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Vom Taferlbua zum WM-Organisator: Schweiger spricht über seinen unerwarteten Rücktritt

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Von: Karlheinz Kas

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Engelbert Schweiger hat die Chiemgau-Arena nach 23 Jahren verlassen und ist jetzt für einen neuen Arbeitgeber tätig.
Engelbert Schweiger hat die Chiemgau-Arena nach 23 Jahren verlassen und ist jetzt für einen neuen Arbeitgeber tätig. © Karlheinz Kas

Er war 23 Jahre Chef in der Chiemgau-Arena, hat insgesamt sechs Weltmeisterschaften und 26 Weltcups ausgerichtet und sich in der internationalen Biathlon-Szene einen großen Namen gemacht. Deshalb hörte Engelbert Schweiger auf.

Ruhpolding – Engelbert Schweiger hatte im Sommer völlig überraschend seinen Rücktritt als Chef der Chiemgau-Arena erklärt und war abgetaucht. Der 55-jährige gebürtige Traunsteiner spricht im ausführlichen Interview über die Hintergründe und zieht eine Arena-Bilanz.

Herr Schweiger, wie kam es dazu, die Chiemgau-Arena nach so langer Zeit als verantwortlicher Stadionchef und Geschäftsführer so plötzlich zu verlassen?

Engelbert Schweiger: Für viele Außenstehende vielleicht plötzlich, aber das kann man so nicht behaupten, da ich mich schon seit längerer Zeit mit dem Gedanken beschäftigte. Es war meine persönliche Entscheidung, die dann konkret etwa Mitte August nach einigen Monaten Überlegungsphase gefallen ist. Ich habe dann einen Tag nach der Biathlon-Sommer-Weltweltmeisterschaft meinen Vertrag beim Kommunalunternehmen Gemeindewerke unter Einhaltung der siebenmonatigen Kündigungsfrist gekündigt. Auch habe mich nicht aktiv um einem anderen Job bemüht, dennoch wollte ich mich nach so langer Zeit im Veranstaltungsbereich noch einmal beruflich verändern. Das zukünftige Gesamtkonzept und die dahinter stehende Philosophie der Wertegemeinschaft VR Bank hat mich überzeugt. Letztendlich hat man mir den Geschäftsführer-Posten von „Meine Bergwelt GmbH“ angeboten und ich habe aus den vorgenannten Gründen zugesagt.

Was hinterlassen Sie für ein Team?

Schweiger: Ich denke, ein nahezu perfektes Team, für das wir in Ruhpolding national und international im Veranstaltungsbereich allerorts beneidet werden. Ich war immer stolz auf mein langjähriges Team um Alois Reiter, Hubert Neidhardt, Claudia Hummel und all den weiteren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die mit mir in den letzten vier Jahren alle Umstrukturierungen vom Regiebetrieb in den Eigenbetrieb Chiemgau-Arena und zuletzt in eine Chiemgau-Arena GmbH und in ein Kommunalunternehmen Gemeindewerke erfolgreich mitgegangen sind.

War der Abschied mit Wehmut verbunden?

Schweiger: Dafür hatte ich gar nicht die Zeit, weil es ein fließender Übergang in die neue Tätigkeit war. Mein Herz wird aber immer an der Chiemgau-Arena und am Wintersport hängen, dafür war ich zu lange in diesem Bereich tätig. Ich habe im Skisport nebenbei auch viele ehrenamtliche Positionen begleitet, angefangen, als Skisprungtrainer, als Sportwart im Verein und SV Chiemgau, neun Jahre als Erster Vorstand des Ski-Club Ruhpolding, zwei Jahre als Erster Vorstand des Skiverbandes Chiemgau, sechs Jahre als Vizepräsident im Bayerischen Skiverband und im Vorstand Sportbeirat des BLSV und in den verschiedensten DSV-Gremien.

Ziehen Sie doch mal Bilanz in der Chiemgau-Arena?

Schweiger: Ich habe alle sechs Biathlon-Weltmeisterschaften (mit Sommer-WM und Junioren-WM) in Ruhpolding miterlebt, 22 Biathlon-Weltcups und vier Weltcups in der Nordischen Kombination. Bei der Biathlon-WM 1978 war ich Skiclub-Taferlbua. Bei der WM 1985 war ich als Vorläufer auf der Strecke dabei, bei der WM 1996 war ich Assistent vom WM-Generalsekretär Alois Auer. Es war eine sehr lehrreiche Funktion, denn ich war im OK-Team unter Alt-Bürgermeister Herbert Ohl bei allen Entscheidungen mit dabei. Da habe ich also sehr früh das Thema Organisation von Großveranstaltungen mitbekommen.

Genug Empfehlung also, um 1. Mai 1999 die Stadionleitung zu übernehmen!

Schweiger: Gerhard Hallweger, damals Bürgermeister, hat mich abgeordnet, das Biathlonzentrum, so hieß es damals noch, von Seiten der Gemeinde zu betreuen. Es gab dort sonst keine Mitarbeiter, ein Mann war zur Betreuung des Schießstandes von der Bundeswehr abgestellt und wir hatten noch eine geringfügig Beschäftigte als Reinigungskraft – mehr nicht. Es war vor Ort keinerlei Struktur da, es gab auch keine Übergabe.

Ab 2002 war Bürgermeister Andreas Hallweger dann ihr Chef.

Schweiger: In seiner Amtszeit bis 2008 haben wir dann, mit sehr viel Engagement und Herzblut, uns beim DSV und der FIS dafür eingesetzt, dass Ruhpolding Weltcup-Standort in der Nordischen Kombination wurde. Und zeitgleich wurden die Weichen in vielen IBU-Tagungen und Besprechungen dafür gestellt, dass Ruhpolding wieder Ausrichter der Biathlon-Junioren-WM 2008 und zum Biathlon-WM-Standort 2012 wurde, was wir dann auch letztendlich geschafft haben. Unser Ziel war es, den Standort für alle „World Snow Events“ auszulegen.

Weil auch reichlich Millionen flossen!

Schweiger: Ja, ab 2008 unter Bürgermeister Claus Pichler flossen nach einer eindrucksvollen und unvergesslichen WM-Vergabe im September 2008 in Prag, mit übergreifender Hilfe aller politischen Fraktionen reichlich an Fördermittel aus dem Konjunkturpaket II, um die Chiemgau-Arena für 16 Millionen Euro in nur einem Jahr umzubauen. Es bestand damals die Gefahr, die A-Lizenz für die Ausrichtung von Weltcups und Weltmeisterschaften zu verlieren. Als Bauherrnvertreter zusammen mit dem Gemeinderat war ich stolz darauf, dass das Budget eingehalten wurde. Leider konnten jedoch nicht alle Bauwünsche erfüllt werden.

Die WM 2012 mit über 200000 Besuchern war der absolute Höhepunkt, oder...?

Schweiger: Natürlich, es war ein riesiges internationales Fest für alle Beteiligten und für die Besucher. Aber danach ist eine schwierige Zeit eingetreten, vor allem in finanzieller Hinsicht, weil sich die Rahmenbedingungen durch die Fernseh- und Marketingverträge der IBU für uns so verschlechtert hatten, dass wir in eine finanzielle Schieflage gekommen sind. Bis zu WM 2012 hatten wir 13 Jahre lang großartig arbeiten können und nach jedem Weltcup ist etwas übrig geblieben. Aus den Weltcupeinnahmen wurde auch der Skisprungbetrieb in der Chiemgau Arena finanziert. Aber ab 2013 war das anders. Wir haben in den letzten Jahren schwer kämpfen müssen, dass der Weltcup und der Gesamtjahresbetrieb kein dauerhaftes Minusgeschäft wird. Erst mit der Umstellung auf einen kommunalen Eigenbetrieb Chiemgau-Arena ab 2018 und durch Verbesserungen in den Veranstalterverträgen waren wir dann wieder auf dem richtigen Weg, wobei es nach wie vor Luft nach oben gibt.

Ihre schönste Erinnerung?

Schweiger: Natürlich die WM 2012, aber auch die vielen Kontakte zu den nationalen und internationalen Veranstalter-OK`s im Wintersport. Da sind viele Freundschaften entstanden und es gab bis zuletzt ganzjährig einen regen Austausch. Die große Wertschätzung, die Ruhpolding als Organisator da erfahren hat, ist für mich ein Thema, worauf ich schon sehr stolz bin.

Und die schlimmste Erfahrung bei den Veranstaltungen?

Schweiger: Was uns alle sehr mitgenommen hat, war bei der WM 2012 der Sicherheitsaspekt um Magdalena Neuner, weil es ihre letzte WM war. Es gab Drohungen gegen sie und alles musste im Hintergrund ablaufen. Das war schon schlimm. 2019 hatten wir das Schneechaos mit Terminverschiebung, weil wir nicht wussten, ob wir die Start-Freigabe bekommen. Ähnlich war es 2022, wo einen Tag vor dem ersten Wettbewerb aufgrund der Pandemie-Situation entschieden wurde, dass keine Besucher ins Stadion dürfen. Da haben wir uns von der Politik schon etwas im Stich gelassen gefühlt.

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