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Nach Olympia-Aus: Deutscher Handball in der Schockstarre

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Ex-Bundestrainer Heiner Brand: "Man darf jetzt nicht den Fehler machen, die Konsequenzen zu überzeichnen." © dpa

Belgrad - Katerstimmung statt Siegesrausch: Die deutschen Handballer haben erstmals in der Geschichte die Olympia-Teilnahme verpasst. Auch Ex-Bundestrainer Heiner Brand äußert sich.

Katerstimmung statt Siegesrausch: Mit müden Augen und hängenden Köpfen verließen die deutschen Handballer um Kapitän Pascal Hens den Ort ihrer schlimmsten Schmach. Während die Spieler sich am Donnerstagmittag wortlos in den Flieger gen Heimat verkrümelten, rangen die Funktionäre nach Erklärungen für das tragische Scheitern bei der EM. Erstmals in der Geschichte hat eine deutsche Nationalmannschaft die Olympia-Teilnahme verpasst. Einen Neubeginn, wie ihn DOSB-Präsident Thomas Bach fordert, wird es aber wohl nicht geben.

Schwer gezeichnet von der bitteren 32:33-Niederlage gegen Polen und mit tiefen Augenrändern schlich Bundestrainer Martin Heuberger über den Flughafen in Belgrad. „Am Schluss zählt das Ergebnis. Daran müssen wir uns messen lassen“, sagte der 47-Jährige, der das Amt im Juli 2011 von Weltmeister-Trainer Heiner Brand übernommen hatte.

Nach Platz sieben bei der EM und der verpassten Olympi-Qualifikation erteilte er den Gerüchten um einen möglichen Rücktritt aber noch vor dem Heimflug eine klare Absage. „Ich werde nicht aufgeben. Ich mache weiter, sofern man mich lässt“, sagte Heuberger und ergänzte: „Ich versuche hier etwas aufzubauen, eine Mannschaft, die irgendwann wieder um Titel mitspielt.“

Bis dahin wird es nach den jüngsten Eindrücken von der EM in Serbien allerdings noch einige Zeit dauern. Zwar zeigte das Team vor allem bei seinen beherzten Auftritten in der Vorrunde reichlich Moral, doch in den entscheidenden Momenten fehlte nicht nur der Killerinstinkt. Es fehlte schlichtweg an Qualität.

Zwei Matchbälle hatte die deutsche Mannschaft in der Hauptrunde serviert bekommen, um sich für das Halbfinale zu qualifizieren - doch sowohl gegen Dänemark als auch gegen Polen wurde kläglich vergeben. Am Ende fehlte ein Punkt. Das ausgegebene Minimalziel „Olympia-Qualifikation“ wurde verpasst.

Die Folgen für die Sportart sind noch nicht absehbar, doch das Image wird weiteren Schaden nehmen. Die Nationalmannschaft, die es schon beim Supercup im Herbst nicht vermocht hatte, die Hallen zu füllen, droht mehr und mehr zu einer Randnotiz zu verkommen. Durch die verminderte Fernsehpräsenz besteht mittelfristig die Gefahr, dass sich finanzkräftige Sponsoren zurückziehen.

„Das Olympia-Aus ist das schlimmste, was passieren konnte“, sagte DHB-Präsident Ulrich Strombach: „Trotzdem mache ich mir keine großen Sorgen. Der Handball in Deutschland geht davon nicht kaputt. „ Ex-Welthandballer Daniel Stephan sprach dagegen vom „Super-Gau“. „Die Nationalmannschaft war immer das Aushängeschild unserer Sportart. Jetzt muss einiges angepackt werden“, sagte Stephan.

In die gleiche Kerbe schlägt Thomas Bach. Der Präsident des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB) fordert im Gespräch mit dem Sport-Informations-Dienst (SID) einen entschlossenen Neubeginn. „Das Ergebnis ist enttäuschend, kommt aber nicht vollkommen überraschend“, sagte Bach: „Die Entwicklung hat sich in den vergangenen Monaten abgezeichnet. Jetzt bietet sich die Chance zum entschlossenen Neubeginn mit dem Ziel Rio 2016.“

Trainer-Legende Heiner Brand versuchte unterdessen zu beschwichtigen. „Natürlich ist das nicht gut für unsere Sportart. Aber man darf jetzt nicht den Fehler machen, die Konsequenzen zu überzeichnen“, sagte Brand. Auch die Fußball-Frauen und die Basketballer mit Superstar Dirk Nowitzki würden nicht nach London fahren. „Aber auch dort geht es weiter“, so Brand.

Von einem radikalen Umbruch im Team hält er nichts. „Das hört sich immer so schön an“, sagt Brand, „aber man muss auch die Möglichkeiten sehen. Zu den aktuellen Nationalspierlern gibt es kaum Alternativen.“ Seinen Nachfolger nahm er aus der Schusslinie. „Martin hat seine Aufgabe bei diesem Turnier sehr gut gemacht und zu 100 Pozent erfüllt“, sagte Brand. „Er steht zum jetzigen Zeitpunkt nicht zur Diskussion.“

Den von Bach geforderten Neubeginn wird es deshalb wohl nicht geben. Der deutsche Handball befindet sich - passend zum plötzlichen Wintereinbruch in Belgrad - in der Schockstarre. Und sollte sich auf eine lange Durststrecke gefasst machen.

sid

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