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Die beste Fußball-WM aller Zeiten? So hat ein Nußdorfer (51) das Turnier in Katar erlebt

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Von: Marinus Obermaier

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Holger Raab aus Nußdorf besuchte 31 Spiele der WM in Katar.
Holger Raab aus Nußdorf besuchte 31 Spiele der WM in Katar. © privat

Holger Raab ist einer der wenigen deutschen Fans, der trotz großer Kritik zur Weltmeisterschaft nach Katar gereist ist. Seine Erfahrungen hat der Nußdorfer in einem Online-Blog zusammengetragen. Nun verrät er, wie es dazu kam und was er in Katar erlebt hat.

Nußdorf – Die Fußball-Weltmeisterschaft 2022 in Katar stand unter großer Kritik. Viele Menschen in Deutschland haben die Spiele sogar boykottiert. Nur wenige deutsche Fans haben sich auf den Weg in den Wüstenstaat gemacht. Einer davon war Holger Raab. Der Nußdorfer unterstützt die deutsche Nationalmannschaft bereits seit 1995 bei allen Spielen und hat so schon einige große Turniere vor Ort verfolgt. Seit 2015 trägt der 51-Jährige seine Erlebnisse zudem in einem Online-Blog zusammen. In Katar hat Raab 15 Tage verbracht und dabei einige Erinnerungen gesammelt.

Sie besuchen Fußballspiele und schreiben darüber einen Blog im Internet. Wie kam es dazu?

Holger Raab: Ich fahre schon sehr lange zum Fußball und habe dabei immer Fotos gemacht, die ich dann ausgedruckt und in Fotoalben eingeklebt habe. Die Touren wurden aber immer länger und irgendwann bin ich dann nicht mehr nachgekommen. Eine Bekannte hat mir dann gesagt, dass es die Möglichkeit gibt, das über eine Bloggerseite zu machen. Und wenn mich jemand fragt, wie es in Luxemburg oder Andorra war, dann kann er da reinschauen. Ich schreibe in meine Berichte auch viele Tipps und Tricks und auch was Nebenrum passiert, damit die Leute wissen, dass es nicht nur um Fußball geht.

„Da ist einiges hängengeblieben“

Sie schreiben diesen Blog seit 2015. Woher stammt Ihre Faszination für den Fußball?

Raab: In meiner Familie gibt es keine Fußballfans. 1987 hat mich ein Bekannter einfach mal mitgenommen. Mein erstes Spiel war das „Cup der Meister“-Finale zwischen Porto und Bayern München in Wien. Da ist einiges hängengeblieben. Dann habe ich immer wieder Karten für Bayern München im Olympiastadion bekommen und 1995 bin ich dann das erste Mal mit der deutschen Nationalmannschaft auswärts mitgefahren. Meine Freundin ist überhaupt kein Fußballfan, aber sie ist sehr interessiert an Städten und Sightseeing, das verbinden wir dann immer.

Wie viele Fußballspiele haben Sie in Ihrem Leben schon besucht?

Raab: Circa 1600.

Wie finanzieren Sie sich diese Stadionbesuche?

Raab: Ich versuche es immer so billig wie möglich zu machen. Wenn wir in Deutschland reisen, machen wir das meistens über Fahrgemeinschaften. Auch bei den Eintrittskarten versuchen wir immer, die billigsten Stehplätze zu bekommen. Essen und Trinken nehmen wir uns selbst mit. Wenn ich mit meiner Freundin unterwegs bin, kommt es auch vor, dass wir im Auto schlafen. Wir haben unseren Wagen so umgebaut, dass wir hinten die Sitze umklappen und dort übernachten können. So sparen wir natürlich einiges an Geld.

Champions-League-Endspiele als absolute Highlights

Bei über 1500 Spielen kann man sich natürlich nicht an jedes erinnern. Gibt es dennoch Partien, die immer in Ihrer Erinnerung bleiben werden?

Raab: Ja. 2001 das Champions-League-Endspiel zwischen Bayern und Valencia in Mailand, als Oliver Kahn drei Elfmeter gehalten hat. Das war für mich eins der absoluten Highlights. Genauso wie das Finale 2013 gegen Dortmund, als Arjen Robben kurz vor Schluss das 2:1 für Bayern gemacht hat.

Das hört sich stark danach an, als wären Sie Bayern-Fan...

Raab: Ja, ich bin Bayern-Fan. Ich habe auch sehr viele Spiele gesehen und reise Bayern auch jetzt noch hinterher. Hauptsächlich aber nur noch auswärts, da sind für mich der Reiz und die Stimmung einfach besser.

Wenn wir bei positiven Erinnerungen sind, muss natürlich auch die Gegenseite beleuchtet werden. Welches negative Ereignis haben Sie live miterlebt?

Raab: Das Spiel von Bayern in Barcelona gegen Manchester United 1999. Das 1:2, das sie in der Nachspielzeit verloren haben. Und natürlich 2012 das „Finale dahoam“ gegen Chelsea. Auch das Finale der Europameisterschaft 2008 zwischen Deutschland und Spanien.

Reise nach Südamerika als Wunsch

Gibt es denn noch Stadien oder bestimmte Begegnungen, die Sie unbedingt noch besuchen möchten?

Raab: Ich möchte unbedingt noch eine Reise nach Südamerika machen und dort das Maracana-Stadion in Brasilien besuchen. Das wollte ich 2020 eigentlich auch machen, aber da ist mir dann Corona dazwischengekommen. Dadurch hatte ich den großen Vorteil, dass ich mir das Geld aufgespart habe und damit nun zur Weltmeisterschaft geflogen bin.

Einige Menschen in Deutschland haben die Spiele boykottiert. Sie haben das Gegenteil gemacht und sind sogar nach Katar geflogen. Warum?

Raab: Ich habe bei den Europameisterschaften 2004 in Portugal und 2016 in Frankreich jeweils 16 Spiele gesehen. Mein Ziel war es, noch einmal meinen persönlichen Rekord zu brechen. Das war in Katar leichter machbar als zum Beispiel 2018 in Russland. Ich bin auch immer sehr neugierig, in Länder zu fliegen, die ich gar nicht kenne. Viele meiner Bekannten waren da schon und haben gesagt, dass man einfach mal hinreisen sollte. Aufgrund der Boykott-Aktion ist man auch viel einfacher an Karten gekommen.

War das das größte Projekt Ihres Lebens`?

Raab: Das war auf jeden Fall ein sehr großes Projekt, weil wir neun Monate vorher schon zum planen angefangen haben. Wir waren dieses Jahr auch schon in Amerika, bei der Bayern-Tour. Je weiter die Tour entfernt ist, desto länger muss man planen. Amerika und Katar dürften die größten Projekte gewesen sein.

Planung schon neun Monate vorher

Sie haben die Planung bereits angesprochen. Wie genau lief das ab?

Raab: Wir haben im März mit der Bestellung der Hayya-Karte angefangen. Die Hayya-Karte ist wie eine kleine Scheckkarte, auf der ein Chip drauf ist, wo die ganzen persönlichen Daten aufgespielt sind. Die Karte hat auch als Visum gezählt, auch für alle benachbarten Länder. Zusätzlich war man mit dieser Karte berechtigt, Eintrittskarten zu bestellen und die Übernachtungen zu buchen. In Katar war es während der WM so, dass es keinem erlaubt war, in das Land einzureisen, außer man hatte diese Karte.

Mit welchen Erwartungen sind Sie nach Katar geflogen?

Raab: Ich bin mit einem mulmigen Gefühl geflogen, weil man zuvor eigentlich nur negative Sachen gehört hat. Ich war noch nie in den arabischen Ländern und wusste nicht, was auf mich zukommt. Ich habe mich vorher über einige Freunde schlaugemacht, wie es da mit Essen, Sprache oder Internet aussieht. Andererseits bin ich sehr abenteuerlustig, wenn es darum geht, neue Länder zu besuchen.

„Wir haben uns bei den Leuten entschuldigt“

Hatten Sie auch Kontakt zu Einheimischen?

Raab: Ja, sehr viel sogar, weil auch die Einheimischen in die Stadien gegangen sind. Dadurch, dass wir viele Spiele besucht haben, sind wir auch ganz oft mit der Metro oder den Bussen von einem Stadion zum nächsten gefahren. Da sind auch ganz oft Kataris mitgefahren und mit denen haben wir gesprochen. Wir haben ganz nette Leute kennengelernt, die uns auch zum Essen eingeladen haben.

Gab es einen Moment, den Sie nie vergessen werden?

Raab: Es gab sehr viele schöne Momente. Da ich Fan der deutschen Nationalmannschaft bin, war es für mich ein unglaublicher Moment, als Japan gegen Costa Rica verloren hat und ich noch die Hoffnung hatte, dass Deutschland eine Runde weiter kommt. Es gab noch einen Moment, den ich nie vergessen werde: Bei der Kontrolle am Stadioneingang habe ich meinen Geldbeutel verloren. Da waren zwei Kreditkarten und circa 300 Euro drin. Ich stand dann im Stadion und habe gemerkt, dass mein Geldbeutel weg war. Ich bin zurück an diese Sicherheitsschleuse und habe das dem Sicherheitsdienst erklärt. Dann haben die gleich 20 Leute geholt und die komplette Schleuse durchsucht, bis sie meinen Geldbeutel gefunden haben.

La‘eeb, das Maskottchen der WM, posiert mit dem Pokal.
La‘eeb, das Maskottchen der WM, posiert mit dem Pokal. © privat

Sie haben für die gesamte Reise 6287 Euro ausgegeben. Hatten Sie vorher mit so einer Summe gerechnet?

Raab: Was immer offen war, war das Thema Rückflug, weil ich nicht wusste, wie weit Deutschland kommt. Ich war fest der Meinung, dass die Ausgaben in das Fünfstellige gehen würden. Das wäre wahrscheinlich auch passiert, wenn ich länger geblieben wäre. Durch das frühe Ausscheiden von Deutschland hat sich das aber erledigt.

Preise als positive Überraschung

Wie zufrieden waren Sie mit den Preisen für Flüge, Karten und Unterkünfte?

Raab: Wenn man die Preise mit Russland vergleicht, habe ich natürlich einiges weniger ausgegeben. Wenn ich es aber mit Amerika vergleiche, war es ungefähr gleich. Was teuer war, waren die Eintrittskarten. Das war aber mit Ansage, weil wir ja wussten, dass es bei einigen Spielen schwieriger sein wird, reinzukommen. Bei den Übernachtungen wussten wir schon im Voraus, dass das nicht ganz billig wird. Bei den Flügen haben wir versucht, das Billigste zu nehmen. Ich habe mit viel mehr Geld gerechnet und war positiv überrascht.

Es gab in Katar mehrere Möglichkeiten zum Übernachten. Welche Angebote haben Sie genutzt und wie war Ihr Eindruck?

Raab: Wir haben die ersten zwei Wochen im Container-Dorf geschlafen. Ich bin Soldat und war auch schon viermal im Einsatz und habe da auch schon in Containern geschlafen. Die Container, die wir in Katar hatten, waren Luxus im Vergleich zu dem, was ich kannte. Dann musste ich zu Freunden wechseln. Die haben in einer Wohnsiedlung in einer Sechs-Personen-Wohnung geschlafen. Zum Schluss bin ich in ein Ressort gegangen. Ich war mehr als zufrieden. Da habe ich bei anderen Turnieren schon viel schlechter geschlafen.

Fußball gespielt wurde natürlich auch noch. Wie viele Spiele haben Sie live verfolgt?

Raab: Ich war bei 31 Spielen, beginnend vom Eröffnungsspiel bis ins Achtelfinale.

Holger Raab hat alle drei Spiele der deutschen Mannschaft im Stadion verfolgt.
Holger Raab hat alle drei Spiele der deutschen Mannschaft im Stadion verfolgt. © privat

Welche Partien sind Ihnen besonders in Erinnerung geblieben?

Raab: Ganz klar das Aufeinandertreffen zwischen Saudi Arabien und Argentinien. Natürlich jetzt auch, weil Argentinien Weltmeister geworden ist und das das einzige Spiel war, das sie verloren haben.

„Die beste WM, die ich erleben durfte“

Wie war die Stimmung in den Stadien?

Raab: Sehr unterschiedlich, weil viele Fans nicht angereist sind. Wir haben uns Mexiko gegen Polen angeschaut. Da waren circa zwei Drittel der Leute im Stadion Mexikaner. Die haben eine unglaubliche Stimmung gemacht. Allgemein bei den amerikanischen Ländern war sehr gute Stimmung. Senegal hatte sogar Trommeln und Trompeten dabei und hat mit Musik unterstützt. Das war auch etwas ganz Neues. Die Stadien waren oft voll, aber wenn bei Brasilien das Stadion halbvoll mit Brasilien-Fans war, war vielleicht ein Drittel davon wirklich aus Brasilien.

Das Lusail Stadion hat Holger Raab besonders beeindruckt.
Das Lusail Stadion hat Holger Raab besonders beeindruckt. © privat

Fifa-Chef Gianni Infantino hat von der besten WM aller Zeiten gesprochen. Würden Sie dieser Aussage zustimmen?

Raab: Definitiv. Die Spiele waren zwar teilweise ziemlich schwach, aber wenn ich das Komplettpaket betrachte, war es die beste WM, die ich bisher erleben durfte.

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