaillen-Kandidat

Belgrad - Vom Katastrophen-Team zum Medaillen-Kandidaten: Nach dem eindrucksvollen 29:24 gegen den WM-Vierten Schweden ist die Ausgangslage der deutschen Handballer bei der EM glänzend.
Das Wetter stand im Kontrast zur allgemeinen Gemütslage. Freudestrahlend kletterten Handball-Bundestrainer Martin Heuberger und seine Spieler am Tag nach der Gala gegen Schweden aus dem deutschen Mannschaftsbus und bezogen ihr neues Quartier in Belgrad. Der serbische Dauerregen und drei Stunden Busfahrt konnten der guten Stimmung nichts anhaben.
Vom Katastrophen-Team zum Medaillen-Kandidaten: Nach dem eindrucksvollen 29:24 gegen den WM-Vierten Schweden ist die Ausgangslage der deutschen Handballer bei der EM glänzend. Vor dem ersten Hauptrunden-Spiel gegen Geheimfavorit und Gastgeber Serbien am Samstag (20.15 Uhr/live im WDR und NDR) in Belgrad ist das Ticket für ein Olympia-Qualifikationsturnier plötzlich in greifbarer Nähe. Mehr noch: Das Team von Bundestrainer Martin Heuberger wittert sogar seine Halbfinal-Chance.
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„Es ist beeindruckend, wie sich die Mannschaft in das Turnier gekämpft hat“, sagte Heuberger. Dem Katastrophen-Start gegen Tschechien (24:27) folgten Siege gegen heißblütige Mazedonier (24: 23) und eben gegen Schweden. Weil Tschechien am späten Donnerstagabend gegen Mazedonien verlor, startet das deutsche Team um Kapitän Pascal Hens mit weißer Weste und 4:0 Punkten in die Hauptrunde. Neben Serbien sind Vize-Weltmeister Dänemark am Montag (18.20 Uhr/ZDF) und Polen am Mittwoch (16.15 Uhr/ZDF) die weiteren Gegner.
Die Genugtuung der beiden Siege war Heuberger am Freitag deutlich anzumerken. Der vor dem Turnier und nach der Auftaktpleite heftig kritisierte 47-Jährige machte aus seinem Gemütszustand keinen Hehl. „Wenn ich auf jeden hören müsste, hätten wir jetzt wahrscheinlich schon den Rückflug buchen können“, sagte Heuberger.
Seine ebenso klugen wie mutigen Wechselspiele ebneten den Weg zum Erfolg. Nachdem er Pascal Hens bereits gegen Mazedonien 60 Minuten lang auf der Bank hatte schmoren lassen, ließ er ihn auch im Schweden-Spiel weitgehend draußen. „Ich habe meinen Weg, und den werde ich konsequent weitergehen“, sagte Heuberger.
Auch Torhüter Silvio Heinevetter, der am Donnerstagabend zum Matchwinner avanviert war, richtete den Blick nach vorn. „Wir sind mit einem blauen Auge davongekommen. Aber was gestern war, ist mir egal“, so Heinevetter: „Fest steht, dass uns jetzt keiner mehr unterschätzen wird.“ Dominik Klein ergänzte: „Wenn wir die Leistung aus dem Schweden-Spiel abspeichern, soll uns erstmal jemand schlagen. Wir freuen uns auf ein ganz langes Turnier.“
Ex-Nationalspieler Stefan Kretzschmar traut dem Team jedenfalls viel zu. „So stark wie gegen Schweden habe ich lange keine deutsche Nationalmannschaft mehr gesehen“, sagte der frühere Linksaußen im Gespräch mit dem Sport-Informations-Dienst (SID): „Mit nur einem weiteren Sieg ist man vielleicht sogar schon im Halbfinale. Ich habe ein gutes Gefühl - hier geht was.“
Zunächst gilt es jedoch, die serbische Hölle zu überstehen. In der gigantischen Belgrad-Arena, der größten Veranstaltungshalle Europas, werden am Samstagabend mehr als 20.000 Fans ihr Team nach vorne peitschen. „Das wird ein richtiger Hexenkessel“, sagte Heinevetter bei der Ankunft im Teamhotel am Freitagnachmittag: „Aber nach dieser Vorrunde sind wir für alles gewappnet.“
Die Mannschaft um Superstar Momir Ilic vom deutschen Rekordmeister THW Kiel kämpft ebenfalls noch um eines der beiden Quali-Tickets für Olympia und bringt nach Siegen gegen Dänemark und Polen auch vier Punkte mit. „Wir haben alle Chancen. Ein Sieg wäre ein großer Schritt in Richtung Olympia“, sagt Heinevetter. Und in Richtung EM-Halbfinale.
dpa